Sven Regener – Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt
„Magical mystery – War das nicht eigentlich ein Ding von den Beatles? Und ist das damals nicht irgendwie in die Hose gegangen?“
ist der running gag in Magical Mystery. Aber Raimund und Ferdi, die alten Veteranen der legendären Band „Glitterschnitter“ und nun unerwartet mit ihrem Techno-Label „Bumm-Bumm-Records“ zu Ruhm und Geld gelangt, wollen sich nicht von ihrer Idee abbringen lassen. Es soll so ein „Hippieding“ werden, die Rundumerneuerung des Techno, mit Liebe und Gemeinschaft, kurz: eine Raver-Tournee, bei der verschiedene DJs auf unterschiedlichen Events – das reicht von der Rollstuhldisko in Schrankenhusen-Borstel bis zum Mega-Rave in Essen – ihre Platten auflegen.
Dazu wird ein Transporter gemietet und ein passender, möglichst abstinenter Fahrer gesucht. Zufällig stößt man auf Karl Schmidt, alter Bekannter aus Glitterschnitter-Zeiten und seit seinem akuten psychotischen Schub (nicht nur aufgrund von Drogengenuss) in einer drogen- und alkoholfreien WG in Hamburg-Altona lebend. Auch dem treuen Sven Regener-Leser ist Karl Schmidt aus „Herr Lehmann“ bestens bekannt, endet dieser doch mit der Einweisung Karls in die Psychiatrie.
Nun macht sich also die Truppe auf Tour und Karl Schmidt erzählt uns davon und von seinem Bemühen, hier in der „realen“ Welt, fern von seinem sozialpädagogischen Betreuer Werner und seinen Gesprächsrunden zu bestehen.
Um es vorweg zu nehmen: Er besteht gut, es gelingt ihm, den Chaotenhaufen durch die Tournee zu bringen, kleinere oder größere Misslichkeiten zu bewältigen, zumindest eins der mitreisenden Meerschweinchen am Leben zu halten und zarte Bande zu knüpfen. Trotz mancher Anflüge von Paranoia und dem „dunklen Gefühl“ scheint er meist in sich zu ruhen und beweist sein großes Herz. Überhaupt ist das Buch von einer großen Wärme, einer enormen Menschenfreundlichkeit. Auch der Leser hat diesen Trupp voller drogenverstrahlter „Quatschmauken“ am Ende lieb gewonnen.
Wie immer bei Regner ist der Roman sehr dialoglastig. Geniale Dialoge, manchmal völlig sinnbefreit, aber immer authentisch, lakonisch, witzig, oft von einer plötzlichen Tiefe, die den Leser überrascht und berührt. Der typische Regner-Sound – wer ihn mag, ist ihm verfallen. Und wer Sven Regner einmal lesen gehört hat, hat ihn bei eigener Lektüre immer im Hinterkopf. Schade, dass Karl Schmidt und Frank Lehmann sich beim Essener Rave knapp verpasst haben. Aber vielleicht ist uns ja irgendwann mal wieder ein Wiedersehen vergönnt.
Update: Der geneigte Leser wird es wissen. Im September gibt es mit „Wiener Straße“ ein Wiedersehen. Und September/November 2017 ist Sven Regener auf großer Lesetour. Ich werde in Frankfurt mit dabei sein und freue mich schon mächtig!
Außerdem erscheint Ende des Monats die Verfilmung von „Magical Mystery“ in den Kinos. Da ich prinzipiell ein Problem mit Literaturverfilmungen habe (klar: Herr Lehmann war klasse!), werde ich wohl nicht reingehen.
Hart, aber irgendwie auch geil!
Beitragsbild: Rave by thesaltr (CC BY-NC-ND 2.0) on Flickr
Sven Regener – Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt
Galiani-Berlin September 2013, 512 Seiten, gebunden, 22,99 €
auch erhältlich als KIWI Taschenbuch für €9,99
Hab‘ „Magical Mystery“ als Theaterstück vor zwei/drei Jahren in Hamburg gesehen, als solches war die Geschichte wunderbar umgesetzt.