Fuminori Nakamura – Der Dieb

Fuminori Nakamura - Der DiebBereits 2009 ist Fuminori Nakamuras Roman „Der Dieb“ im Original erschienen. Es dauerte sechs lange Jahre, bis der schmale Band nun auch in Deutschland erschienen ist.
Das mag vielleicht daran liegen, dass sich das Buch nur schwer in eine Literaturgattung pressen lässt.
Nun erscheint es als Thriller, was es durchaus auch ist, ein „Noir“, der ganz tief in die dunkelsten Tiefen des Verbrechens und der Gesellschaft hinab steigt. Aber er ist auch viel mehr.

Gleich zu Beginn lernen wir ihn kennen, den Dieb, der dem Roman den schlichten Titel verleiht.
Er ist Taschendieb von klein auf, hat dieses Handwerk zu einer enormen Perfektion gebracht. Er zelebriert seine Einsätze nahezu. Ja, er lebt von ihnen, aber er zieht auch Befriedigung daraus, reiche Menschen zu bestehlen.

„Solange auch nur ein einziges Kind auf dieser Welt Hunger leiden muss, ist jeder Besitz Diebstahl.“ und „Wenn du jemandem mit einer Milliarde hunderttausend klaust, ist das ein Klacks.“

Zwei seiner Statements, die zeigen, was der Roman auch beinhaltet, nämlich eine gehörige Portion Gesellschafts- und Kapitalismuskritik.

Früher ging der Dieb mit anderen zusammen auf Diebestour. Eines Tages gerieten sie ins Visier der Yakuza, der japanischen Mafia.
Die Kollegen wurden ausgeschaltet, ihn ließ man am Leben.
Seitdem arbeitet und lebt er allein, zurückgezogen, nahezu asketisch. Irgendwie ist er ein Verlorener, ein Ausgestoßener. Eine düstere, schwermütige Atmospäre liegt über ihm.
Seit seiner Kindheit erscheint ihm immer wieder ein mysteriöser dunkler Turm, an den verschiedensten Orten, ihm nähern kann er sich nie.
Wieder eine neue Ebene des Buches, die philosophische, ja vielleicht sogar metaphysische.
Eines Tages fällt ihm ein kleiner Junge ins Auge, den er beim Klauen beobachtet. Erinnert er ihn an sich selbst als Kind? Jedenfalls bricht sein Panzer auf, er lässt sich berühren, nimmt sich des Kleinen an. Und seiner Mutter, einer Prostituierten, die das Kind zum Stehlen schickt. Dies macht unseren Dieb verwundbar, denn er gerät erneut ins Visier der Yakuza. Der Chef Kigazi zwingt ihn zur Erledigung dreier nahezu nicht zu bewältigender krimineller Aufträge. Sein Druckmittel ist der Junge. Aber der Dieb weiß auch, wenn er sie nicht schafft, ist er ein toter Mann.

Nakamura entwirft ein tiefschwarzes Bild der japanischen Gesellschaft, ein existentialistisches Drama um einen Ausgestoßenen, eine Kritik am Kapitalismus und das alles in einem knappen, in nüchterner, beinahe kalter Sprache geschriebenen Thriller.

Hut ab! Dostojewski und Kafka sind die Namen, die in nahezu jeder Kritik auftauchen. Keine schlechte Gesellschaft.

Fuminori Nakamura – Der Dieb

Aus dem Japanischen von Thomas Eggenberg

Dogenes Verlag Oktober 2015, Hardcover Leinen, 224 Seiten, 22.00

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