Viele Romane und auch Sachbücher kreisen zurzeit um Kindheiten und Jugenden in der DDR, meist um solche, die dort starteten und dann durch Mauerfall und Wiedervereinigung eine Zäsur erfuhren. André Kubiczek trägt mit seinem autofiktionalen… Mehr
Marta Barone – Als mein Vater in den Straßen von Turin verschwand
Gli anni di piombo – die bleiernen Jahre – wird in Italien die Zeit von Ende der 1960er bis in die 1980er Jahre hinein genannt, in der im Land große politische Unruhe herrschte, sowohl linksradikale als auch neofaschistische Terrorgruppen zahlreiche Attentate und Morde begingen und die Staatsgewalt darauf mit Härte reagierte. Die Entführung und Ermordung des christdemokratischen Parteichefs Aldo Moro am 16. März 1978 durch die linksextremistischen Brigate rosse war wohl eine der bekanntesten Aktionen. Zeitgleich trat in der BRD die RAF auf. Die Brutalität und Radikalität der von Marta Barone in ihrem autofiktionalen Roman Als mein Vater in den Straßen von Turin verschwand geschilderten Vorgängen waren allerdings in Italien noch erschreckender und die Mitglieder- und Sympathisantenzahlen der Untergrundorganisationen – vor allem der Roten Brigaden und der Primera Linea – weitaus höher. 197 Menschen fielen Ihnen zum Opfer. Weiterlesen „Marta Barone – Als mein Vater in den Straßen von Turin verschwand“
Rita Bullwinkel – Schlaglicht
Es gibt weniges, das mich weniger interessiert als der Boxsport. Überhaupt kann ich mich für Sportthemen oder Sportromane selten begeistern. Wenn es einem Roman also gelingt, mich über mehr als 200 Seiten zu fesseln, obwohl ich keinerlei Interesse an seinem Hauptsujet besitze, dann spricht das sehr für dessen Qualität. Mir ist das tatsächlich vor längerer Zeit schon einmal passiert. Da ging es um Motorsport, tatsächlich etwas das ich noch abseitiger finde als Boxen. Der Roman hieß „Boxenstopp“ und war von Christiane Neudecker. Sie ist die Übersetzerin des hier zu besprechenden Romans Schlaglicht von Rita Bullwinkel. Zufall? Weiterlesen „Rita Bullwinkel – Schlaglicht“
Chetna Maroo – Western Lane
Erwachsenwerden und Sport, besonders auch das Aufwachsen in einem migrantisch geprägten Milieu und weibliche Sportlerinnen, sind zwei Themen, die in Romanen, besonders auch in solchen, die sich an eine jugendliche Leserschaft wenden, gern kombiniert werden. Und ein klein wenig hat mich der 2023 für die Shortlist des Booker Prize und 2024 für den Women’s Prize for Fiction nominierte Debütroman der britisch-indischen Autorin Chetna Maroo Western Lane auch an einen Jugendroman erinnert. Und das nicht nur wegen seiner jugendlichen Hauptprotagonistinnen, sondern auch wegen seiner klaren, schnörkellosen Sprache. Weiterlesen „Chetna Maroo – Western Lane“
Andreas Moster – Der Silberriese
Patrik ist ehemaliger Leistungssportler, Olympiazweiter im Diskuswurf, und nun in der Logistikbranche tätig und alleinerziehender Vater einer zwölfjährigen Tochter. Leistung, Disziplin, Ehrgeiz – das hat er aus seinem harten Training mit hinüber genommen in seine Erziehungsarbeit. Nachdem die Mutter Kara, auch sie erfolgreiche Spitzensportlerin, die beiden Knall auf Fall eines Nachts verlassen hat, lebt Patrik nur noch für Ada. Andreas Moster schreibt intensiv und empathisch von dieser allzu engen Vater-Tochter – Beziehung in seinem neuen Roman Der Silberriese. Weiterlesen „Andreas Moster – Der Silberriese“
Saskia Hennig von Lange – Heim
Welche Assoziationen löst der Titel des neuen Romans von Saskia Hennig von Lange – Heim – aus? Bei mir war es tatsächlich zunächst ausschließlich die der Geborgenheit, des Heimkommens, etwas Warmes. Aber natürlich kann ein Heim auch etwas Kaltes, Erschreckendes, Bedrohliches sein. Lange Zeit galt das beispielsweise für Kinderheime, Kindererholungsheime, Heime für Menschen mit geistigen Einschränkungen, auch Altenheime. Die Komplexität des Titels weist bereits auf die Vielschichtigkeit dieses sehr gelungenen Romans hin. Weiterlesen „Saskia Hennig von Lange – Heim“
Frankfurter Buchmesse 2024 – Nachlese
Wie in jedem Jahr war auch 2024 die Frankfurter Buchmesse wieder der Höhepunkt meines Buchjahres. Seit fast zehn Jahren besuche ich auch jedes Jahr im Frühling Leipzig und auch das ist großartig und auf seine Weise einzigartig. Aber gerade das, was erklärte LBM-Fans an „ihrer“ Messe so lieben, vermisse ich dort: die Ruhe der Fachbesucher-Tage in Frankfurt, die Internationalität, die Größe. Weiterlesen „Frankfurter Buchmesse 2024 – Nachlese“
Lektüre Oktober 2024
Der Oktober 2024 geht wahrscheinlich in meine Lesegeschichte ein als der „schlechteste“ Lektüre- Monat seit Jahren. Ich habe wirklich ziemlich wenig gelesen.
