Es ist relativ wenig bekannt über Augusto Rudolpho Berns, den sich Sabrina Janesch in ihrem neuen historischen Abenteuerroman Die goldene Stadt zum Helden genommen hat. Tatsächlich ist er erst durch die hartnäckigen Nachforschungen eines amerikanischen Historikers im Jahr 2008 in die Wahrnehmung einer breiteren Öffentlichkeit und damit auch in die der Autorin gelangt. Vorherige Reisen nach Südamerika und eine Liebe zu willensstarken, abenteuerlichen und kreativen Menschen weckten Janeschs Interesse an diesem Charakter. Intensive Recherchen, Kontakte zu den Forschern in Amerika und eigene Reisen ließen das Bild entstehen, das sie ihren Lesern nun in diesem klassischen Roman darbietet.
Geboren wurde Rudolph August Berns in Preußen, als Sohn eines recht vermögenden Weinhändlers. Nachdem der Vater früh durch einen tragischen Unfall ums Leben kam, verarmte die Familie. Rudolph August emigrierte ganz jung nach Peru und fand zunächst Anstellung beim Militär, erlebte dort den spanisch-südamerikanischen Krieg und die blutige Schlacht um Callao. Später arbeitete der gelernte Schmied bei der peruanischen Eisenbahn und baute an der höchstgelegenen Bahnstrecke der Welt, der Oroya-Bahn, als Ingenieur mit. Durch Protektion aus politischen Kreisen – er war gut bekannt mit dem späteren Staatpräsidenten – konnte er bald ein Stück Land am Urubamba-Fluss erwerben, um dort ein Sägewerk zu errichten. Das Holzgeschäft scheiterte, Berns entdeckte aber (vermutlich) die nahegelegene Ruine Machu Picchu. Als deren Entdecker (und Plünderer) gilt eigentlich der Amerikaner Hiram Bingham, der sie im Jahr 1911 im Urwald fand.
Nun sind durch die Nachforschungen Paolo Greers Karten aufgetaucht, verfertigt von eben Augusto Berns, die die annehmen lassen, dass dieser die sagenumwobene Inkastadt in 2430m Höhe tatsächlich schon um das Jahr 1876 entdeckt haben dürfte.
Finanzielle Schwierigkeiten zwangen ihn allerdings, sich zunächst in New York, später beim Bau des Panamakanals zu verdingen. Schließlich nach Peru zurückgekehrt, gründete er, wieder mit staatlicher Protektion, die Aktiengesellschaft „Huacas del Inca“, deren Aktien er mit großen Erfolg, mit der Aussicht auf die Erschließung unermesslicher Goldschätze im sagenumwobenen Machu Picchu, verkaufte. Kurze Zeit später verschwand Augusto Berns mit dem Geld, ein skandalöser Betrugsfall.
Sabrina Janesch lässt die genaueren Beweggründe Berns angenehm im Unklaren. War es Liebe zum Land Peru, Faszination für die uralte Inkakultur oder aber schnöde Geldgier und kriminelle Energie? Ebenso bleibt das Vorgehen des Deutschen in den Folgejahren unausgesprochen. Die Wissenschaftler Greer und Carlos Carcelén werfen ihm gnadenlose Ausplünderung der Inkastadt vor. In diese Richtung weisen Ausfuhrgenehmigungen für Gold, die auf Augusto Berns ausgestellt sind. Andererseits weisen Beobachtungen darauf hin, dass die Stadt keineswegs übereilt verlassen worden war, wie etwa Pompeji, wo man deswegen Unmengen an Artefakten zurückgelassen hatte. Auch war die alte Stadt den in der Umgebung wohnenden Bauern durchaus bekannt. Einer davon führte schließlich auch Hiram Bingham auf den Berg hinauf. Sabrina Janesch lässt Bingham und Berns gegen Ende kurz aufeinander treffen, überlässt aber dem Leser, Schlüsse daraus zu ziehen. Das finde ich sehr angenehm. Zumal sie nicht ganz vor der Tendenz eines typischen Historien- und Abenteuerromans gefeit ist, ihren „Helden“ tatsächlich zu einem solchen zu machen.
Sie bleibt über die gesamten 540 Seiten ganz nah an Berns dran, wahrt aber gleichzeitig eine gewisse Distanz. Doch auch wenn stellenweise dessen Gier (nach Geld, Anerkennung, Gold, Bedeutung) durchschimmert, werden seine Schattenseiten ein wenig vernachlässigt. Selbst sein Betrug am Ende erscheint eher wie ein gelungenes Schelmenstück. Das ist, wie gesagt, eine Gefahr für jeden Romans dieses Genres, den nur ganz wenige Autoren (teilweise) umschiffen können. Hilary Mantel gelingt es beispielsweise recht gut in ihrer Cromwell-Saga.
Hier ist mir der Protagonist Augusto Berns ein wenig zu positiv und heldenhaft angelegt. Andererseits vermeidet Sabrina Janesch viele Dinge, die gemeinhin Romane dieses Genres für mich unlesbar machen. Obwohl sehr atmosphärisch und anschaulich geschrieben, versinkt sie niemals in reine Dekoration, Kitsch wird völlig vermieden, selbst in der angenehm kurzen Romanze blitzt er nur ganz kurz auf. Recherchearbeit hat die Autorin ausgiebig geleistet und es gelingt ihr vortrefflich, ihre Ergebnisse in eine spannende, mitreißende Geschichte zu verpacken. Sprachlich ist der Roman durchgehend grundsolide, formal absolut konventionell und chronologisch erzählt. Das ist aber, gerade für einen Abenteuer- und Historienroman, durchaus kein Manko. Niemals die Intelligenz ihrer Leser unterfordernd, erlaubt ihnen das doch, in das Geschehen einzutauchen und sich in eine ferne Welt entführen zu lassen. Ein schöner, gelungener Abenteuerroman!
Beitragsbild: Lima, 1987 by Nathan Hughes Hamilton (CC BY 2.0) on Flickr
auf Bellaswonderworld wurde das Buch auch bereits vorgestellt
Sabrina Janesch – Die goldene Stadt
Rowohlt Berlin August 2017, gebunden, 528 Seiten, € 22,95
… liegt auch schon bei mir bereit!
Das Buch wandert dann mal auf meine Wunschliste. Vielen Dank für den Hinweis und die schöne Besprechung. Viele Grüße
Eigentlich wollte ich heute auch zum ET meine Rezension veröffentlichen, aber ich bin erst in den letzten Zügen mit dem Buch da ich mich stellen weise doch etwas schwer getan habe. Aber nun bin ich drin und werde demnächst darüber schreiben. Wäre es für Dich ok, wenn ich deinen Beitrag darunter verlinke?
Liebe Grüße und schönes Wochenende,
Verena
Gerne, liebe Verena. Schöne Grüße und für dich auch ein tolles Wochenende, Petra