Richard Ford – Frank

Richard Ford - FrankAuf fast 1800 Seiten hat der treue Richard Ford Leser dessen „Helden“ Frank Bascombe bisher begleitet. Ca. alle zehn Jahre folgte ein neuer Roman.

Wie schön, dass es wider alle Erwartungen nun noch einmal ein Wiedersehen gibt.
Frank geht nun stark auf die 70 zu, hat sich von seinem Job als Immobilienmakler zurückgezogen und versucht, seine Tage halbwegs sinnvoll zu verbringen. Einmal in der Woche gehört er einem Empfangskommitee für Kriegsrückkehrer an, verfasst dafür eine Art Willkommenszeitung und liest regelmäßig im Radio für Blinde Literatur vor. Die Ehe mit seiner zweiten Frau Sally läuft, wie so viele dieser altgedienten Ehen, so nebenher. Sally glänzt darum in den vier Erzählungen, aus denen „Frank“ besteht, durch nahezu vollkommene Abwesenheit. Sie ist sehr engagiert in einer Wohltätigkeitsorganisation, die sich um die Opfer des Wirbelsturms Sandy, der die Ostküste der USA verheerend getroffen hat, kümmert.
Damit sind wir auch bei der Zeit, in der die vier Episoden spielen. Es ist der Dezember 2012, die Wochen vor Weihnachten. Damit bleibt Richard Ford einer Tradition treu, spielten doch die bisherigen Bascombe-Romane auch um die Feiertage Ostern, Unabhängigkeitstag und Thanksgiving.
Frank Bascombe wird oft als der typische amerikanische Jedermann gesehen, den repräsentativen Mittelständler. Dabei ist er in seiner Beobachtung viel zu genau, ebenso in seiner Selbstanalyse, seiner Selbstironie und in der Beurteilung gesellschaftlicher Vorgänge.
Schon lange hat er der Suche nach einem irgendwie übergeordneten Sinn eine Absage erteilt, ohne durch die Schärfe seiner Betrachtung zum Zyniker geworden zu sein.
Pragmatismus ist vielleicht das passendste Wort für seine Lebenseinstellung. So sind es, bis auf den tragischen Tod seines Sohnes Ralph, auch eher die sanften Katastrophen, mit denen er sich, wie wir alle, herumschlagen muss. Es ist das Scheitern mancher Lebensträume, wie sein Scheitern als Autor und als Sportreporter, das Zerbrechen seiner ersten Ehe mit Ann, das problematische Verhältnis zu seinem Sohn Paul, eine überstandene Prostatakrebserkrankung.
„Ich bin da“, „Könnte alles schlimmer sein“, „Das neue Normal“ und „Die Tode Anderer“ sind nun die vier Erzählungen in „Frank“ betitelt. Diese Titel geben auf wunderbare Weise die Essenz des Buches wieder.
„Ich bin da“ riefen im 19. Jahrhundert zum Tode verurteilte Indianer kurz vor ihrer Hinrichtung, um sich ihres Hierseins zu versichern. Auch Frank ist im Gegensatz zu vielen seiner Wegbegleiter – siehe Titel der letzten Geschichte – und trotz Krebserkrankung noch da. Und er ist unverwandt auch für Andere da.
In der ersten Geschichte für einen Bekannten, dem er vor Jahren sein altes Strandhaus verkauft hat und von dem nun nach den Verheerungen von Hurrrikan Sandy nichts mehr übrig geblieben ist. Er ist da für die farbige Frau, die eines Tages vor seiner Haustür steht und noch einmal ihr altes Elternhaus besuchen möchte, wo sich, man erfährt es allmählich, eine schreckliche Familientragödie abgespielt hat. Auch hier bietet ein Haus, wie es für Frank früher als Immobilienmakler die Existenz begründet hat, keine Sicherheit mehr.
In der dritten Geschichte ist Frank für seine Ex-Frau Ann da, besucht sie in ihrer betreuten Wohneinrichtung, in die sie nach einer Parkinsondiagnose gezogen ist.
„Das neue Normal“, dieser Zustand zunehmender Einschränkung, die das Alter bedeutet, die Frank aber als bewussten „Rückbau“, Verzicht auf Überflüssiges nicht nur als negativ empfindet. Schließlich: „Könnte Alles schlimmer sein.“
So ist dieses Buch trotz aller Melancholie, ja Traurigkeit, alles andere als trostlos. Dafür sorgt Fords wunderbare Sprache, die nur auf den ersten Blick einfach und alltäglich, in Wahrheit aber präzise gearbeitet und genau ist, ebenso wie die immer leicht selbstironische, ja amüsante Sicht Franks. Und natürlich sein Pragmatismus.
Als er am Ende der letzten Geschichte, in der er trotz großen Widerwillens an das Sterbebett eines an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankten alten Freundes eilt, nur um von diesem zu erfahren, dass seine Ex-Frau Ann während ihrer Ehe eine Affäre mit ihm hatte, trifft er auf einen flüchtig Bekannten. Man wechselt ein paar Worte. Auch dieser sagt „So viel kann ich nicht tun. Aber ich bin da.“ Und Frank denkt: „Die Zeit heilt vieles, aber sie ist auch kurz und wertvoll“. Und das Buch endet: „Das ist alles, was wir einander am Weihnachtsabend sagen können: ein paar gute Worte. Dann geht er. Und ich gehe. Der Tag, der uns kurz  zusammengebracht hat, ist gerettet.“
Das ist fast philosophisch. Und dass man bei Richard Ford nebenbei auch noch viel über die „Lage des Landes“ – so ein anderes der Bascombe-Bücher – erfährt, macht ihn zum großartigen, vielleicht dem großartigsten US-amerikanischen Schriftsteller unserer Zeit.

 

Richard Ford – Frank

Hanser Berlin September 2015, Fester Einband, 224 Seiten, 19,90 €

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert