Ein Papagei in Brooklyn von David Duchovny stand nicht auf meiner Leseliste. Irgendwie hat es sich aber doch meine Aufmerksamkeit erschlichen. Eine gute Besprechung und Reizwörter, auf die ich meistens sofort anspringe: berührende Vater-Sohn-Geschichte, schwierige Beziehung, New York, Humor, was weiß ich, jedenfalls wollte ich dieses zweite Buch des Schauspielers David Duchovny (Akte X) gerne lesen.
Die Geschichte ist eine oft erzählte, aber auch immer wieder andere. Es ist die Geschichte von Vater und Sohn (oder auch Mutter und Tochter), die zeitlebens Schwierigkeiten miteinander hatten, nicht so recht wussten, wie mit dem jeweils anderen umzugehen, die aber natürlich dennoch eine starke Bindung verspüren, auch wenn sie schon jahrelang kaum noch Kontakt zueinander haben. Meist ist es ein herausragendes oder ungewöhnliches Ereignis, das zum Wiedersehen führt, oft ein Familienfest, gerne, wie hier, eine schwere Erkrankung.
Ted Lord Fenway Fullilove (selten dämlicher Name, der schon die Alarmglocken hätte anwerfen sollen) ist ein erfolgloser Schriftsteller und eine sogenannte „gescheiterte Existenz“. Obwohl Absolvent der Ivy-League, also einer der acht Elite-Hochschulen der US-Ostküste, arbeitet er als Mr. Peanut, also als Erdnussverkäufer, bei den New York Yankees im Stadion. Eigentlich ist er Schriftsteller, arbeitet aber nur für die Schublade, sein Agent verabscheut seine umfangreichen Romane, kann (und will) sie auch nicht bei einem Verlag unterbringen. Sein Leben ist geprägt von gescheiterten Beziehungen: die Mutter tot, die Freundin abgehauen, der Goldfisch aufziehbar und aus Plastik. Und eben das Verhältnis zu seinem Vater Marty, einem einst sehr erfolgreichen, aber ruppigen Werbetexter, nahezu nicht existent. Nun ist dieser aber unheilbar an Krebs erkrankt und der Sohn entscheidet sich, zu ihm zu ziehen und sich um ihn zu kümmern. Es ist das Jahr 1978. Ted und Marty sind beide leidenschaftliche Baseball-Fans, nur nicht von der gleichen Mannschaft. Während Ted sich für die Yankees engagiert, brennt Martys Herz für die Boston Red Sox. Diese haben gerade zum ersten Mal seit fast 60 Jahren eine gute Chance, über die Yankees zu siegen. Martys Traum ist, diesen Sieg noch zu erleben. Aber es kommt, wie es kommen muss (und sich auch wirklich so ereignete), dass die Bostoner doch noch eine Reihe von Niederlagen erfahren und durch den legendären Homerun von Bucky Dent der Yankees schließlich doch unterliegen. „Bucky F*cking Dent“ so auch der Originaltitel des Buchs. Teds Ziel ist nun, diese Pleiten vor seinem Vater geheimzuhalten, damit dieser nicht den letzten Lebensmut verliert. Mit fantasievollen Einlagen und der Unterstützung der „Grauen Panther“ gelingt es ihm fast. Dabei nähern sich Vater und Sohn vorsichtig an.
So weit, so bekannt und gut. Viele Romane bauen auf ähnlichen Situationen auf, etliche konnten mich damit begeistern. Dieser allerdings nicht. Er bedient sich einer lockeren, flapsigen Sprache und ist auch aufgrund seiner sehr kurzen Kapitel leicht zu lesen. Dass er ursprünglich als Drehbuch gedacht war, merkt man ihm an. Da steckt der Schauspieler im Autor. Die betonte Lässigkeit der Sprache, die derben Sprüche gefielen mir nicht, waren aber nicht das Ärgerlichste am Buch. Duchovny schafft es gut, die Atmosphäre in den Baseballstadien zu beschwören, die Leidenschaft vieler Amerikaner für diesen rätselhaften Sport spürbar zu machen (die eine oder andere Länge und Fachsimpelei sind da zu verschmerzen). Auch die mühsame, langsame Annäherung von zwei schwierigen Menschen stellt er gut dar. Zwei Menschen, die sich so fremd in ihren jeweiligen Leben fühlen wie besagter Papagei in Brooklyn. Diese Menschen plastisch zu machen, gelingt ihm leider weniger. Das liegt nicht daran, dass beide ziemlich unsympathisch sind, das ist keine Kategorie. Sie sind einfach nicht sehr plausibel. Es mag Väter und Söhne geben, die sich hauptsächlich über Schwanzprobleme austauschen, sich übelst beschimpfen und ständig zusammen Gras rauchen. Mir konnte sie der Autor nicht als lebensecht präsentieren. Auch der Grund für die Entfremdung des Vaters vom Sohn (dieser war als Kleinkind einmal so krank, dass der Vater fürchtete, ihn zu verlieren; daraufhin sperrte sich dieser, um einen solchen Schmerz nicht noch einmal erleben zu müssen) steht vor mir wie eine bloße Behauptung.
Das Schlimmste am Buch ist aber der leicht arrogante, prätentiöse Ton, der nur notdürftig hinter dem oft derben, meist sarkastischen Witz lauert. Die ständigen Zitate aus der Literaturgeschichte (auch Duchovny ist Literaturabsolvent der Ivy-League) nerven und sind unpassend. Vater und Sohn, die spontan lange Passagen Walt Whitman zitieren – nein, da steige ich eher aus. Auch solche abgelutschten, klischeebeladenen Passagen wie die über chinesisches Take-away-Essen brauche ich nicht:
„Ted stopfte sich den Mund mit einem orangefarbenen, gallertartigen Stück frittiertem Irgendwas, das die größtenteils nicht des Englischen mächtigen Leute drüben beim Jade Mountain als Schweinefleisch süß-sauer bezeichneten. Ted traute dem Braten allerdings nicht ganz. Als er noch klein war, kursierten immer wieder Gerüchte über Hundefleisch im Jade Mountain. Jedes Jahr konnte das Jahr der Ratte oder des Hundes sein.“
Ganz unangenehm werden mir Passagen, wie diese:
„Fahre in mich und lass sehen, ob du auch einen Mann töten kannst! Du Weichei, du Fotze. Lass dieses Kind in Frieden und nimm mich, versuch´s mit einem Mann, du dreckiges Stück Scheiße! Du schwanzlutschende Nazischwuchtel!“
Frauen, Schwule und Nazis in einer Beschimpfung. Nein danke, ohne mich. Da folge ich nächstens lieber wieder meiner Leseliste.
David Duchovny – Ein Papagei in Brooklyn
Aus dem Amerikanischen von Jan Schönherr
Heyne Encore April 2017, gebunden, 352 Seiten, € 19,99
Beitragsbild: Parrot gargoyle by Ting Chen (CC BY-SA 2.0) on flickr
Ich danke dem Heyne Verlag für das Rezensionsexemplar!
Hallo Petra,
puh, was für eine vulgäre Sprache in dem Buch. Also das ist auch nicht mein Geschmack und schade um die Lesezeit.
LG Barbara