Das lag natürlich zum einen an der Buchmessen-Woche, die so voll mit Terminen, Begegnungen, Partys und ja, auch Büchern ist, dass man nahezu unmöglich auch noch zum Lesen kommt. Daneben stand bei uns aber auch der Auszug eines der Kinder, eine dreitägige Tagung, bei der ich eine der Referentinnen sein durfte und der runde Geburtstag meines Mannes an. Dass wir direkt nach der Messe ins Elsass gefahren sind, hat die Lesesituation nicht gerade verbessert.
Neben den unten vorgestellten Büchern habe ich noch eine Neuerscheinung aus dem kommenden Frühjahrsprogramm des Schöffling-Verlags lesen dürfen. Eine tolle Geschichte, die ich hier natürlich noch nicht verraten darf.
Paul Harding – Sein Garten Eden
Der US-amerikanische Schriftsteller Paul Harding (*1967) erhielt bereits für seinen Debütroman Tinkers 2010 den Pulitzer Prize in der Sparte Fiction, und auch mit seinem neuesten Werk, Sein Garten Eden, stand er auf der Shortlist des Booker Prize. Harding ist also ein durchaus erfolgreicher und anerkannter Autor in der angloamerikanischen Literaturwelt, der es meiner Wahrnehmung nach aber in Deutschland eher schwer hat. Seine Geschichte einer multiethnischen Gemeinschaft, die auf einer kleinen Insel vor der Küste Maines seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts zusammenlebt, bevor sie von den Behörden von dort vertrieben wird, ist von den wahren Begebenheiten auf Malaga Island inspiriert. Weiterlesen „Paul Harding – Sein Garten Eden“
Davide Coppo – Der Morgen gehört uns
Davide Coppo lässt einen jungen Mann zurückschauen – vom Jahr 2006 zurück auf ein Ereignis 2004, das ihm einen langen Hausarrest einbrachte, aber auch weiter zurück bis ins Jahr 2000, als er sein letztes Jahr auf der Mittelschule in der Nähe von Mailand verbrachte – Der Morgen gehört uns ist ein Roman über eine politische und persönliche Radikalisierung. Weiterlesen „Davide Coppo – Der Morgen gehört uns“
Hark Bohm Philipp Winkler – Amrum
Der 85-jährige und mittlerweile schwer kranke Hark Bohm ist vor allem als Regisseur und Filmproduzent (zum Beispiel von Nordsee ist Mordsee oder Yasemin) bekannt, trat aber auch als Schauspieler auf und verfasste zahlreiche Drehbücher. Die nun erschienene Kindheitserinnerung Amrum lag auch zunächst als Drehbuch vor (und wird aktuell von Fatih Akin mit Diane Kruger verfilmt; voraussichtlicher Filmstart September 2025), zusammen mit dem Autor Philipp Winkler hat Hark Bohm daraus nun auch einen Roman gemacht. Meine vorurteilsbeladenen Bedenken wegen Doppelautorenschaft (die hier wegen des angegriffenen Gesundheitszustand Bohms nötig wurde) und dem Gedankenimpuls „schon wieder ein Schauspieler/Regisseur etc. der einen Roman schreiben will“, wurden gleich zu Anfang zerstreut. Amrum ist ein wunderbar leises, etwas wehmütiges, warmes Buch über eine Kindheit auf Amrum, die sicher vieles gemeinsam hat mit derjenigen des Autors. Weiterlesen „Hark Bohm Philipp Winkler – Amrum“