Der Monat Januar war von einer wirklich elenden Trübnis, was das Wetter betrifft. Geschätzt 0 Sonnenstunden hier in der Mitte Deutschlands. Das legt sich schon ein wenig aufs Gemüt und da kann man noch so oft sagen: „Ja, aber optimales Lesewetter!“ Ich lese auch lieber bei Sonnenschein. Ein Trost war aber, dass die Lektüre im Januar 2018 von teilweise überragender Qualität waren.
Da war zum einen mein großer Favorit und sicher auch am Ende des Jahres noch bei meinen Jahreshighlights dabei: Arno Geigers „Unter der Drachenwand“. Die Geschichte aus dem letzten Kriegsjahr 1944 erzählt vom verwundeten Veit Kolbe, der zur Genesung eine wertvolle Auszeit vom Krieg am Mondsee im Salzburger Land verbringen darf; von der jungen Mutter aus Darmstadt, die mit ihrem Neugeborenen Schutz vor den zunehmenden Luftangriffen sucht, von einer Schar Berliner Schulmädchen auf Landverschickung; vom „Brasilianer“, der in einem Gewächshaus Orchideen und Tomaten züchtet und vom freien Leben in Südamerika träumt; seiner verbitterten, nazitreuen Schwester; dem jüdischen Flüchtling Oskar Meyer und und und. Wunderbar verwebt Geiger die vielen Stimmen und macht das Jahr 1944 ein wenig fühl- und erlebbar. Für mich Anlass die Briefe meines Onkels hervorzuholen, der im Januar 1945 in Luxemburg sein Leben für diesen elenden Krieg ließ. Sehr berührend!
Eine Entdeckung für mich war die Geschichte des geistig und körperlich eingeschränkten Ernst Kroll von Beginn des 20. Jahrhunderts bis zu dessen Ende, durch zwei Weltkriege hindurch, durch Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands – „Ein Anderer“ von Sabine Huttel. Ein wunderbar geschriebenes Buch über ein Leben im Dorf. Sehr empfehlenswert!
An Tania Blixens Roman „Jenseits von Afrika“ habe ich mich lange Zeit nicht herangetraut. Zu sehr fühlte ich mich geprägt vom Film von Sidney Pollack, zu präsent waren mir immer die Bilder, die Figuren, die Stimmen. Auch ermutigt durch Birgits Beitag auf Sätze und Schätze und verlockt durch die neue Manesse-Ausgabe und die Neuübersetzung, habe ich dann doch begonnen und: Es war wunderbar! Ganz anders als der Film und doch die gleiche Stimmung. Wer allerdings auf die große Liebesgeschichte abhebt, wird hier enttäuscht: Deny Finch Hatton kommt lediglich am Rande vor.
„Hinterhofleben“ von Maik Siegel ist ein Debütroman, der ganz leicht daherkommt, obwohl er ein ernstes und „schweres“ Thema behandelt: die Flüchtlingsfrage. Hier entfaltet der Autor eher ein unterhaltsames, turbulentes Boulevardstück mit vielen Stereotypen, aber auch vielen Wahrheiten und genauen Beobachtungen.
„Patria“ von Ferdinando Aramburu, die große, gefeierte Familiensaga des in Hannover lebenden baskischen Autors, habe ich noch nicht ganz beendet, bin aber auf den letzten Seiten. Ein großes Panorama der Zeiten, in denen die ETA noch ihr blutiges Handwerk betrieben hat und die politischen Auseinandersetzungen und der nationalistische Irrsinn ganze Familien, Dörfer und Regionen entzweit hat. Eigenwilliger Stil, aber sehr sehr gut.
Und dann habe ich für den Bloggerpreis „Das Debüt“ noch Klaus Cäsar Zehrers auch sehr positiv aufgenommenes Werk „Das Genie“ gelesen, das schließlich auch den Preis gewann. Darüber habe ich ja schon verschiedentlich geschrieben. Mein Buch war es nicht, aber angesichts der Shortlist, die generell nicht meinen Vorstellungen entsprach, geht der Gewinn in Ordnung.
