Jean Echenoz erzählt in Laufen von Emil Zátopek – „die tschechische Lokomotive“, Ausnahmesportler, Landes- und Europameister, vier olympische Goldmedaillen, davon drei allein 1952, jahrelanger Weltrekordhalter in allen Distanzen ab 5000m, insgesamt 18 Weltrekorde.
Es ist die Magie der Literatur, mir als mäßig an Sportereignissen und nahezu gar nicht an Leichtathletik Interessierter, der das Langstreckenlaufen schon immer als eine der ödesten aller auszuübenden Sportarten erschien, diesen lange vor meiner Zeit aktiven Athleten nahezubringen, mich seine Wettkämpfe mit Spannung verfolgen und an seinem Schicksal Anteil nehmen zu lassen. Es ist die besondere Magie der Literatur von Jean Echenoz, wie leise, unaufdringlich und eindrücklich das geschieht.
Echenoz hat bereits in seinem ebenso schmalen Roman „Ravel“ ein an den biographischen Eckdaten des Komponisten Maurice Ravel orientiertes, bestimmte Lebenssituationen herausgreifendes literarisches Porträt geschaffen. Dabei ging es ihm genauso wenig wie in „Laufen“ um biographische Genauigkeit, geschweige denn Vollständigkeit, auch wenn die Fakten genauestens recherchiert sind. An familiären Konstellationen ist ihm kaum gelegen, auch das Zeithistorische bleibt weitgehend Beiwerk, wenn auch erhellendes. Er schafft stattdessen ein Gefühl für das geschilderte Leben und ein Porträt, das man so schnell nicht vergisst.
„Gut, sagt der sanfte Emil. Archivar also, ich habe es gewiss nicht anders verdient.“
So endet Laufen von Jean Echenoz. Die Jahre der Ächtung (Zátopek wurde erst 1990 rehabilitiert) reißt der Autor nur kurz an, die Jahre als Archivar fehlen ganz. Echenoz versucht nie, in seinen Protagonisten hineinzukriechen. Fiktive Gedankengänge, intime Innenschau sind ihm fremd. Bei aller Literarizität gleicht der Text oft einer Lebensreportage, bei aller Nähe wahrt er eine immer auch ironische Distanz, ohne seine Figur jemals bloßzustellen. Unaufdringlich, dezent und anrührend, erzählt er auch skurrile Details. Immer wieder bindet er dabei auch den Leser ein. Und schafft dadurch ein ungeheuer elegantes, ebenso kluges wie heiteres Lebensbild.
Beitragsbild: Czechoslovakia – Olympic Medals 1965 by footysphere (CC BY-SA 2.0) on flickr
Jean Echenoz
Laufen
Übersetzt von: Hinrich Schmidt-Henkel
Erschienen am 26.02.2011
Berlin Verlag, broschiert, 128 Seiten, € 8,99