Oktober ist wie immer der Buchmessenmonat. Paradoxerweise immer ein Monat, in dem besonders wenig gelesen wird. Vorbereitungen, vorzuholende Arbeit, Planungen und die vielen Veranstaltungen sind meist ein Grund für viel zu wenig Lesezeit. Aber da sich der Monat ja um Bücher und Autoren dreht, ist das zu verschmerzen. Hier meine Lektüre im Oktober 2017.
Sechs Bücher habe ich dennoch gelesen:
Richard Ford schmales Memoir „Zwischen ihnen“ vereinigt zwei Texte, die in großem zeitlichen Abstand voneinander verfasst worden sind und sich mit den Eltern beschäftigt. Bereits kurz nach ihrem Tod 1981 schrieb Ford über seine Mutter, erst unlängst entstand der Text über seinen bereits 1960 früh verstorbenen Vater. Zwei zarte, liebevolle und nachdenkliche Annäherungen an die Menschen, die uns so nah erscheinen und über die wir doch manchmal gar nicht so viel wissen.
Madeleine Prahs hat einen amüsanten, bitterbösen Roman geschrieben über „Die Letzten“ Mieter eines Berliner Hauses, die Modernisierungsarbeiten weichen sollen. Eigentlich können sich die Drei nicht leiden, aber die Not schweißt zusammen und macht erfinderisch – manchmal auch skrupellos. Unzweifelhaft unterhaltsam, gehen der Autorin für meinen Geschmack irgendwann einmal „die Gäule durch“ und es wird für meinen Geschmack ein wenig zu abgedreht.
Sehr berührend ist Verena Boos Roman „Kirchberg“ über eine mittelalte Frau, die nach einem Schlaganfall ihre Sprache verliert und aus Berlin fort und in das Haus ihrer Kindheit zieht. Ganz unsentimental erzählt sie von Lebensplänen und -wegen, Heimat und Freundschaft. Auch wenn die Schilderung einer gescheiterten Liebe ein wenig pathetisch daherkommt, bleiben die eindrucksvollen Passagen bei weitem im Übergewicht.
Ein absolutes Lesehighlight war für mich Madeleine Thiens „Sag nicht, wir hätten gar nichts“ über 60 Jahre chinesische Geschichte. Unterdrückung vielversprechender musikalischer Talente, Verfolgung von Individualismus, Bildung und Bürgertum während Maos Kulturrevolution, die vorsichtige Öffnung Chinas danach und der Zusammenbruch aller Hoffnungen auf demokratische Erneuerung auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989. Ein eindrucksvolles Panorama, eine Freundschafts- und Familiengeschichte, ein Roman über Unterdrückung, Widerstand und Anpassung und einfach ein meisterhaftes Stück Literatur. Sehr zu empfehlen!
„Exit West“ von Mohsin Hamid erzählt im Gewand einer modernen, märchenhaften Parabel vom Liebespaar Saeed und Nadia, die aus einem nicht näher benannten, muslimisch geprägten Land fliehen, nachdem dort ein Bürgerkrieg ausgebrochen ist. Geheimnisvolle Türen bringen sie gen Westen, wo sie ein wenig Freiheit, aber auch neue Zwänge und Beschränkungen erfahren. Hamid erzählt aber nicht nur von den Schwierigkeiten einer Flucht, sondern auch über die Notwendigkeit, lebbare Lösungen für dieses mittlerweile Alltag gewordene Phänomen zu finden. Ein Buch zur Zeit.
Und zu guter Letzt noch ein besonders schön gestaltetes Büchlein, das ein Prequel zur beliebten Krimiserie von Volker Kutscher darstellt: „Moabit“ erzählt aus dem Berlin der späten Zwanziger Jahre von Charly Ritter, einer der Hauptfiguren. Wunderbar illustriert von Kat Menschick, edles Leinen, kleinformatig, Farbschnitt – ein Kleinod!
Das war meine Lektüre im Oktober 2017. Der November steht noch im Zeichen der Herbstneuerscheinungen, einige tolle Bücher liegen da noch vor mir, bevor ich mich im Dezember ganz den Debüts zuwenden werde. Bis Ende Dezember wird dann aus der Mitte November erscheinenden Shortlist ein Favorit (bzw. drei) auszuwählen sein. Eine Aufgabe, auf die ich mich sehr freue. Und dann stehen ja schon wieder die Vorschauen aufs nächste Frühjahr in den Startlöchern. Literarische Langeweile wird sicher nicht aufkommen.
Euch allen einen schönen Lese-Spätherbst!
Eine schöne Zusammenfassung. Kirchberg spricht mich besonders an. Solange die pathetische Liebesgeschichte nicht im Vordergrund steht, kann man sie sicherlich verkraften, oder? Der Rest klingt nämlich nach einer Geschichte genau für mich.
Liebe Christina, nein, die Liebesgeschichte ist auch bereits gescheitert und steht wirklich nicht im Mittelpunkt. Kann man also definitiv aushalten ? Ich bin aber auch immer sehr kritisch mit Liebesgeschichten, da kann man es mir schwer recht machen ? Kirchberg kann ich wirklich empfehlen. Viele Grüße!
Na, dann kann ja nichts schiefgehen 🙂 Viele Grüße!
Ah, „Moabit“ muss ich auch noch unbedingt haben. Bei Ford warte ich dann doch lieber aufs TB. Und beim Rest setze ich mal aus. Die Geldbörse freut sich. 🙂
Man kann ja (leider) auch nicht alles lesen 😉