Nadifa Mohamed – Black Mamba Boy

Nadifa Mohamed - Black Mamba Boy1935 ist Jama zehn Jahre alt. Er lebt mit seiner Mutter Ambaro bei Verwandten in Aden, mehr schlecht als recht und lediglich widerwillig geduldet nachdem der Vater auf der Suche nach Arbeit im Sudan verschwunden  war und Ambaro ihrer beider Lebensunterhalt in Somaliland nicht mehr bestreiten konnte.
Hier, in der einstmals modernen, multikulturellen Hafenstadt Aden ergeht es ihnen aber nicht viel besser. Nur der Leser staunt, wie multikulturell das Leben damals im Jemen erschien.
Für Ambaro und Jama ist es aber ein Leben voll der Entbehrungen, der Erniedrigungen, besonders für die alleinerziehende Mutter. Jama schlägt sich oft allein durch, streunt mit Freunden durch die Straßen, ja scheint sogar ein einigermaßen glückliches Leben zu führen. Bis Ambaro eines Tages völlig entkräftet stirbt.
Jama, für den die Lebensgeschichte des Vaters der Autorin Nadifa Mohamed Pate gestanden hat, macht sich allein auf die Suche nach seinem lang vermissten und ersehnten Vater. Es wird eine wahre Odyssee durch halb Afrika. Somalia, Dschibuti, Eritrea, Sudan, Ägypten, Palästina und schließlich England sind ihre Stationen.
Getragen von seiner kindlichen Zuversicht, von freundlich helfenden Mitmenschen, aber vor allem von dem über alle Ländergrenzen hinweg funktionierenden Clansystem bewältigt Jama diesen Weg. Dabei gerät er immer wieder zwischen die Fronten der unterschiedlichen Kolonialmächte, die Ostafrika unter sich aufgeteilt haben und deren Rivalitäten, der Widerstandskämpfer, bis die Unruhen schließlich in Mussolinis Abessinienkrieg und dem Zweiten Weltkrieg gipfelten. Briten, Franzosen, Italiener, alle kochten ihr Kolonialsüppchen und unterjochten die Afrikaner, »Menschen, die der Ansicht sind, dass du nicht Schmerz empfindest wie sie, keine Träume hast wie sie, das Leben nicht so liebst wie sie».
Auch Jama wird in die blutigen Kriegshandlungen hineingezogen, seinen Vater wird er nicht finden.
Er setzt seine Flucht fort, kommt kurz zur Ruhe, findet eine Frau und zieht doch weiter, auf der Suche nach dem besseren Leben, einer Zukunft, so wie auch einst sein Vater fortgezogen ist. Das Buch wird ab da leider immer mehr zum Stationendrama. Orte, Menschen werden nur noch rastlos hinter sich gelassen. Waren Innenperspektiven und atmosphärische Schilderungen auch im ersten Teil des Buches eher selten, fehlen sie hier nun fast ganz.
Was Nadifa Mohamed aber gelingt, ist eine ergreifende Schilderung Ostafrikas in den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts. Das unselige Wirken der unterschiedlichen Kolonialmächte, das bis heute seine Spuren hinterlassen, die Länder ausgeplündert und dann sich selbst überlassen hat und für viele der heutigen Missstände zumindest eine Mitverantwortung trägt. Auch wenn das viele Europäer angesichts der aktuellen Flüchtlingswellen nicht sehen wollen.
Die Autorin verschafft uns auch einen Einblick in viele für uns unverständliche gesellschaftliche Gegebenheiten, sei es in der Frage der Erziehung, des Zusammenlebens innerhalb der Familien, der Clansysteme. Diese Einblicke sind nicht immer angenehm, Mohamed spart auch Brutalitäten nicht aus, erzählt nüchtern und ohne große Empathie.
Wie gesagt wäre ein längeres Verweilen an manchen Lebensstationen unter Auslassung anderer vielleicht für den Leser ergiebiger gewesen, hätte ihn auch emotional mehr angesprochen. Dennoch ist Black Mamba Boy ein lesenswertes Buch, das gerade heute, wo so viele, gern auch „nur Wirtschaftsflüchtlinge“ genannte Menschen vor unserer europäischen Tür stehen, vielleicht ein wenig die Augen öffnet. Denn Jamas Geschichte ist nicht nur die Geschichte Nadifa Mohameds Vater, sondern steht für die Glückssuche und Entwurzelung Vieler.

 

Nadifa Mohamed – Black Mamba Boy

C.H.Beck Verlag Januar 2015, 366 Seiten, Gebunden, 19,95 €  

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