Ann Tyler – Die störrische Braut

Ann Tyler – Die störrische Braut

Die stoerrische Braut von Anne TylerIm Rahmen des Hogarth Shakespeare Projects, im Herbst 2015 anlässlich des 400. Todestages des großen Dramatikers 2016 gestartet, erschien im Oktober 2016 Ann Tylers Adaption von „Der widerspenstigen Zähmung“ („The taming oft he shrew“) unter dem Titel „Die störrische Braut“ auf Deutsch (Originaltitel: „Vinegar girl“).

In Shakespeares Stück gilt es, die eigensinnige, „widerspenstige“ Katharina, die ältere Tochter eines reichen Kaufmanns, zu verheiraten. Erst dann darf ihre jüngere, von etlichen Verehrern umschwärmte Schwester vor den Traualtar treten. Ein „Unerschrockener“ willigt angesichts der üppigen Mitgift ein, während es um die Gunst der jüngeren, sanfteren Tochter ein wahres Gerangel gibt. Doch letztendlich wird der „Unerschrockene“ mit seiner rabiaten „Zähmung“ der Erfolgreichste der Männer sein und die folgsamste Ehefrau sein Eigen nennen.

„Der widerspenstigen Zähmung“ ist sicher kein sehr zeitgemäßes Stück. Das Frauenbild, das darin vertreten wird, allein die Auffassung, dass das weibliche Geschlecht einer Zähmung bedarf, dürfte heutzutage sicher auf heftigen Widerspruch stoßen. Dass sich die amerikanische Autorin Ann Tyler gerade dieses Lustspiel für ihre Shakespeare Nacherzählung ausgesucht hat, kann daher überraschen, ist aber andrerseits auch sehr schlüssig.

So handeln viele ihrer Romane auf eher leichte, oft sehr amüsante Weise von den Wirrnissen und Verwicklungen im Alltag nordamerikanischer Familien. Ihre Hauptfiguren sind meist sympathische, aber auch leicht sperrige Frauen, die, selbst wenn sie vordergründig traditionellen Rollenbildern entsprechen, alle ihren eigenen Kopf haben.

So verlegt Ann Tyler Shakespeares Komödie in die ihr vertraute Umgebung einer leicht chaotischen , weißen Mittelstandsfamilie in Baltimore. Der nach dem frühen Tod der Mutter alleinerziehende, reichlich exzentrische und gehörig manipulative Vater, ein in Sachen Autoimmunerkrankungen forschender Wissenschaftler der eher mäßig erfolgreichen Art, hat schon früh die Verantwortung für Haushalt und die um 14 Jahre jüngere Schwester Bunny an Tochter Kate abgegeben. Diese ist ein etwas schwieriger Mensch, sozial ziemlich isoliert, nach abgebrochenem Studium der Botanik als Betreuerin in einer Kindertagesstätte tätig und auch hier immer wieder im Konflikt mit Eltern und Kollegen. Kate sagt, was sie denkt, und das kommt oft nicht gut an. Einen Mann an ihrer Seite gibt es bisher auch nicht. Da bittet ihr Vater sie, seinen von der Abschiebung bedrohten wissenschaftlichen Assistenten Pjotr zu ehelichen, damit dieser eine Greencard erhält. Nach anfänglicher Ablehnung willigt Kate überraschend schnell ein. Nicht ohne, dass es vor, während und nach der Hochzeit zu einigen Verwicklungen und Pannen kommt.

Der Plot passt einerseits sehr gut zu der turbulenten Shakespeare Komödie. Ann Tyler ist eine versierte Erzählerin. Mit leichter Hand führt sie ihr Personal durch das Chaos, erzählt amüsant und unterhaltsam. Und doch enttäuscht ihre Neufassung. Sie wirkt zu einfach gestrickt, ein wenig wie nebenbei gemacht. Es fehlt jeglicher Tiefgang, die Personen und ihre Handlungen überzeugen nicht. Zwar wird deutlich, dass Kate in der Heirat eine Chance zum doch noch gelingenden Absprung aus ihrem in einer Sackgasse gelandeten Leben begreift, auch entwickelt sich so etwas wie ehrliche Zuneigung zwischen den Brautleuten. Trotzdem wirkt die ganze Geschichte lediglich wie eine kleine Übung. Einen gewissen Charme kann man ihr nicht absprechen.

Aber wer Ann Tyler als die großartige Autorin und Menschenkennerin verehrt, die sie ist, kann eigentlich nur enttäuscht sein. Denn sie bleibt weit unter ihren Möglichkeiten. Eher schade.

Ann Tyler – Die störrische Braut

Aus dem Amerikanischen von Sabine Schwenk

Knaus Verlag Oktober 2016, gebunden, 224 Seiten, € 19,99

4 Gedanken zu „Ann Tyler – Die störrische Braut

  1. Liebe Petra,

    ich bin ein großer Shakespeare-Fan. Daher finde ich, dass das Hogarth Shakespeare Project eine tolle Initiative ist. Hier freue ich mich ganz besonders auf die Beiträge von Jo Nesbo, Margret Atwood, Tracy Chevalier und Gillian Flynn.

    In das von dir rezensierte Buch von Anne Tyler habe ich beim Stöbern in der Buchhandlung mal reingelesen, und es hat mich einfach nicht gepackt. Also habe ich es auch nicht gekauft. Sehr schade, denn Anne Tyler schreibt eigentlich recht gut. Insoweit teile ich deine Meinung zu 100%.

    Viele Grüße

    Rosa

    1. Leider ist Ann Tyler meiner Meinung nach unter ihren Möglichkeiten geblieben. Es ist eine amüsante, leichte Geschichte, aber leider auch etwas belanglos. Atwood soll großartig sein, Winterson und Jacobson haben mir auf je andere Weise beide ganz gut gefallen. Rezensionen folgen 🙂

  2. Ein ähnlichen Eindruck hatte ich auch bei den beiden Romanen von Jacobson und Winterson. Allerdings waren die anderen Rezensionen meistens so positiv, dass ich Sorge hatte, es läge an mir 🙂
    Tyler mag ich sonst ganz gern, ich werde auch dieses noch lesen, mache mir aber nicht mehr ganz so große Hoffnungen. Das muss am Ende wieder Atwood retten…

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