Die Frankfurter Buchmesse 2016 begann dieses Jahr für mich bereits am Montag. Dank des Börsenvereins des deutschen Buchhandels und ein bisschen Tippglück konnte ich am Abend bei der Verleihung des Deutschen Buchpreises im Frankfurter Römer dabei sein.
Nach der sehr netten persönlichen Begrüßung und einem kleinen Umtrunk begann das Programm, durch das Gerd Scobel nach der Erkrankung der eigentlich vorgesehenen Cécile Schortmann spontan und charmant führte, inmitten all der Medienprominenz aus der Literaturwelt. Der Gewinn des Preises durch Bodo Kirchhoff mit Widerfahrnis war weniger überraschend als das üppige, äußerst delikate Büffet, das anschließend in den Römerhallen angeboten wurde. Eine wunderbare, leider sicher einmalige Erfahrung.
Am Dienstag stand abends eine Lesung des niederländischen Erfolgsautoren Leon de Winter in der Spardabank auf dem Programm. Dieser stellte äußerst eloquent und humorvoll seinen neuen Roman „Geronimo“ vor. Eine Lesung im kleinen Kreis, den zwei Zuhörer leider aufgrund eines Versprechers der ansonsten souverän und unterhaltsam moderierenden Ruth Fühner, sie sprach im Zusammenhang von Radikalität und Terror von „Islam“ statt dem gemeinten „Islamismus“, erbost verließen. Ein Missverständnis, das Leon de Winter sichtlich beschäftigte.
Am Mittwoch war es dann endlich soweit und die Messehallen öffneten sich. Für mich immer und das schon seit über 30 Jahren ein Highlight des ganzen Jahres. Nirgendwo bekommt man so viel literarischen Input, nicht nur in Form von Büchern, sondern vor allem durch Lesungen, Interviews und die Begegnung mit Autoren. Die Hallen sind mittlerweile fast schon ein Zuhause für mich, die Verlage meist seit vielen, vielen Jahren am selben Platz, der TAZ-Kaffeeautomat brummt und an den Fachbesuchertagen gibt es noch viel Platz. Auch wenn man dieses Jahr die Öffnung für Studierende und sicher auch die Ferien durch ein höheres Lehreraufkommen bemerkt hat: Alles schien mir ein wenig voller als sonst. Aber natürlich kein Vergleich zu den total überfüllten Wochenendtagen.
Ein Highlight der Frankfurter Buchmesse 2016 war sicherlich der Gastauftritt von Flandern und den Niederlanden. Ein bewusst schlicht gestalteter Pavillon, der an die Flachheit des Landes, seine Backsteinarchitektur und die starke Bindung ans Meer erinnern sollte verströmte eine besondere Ruhe in all dem Trubel und kontrastierte zu dem enorm vielseitigen Programm, das geboten wurde. Lesungen von allen Autoren, die irgendwie Rang und Namen haben in den Nachbarländern, interessante Performances, ein Künstleratelier, in der junge Kreative jeden Tag auf Hochtouren – und vom Publikum umgeben – an einem täglich kostenlos verteilten Kunstmagazin arbeiteten, eine „Fernweh-Oper“ in der Virtual-Reality-Brille, Filme und, nicht zuletzt, die tägliche Happy-Hour, in der belgisches Bier, Fritjes und andere kleine Köstlichkeiten verteilt wurden. Wäre ich nicht schon seit Jahrzehnten sehr affin zu den Niederlanden – jetzt hätten sie mich gehabt.
Am Abend stand noch eine Lesung des Buchpreisträgers Bodo Kirchhoff im Frankfurter Holzhausenschlösschen auf dem Programm. Das Publikum fest in der Hand von Mitgliedern des Rotary-Clubs und der Frankfurter Bürgerstiftung, man kannte sich und die Stimmung entsprach faszinierender Weise genau der, die ich bei der Lektüre von Kirchhoffs Prosa empfand. Aber das Holzhausenschlösschen ist eine wahre Perle und Bodo Kirchhoff kann sein Werk wirklich hervorragend präsentieren. Danke und Gratulation an die Frankfurter Verlagsanstalt.