Jetzt beende ich noch „Patria“ für meine Lektüre Januar 2018 und dann gibt es jede Menge toller Neuerscheinungen zu lesen, auf die ich mich sehr freue: Lionel Shriver, Adam Haslett, J. Courtney Sullivan, Jesmyn Ward, Deborah Levy und und und. Ich glaube, das wird ein ganz toller Lesefrühling! Ein solchen wünsche ich auch euch!
Liebe Petra,
ich habe gestern (Nacht) nun auch „Unter der Drachenwand“ beendet – als Hörbuch. Mir geht´s ähnlich wie dir: Es ist jetzt schon ein Jahreshighlight und ich bin mir sicher, dass ich mir die Geschichte von Veit Kolbe noch einmal anhören werde. Und ich bin froh, dass ich mich für die Audioversion entschieden habe, denn alle Sprecher (Torben Kessler und Co.) haben einfach erstklassig gelesen – ich hatte ständig das Gefühl, ich wäre in Mondsee, Wien oder Darmstadt. 🙂
Für deine nächsten Lesevorhaben wünsche ich dir auch viel Freude! Vielleicht ist ja wieder ein Highlight dabei? 🙂
Herzliche Grüße
Tina
Schön zu hören, dass es auch als Hörbuch gut funktioniert. Das Buch hat es definitiv verdient. Viele Grüße zurück!
Hallo Petra,
„Partia“ liegt schon auf meiner Lesen-Wollen-Liste! Freu mich, dass du es auch liest und warte gespannt auf deine Rezension.
Dein Beitrag sind nach einem schönen Lesemonat Januar aus. Möge es so weiter gehen. ?
GlG vom monerl
Ich sitze gerade dran und hoffe, sie morgen veröffentlichen zu können. Liebe Grüße zurück!
Da hast Du wieder tolle Titel für Dich erobert. Patria habe ich auf meine Hörbuch Merkliste gesetzt. Derzeit habe ich einfach mehr Hör-als Lesezeit, mal schauen ob er gehört funktioniert. LG Petra
Das ist immer ein wenig die Frage bei solchen multiperspektivischen Romanen mit vielen Wechseln in den Zeitebenen. Manchmal klappt das hervorragend, nanchmal nicht so. Ich bin gespannt auf dein Urteil. LG
Patria ist gestern auch hier endlich angekommen, ich bin schon sehr gespannt auf den Roman und deine Rezension 🙂
Freu dich drauf. Ich fand es sehr interessant. Viele Grüße!
Vier der fünf bei Dir anstehenden Romane habe ich schon gelesen und keiner hat mir nicht gefallen 😉 viel Freude damit!
O, das klingt vielversprechend. Danke für die tollen Aussichten und viele Grüße!
Liebe Petra, Patria hatte ich dagegen noch gar nicht auf dem Schirm. Da ich ein großer Freund des Baskenlandes bin, werde ich das Buch auf jeden Fall lesen. Auf deine Rezi bin ich sehr gespannt. Unter der Drachenwand will ich als Hörbuch hören. Nächste Woche steht eine sehr lange Autofahrt an, da passt das sehr gut.
Ich freu mich immer, wenn ein neuer Post von dir erscheint. Mach bitte weiter so, gerne auch mit viel Text 😉
liebe Grüsse und ein schönes Wochenende
Das ist ja schön! Wir sind dieses Jahr quer durchs Baskenland gefahren und es war toll! (Wenn natürlich auch das Wetter nicht so stabil ist).Bin gespannt, wie dir der Geiger gefällt und ob dad mit den verschiedenen Stimmen/Sprechern gut hinhaut. Viel Spaß und schönes Wochenende!
Liebe Petra,
ich bin schon gespannt, was du zu „Patria“ schreibst. Der Roman begegnet mir im Moment immer wieder – und reizt mich jetzt schon sehr.
Viele auch ziemlich trübe und nasse Grüße, Claudia
Ich bin jetzt auf den letzten hundert Seiten und ich finde ihn sehr interessant. Mehr dann nächste Woche. Viele Grüße!