Tatsächlich ist schon wieder ein Monat vorübergegangen und nach einem Hauch Frühling hat dieser uns mit sibirischer Kälte geschlagen. Eigentlich ideal, um unter der Decke oder im durch die Fenster hereinfallenden Sonnenlicht zu schmökern. Durch eine Vielzahl an Terminen wurde meine Lesezeit aber ziemlich eingeschränkt, so dass ich nur auf vier gelesene Bücher zurückblicken kann, die allerdings stolze 1900 Seiten umfassen – also eigentlich gar nicht so wenig. Ein wenig sehne ich mich nach den dicken Büchern und all den Familiengeschichten nach ein wenig knackigerer Kost und ich glaube, ich habe da für März schon das Richtige parat liegen. Hier nun aber meine Lektüre im Februar 2018.
Lionel Shrivers Roman hatte ich ursprünglich nicht auf meiner Leseliste. Die Ankündigung des Verlags klang aber so interessant, dass ich es doch noch daraufgesetzt habe. Manchmal soll man doch seiner Intuition trauen. „Eine amerikanische Familie“ ist sicher kein schlechtes Buch, aber eben für mich auch kein gutes. Die in naher Zukunft angesiedelte Dystopie spielt ein Szenario durch, das gar nicht so abwegig erscheint: durch hohe Staatsverschuldung und eine von der internationalen Wirtschaftsgemeinschaft neu eingeführte Leitwährung verfallen Dollarkurs und Dow Jones, die USA gleiten in eine nie geahnte Wirtschaftskrise, die Gesellschaft kollabiert, Chaos bricht aus. Eine Familie bahnt sich ihren Weg durch diese schwere Zeit. Nicht die ausführlichen theoretischen Erörterungen der Familienmitglieder haben mich gestört (durch die man tatsächlich etwas über Wirtschaftsmechanismen erfährt), sondern die unterschwellige politische Botschaft, die ich herausgehört zu haben meine (anderen Lesern ist das nicht aufgestoßen). Bei soviel Neoliberalismus verging mir ein wenig das Lesevergnügen, zumal das Buch auch stilistisch zwar solide, aber nicht überragend ist.
Sehr viel mehr Freude hatte ich an den anderen drei Büchern, allesamt auch amerikanischen Ursprungs und auch Familiengeschichten.
Nickolas Butler, dessen viel gelobte „Shotgun Lovesongs“ ich immer noch nicht gelesen habe, hat ein buch über „Die Herzen der Männer“ geschrieben. Anhand von drei Episoden, die sich über ein halbes Jahrhundert erstrecken und durch die Protagonisten und ein Pfadfindercamp miteinander verbunden sind, erzählt er von Rollenverständnissen, Anstand, Verantwortung und immer wieder von Vater-Sohn-Beziehungen, die nicht immer glücken. Zentrale Gestalt ist Nelson, einst Pimpf und schließlich hochbetagter Leiter des Camps. Aber auch die Frauengestalten, die die heimlichen „Heldinnen“des Romans sind, kommen nicht zu kurz. Gefühlvoll, aber unpathetisch erzählt, hat mir das Buch gut gefallen. Ich wäre zu gerne zu Butlers Lesung in Köln gegangen, hatte auch bereits eine Karte, konnte es aber zeitlich dann doch nicht einrichten. Schade!
J. Courtney Sullivan ist für mich eine Meisterin des unterhaltenden, aber niemals flachen Familienromans. Bereits „Ein Sommer in Maine“ und „Die Verlobungen“ konnten mich sehr von sich überzeugen. Es stecken viele psychologisch feinfühlige Beobachtungen in ihren Geschichten, in deren Mittelpunkt Frauen stehen, hier in „All die Jahre“ die beiden irischen Schwestern Nora und Theresa, die in den fünfziger Jahren nach Amerika auswandern. Während Nora eine Familie gründet, macht Theresa zunächst eine Lehrerinnenausbildung. Eine schwerwiegende Entscheidung führt zum Bruch zwischen den Schwestern und Theresa wird Nonne in einem geschlossenen Orden. Erst fast fünfzig Jahre später begegnen sich die Beiden auf der Beerdigung von Noras ältestem Sohn wieder. Melancholisch, aber mit ein wenig Witz, berührend, aber niemals kitschig. Ein sehr schönes Buch!
Schließlich noch Adam Hasletts Familienroman „Stellt euch vor, ich bin fort“. Auch Butler und Sullivan schildern keine unbeschwerten Familienidyllen, aber in dieser Familie lauert ein ganz besonders tückisches Ungeheuer: die Depression. Bereits Vater John hat den Kampf gegen es verloren und kam eines Tages nicht mehr von einem Spaziergang zurück. Die Mutter und die vier heranwachsenden Kinder rückten dadurch eher noch mehr zusammen, manchmal kommt der Gedanke auf, vielleicht zu sehr, dann wieder ist man beeindruckt von der Solidarität. Dabei sind die vier keine einfachen Charaktere und das Ungeheuer auch noch nicht ganz vertrieben. Ich muss zugeben, dass ich anfangs gerade bei den fantasievollen Parts von Sohn Michael ein wenig gehadert hatte, vielleicht auch, weil sich das Buch nicht ganz so süffig liest wie die beiden Vorgänger auf meiner Leseliste. Gelegentlich zieht es sich auch ein wenig. Dann aber wiederum packt es einen und ist so intensiv und überzeugend. Insgesamt eine ganz großartige Lektüre. Ich bin froh, Adam Haslett morgen auf einer Lesung in der Frankfurter Romanfabrik erleben zu dürfen. Ich werde berichten.
Überhaupt wird die nächste Zeit von vielen Lesungen bestimmt sein, der März ist voll davon. Natürlich auf der Leipziger Buchmesse, auf die ich schon hin fiebere, aber auch auf der LitCologne, die ich mir trotz der zeitlichen Nähe zur Messe (wer denkt sich nur so etwas immer aus?) nicht ganz verkneifen konnte. Joachim Meyerhoff und Michael Chabon sind für mich einfach ein Muss. Also nehme ich den weiten Weg kurz vor der Messe an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in Kauf.
Wer von euch wird denn auch auf der Messe sein? Nach wem muss ich Ausschau halten?
Nun hoffe ich für uns alle auf einen Hauch Frühling und grüße euch!