Mein Highlight am Donnerstag war das Gespräch mit Elif Shafak am Spiegelstand. Da ich schon einige ihrer Bücher gelesen und sehr geschätzt habe und gerade in einer Leserunde ihr neues Buch „Der Geruch des Paradieses“ kennen lerne, war dieser Termin Pflicht. Die Autorin sprach sehr offen über ihr Verhältnis zur Türkei und zur EU, sehr klug und sympathisch. Auch beim anschließenden Signieren sprach sie mit ihren Lesern und interessierte sich auch für unsere Leserunde.
Seit einigen Jahren nehme ich gerne abends noch das Angebot der „Open Books Frankfurt“ in Anspruch, die während der Buchmesse an verschiedenen Orten in der Stadt kostenlose Lesungen hochkarätiger Autoren anbieten. Auch wenn die Füße nach dem Tag auf der Messe schon schwer sind und zuhause die Familie murrt, habe ich so schon viele wunderbare Veranstaltungen besucht. Am Donnerstag habe ich mich für John Burnside im Haus des Buches entschieden. Eine sehr interessante Lesung eines überraschend sympathischen Autors, der sehr offen und humorvoll von seinen eigenen Erfahrungen und Abstürzen in die Trunksucht erzählte. Nervig war nur, das einige Zuhörer nach und nach sichtlich erbost die Lesung verlassen haben, da sie der englischen Unterhaltung trotz Übersetzung nicht folgen wollten. War ihnen vielleicht nicht klar, dass nicht jeder fremdsprachige Autor Deutsch kann? Kein Wunder, wenn dann das Blaue Sofa seit einiger Zeit mit diesen ätzenden Simultandolmetschern über Lautsprecher arbeitet, so dass man vom eigentlichen Autor gar nichts mehr hört.
Am Freitag dann auf der Messe die Lesung von Reinhard Kaiser-Mühlecker zu seinem Shortlist Roman „Fremde Seele-Dunkler Wald“. Ein sehr ernsthafter junger Mann, der sehr deutlich auch zu den häufig geäußerten Kritiken zu seiner Sprache Stellung nahm. Und dann, ich muss es zugeben, als alter Tatort-Fan zu Miroslav Nemec. Ob er auch Krimis schreiben kann, wird sich herausstellen, aber als Kommissar liefert er regelmäßig gut ab – und sehr sympathisch ist er in Echt auch noch.
Der Freitagabend gehörte dann Arne Dahl – eher ein Autor meiner Tochter, mit der ich die Open Books Veranstaltung in der Alten Nikolaikirche besuchte. Ich war aber sehr positiv überrascht, nicht nur über Dahls fast perfektes Deutsch.
Am Samstag wurde es dann eng auf der Frankfurter Buchmesse 2016. Zum Glück hatte ich nicht mehr so viele geplante Termine – Margriet de Moor, Petina Gappah und Hannah Dübgen mussten aber sein -, so dass ich mich ein wenig abseits der Massen halten konnte.
Am Abschluss-Sonntag erfolgte dann der übliche Kalenderkauf, ein sehr netter Mattias Enard wurde entdeckt und noch eine Lesung von Anna Weidenholzer besucht. Gegen Mittag war dann selbst ich als Hardcore-Buchmessenfan gesättigt und habe die diesjährige Buchmesse für mich beendet.
Für mich war durch die Frankfurter Buchmesse 2016 ein besonderes Messejahr, sehr intensiv, sehr außergewöhnliche Termine, ein sehr eindrücklicher Gastlandauftritt und ganz viele tolle Begegnungen mit Autoren. Meine Leseliste ist dadurch tatsächlich nicht länger geworden, aber einige Titel werde ich nun sicher intensiver lesen.
Nun heißt es warten. Im Frühjahr lockt schon wieder Leipzig. Und in einem Jahr das Original – dann zu meiner großen Freude mit Gastland Frankreich. Viele Besucher werden immer wieder durch die Hektik, die Menschenmassen und den Trubel abgeschreckt. Für mich ist die Frankfurter Buchmesse jedes Jahr ein kleines Paradies.