Seit heute ist sie wieder offiziell: Sechs Romane, die zur Wahl stehen: Deutscher Buchpreis 2018 – Die Shortlist.
Wie jedes Jahr wurden auch dieses Jahr in vielen Buchhandlungen Longlist-Lesehefte mit Leseproben aller Nominierten ausgegeben.
Auch dieses Jahr begleiten die „Buchpreisblogger“ den Preis und berichten über ihre Leseerfahrungen.
Die Longlist-Nominierten waren:
Carmen-Francesca Banciu, „Lebt wohl, Ihr Genossen und Geliebten!“ (PalmArtPress, März 2018)
María Cecilia Barbetta, „Nachtleuchten“ (S. Fischer, August 2018)
Maxim Biller, „Sechs Koffer“ (Kiepenheuer & Witsch, September 2018)
Susanne Fritz, „Wie kommt der Krieg ins Kind“ (Wallstein, März 2018)
Arno Geiger, „Unter der Drachenwand“ (Carl Hanser, Januar 2018)
Nino Haratischwili, „Die Katze und der General“ (Frankfurter Verlagsanstalt, August 2018)
Franziska Hauser, „Die Gewitterschwimmerin“ (Eichborn, Februar 2018)
Helene Hegemann, „Bungalow“ (Hanser Berlin, August 2018)
Anja Kampmann, „Wie hoch die Wasser steigen“ (Carl Hanser, Januar 2018)
Angelika Klüssendorf, „Jahre später“ (Kiepenheuer & Witsch, Januar 2018)
Gert Loschütz, „Ein schönes Paar“ (Schöffling & Co., Februar 2018)
Inger-Maria Mahlke, „Archipel“ (Rowohlt, August 2018)
Gianna Molinari, „Hier ist noch alles möglich“ (Aufbau, Juli 2018)
Adolf Muschg, „Heimkehr nach Fukushima“ (C.H.Beck, Juli 2018)
Eckhart Nickel, „Hysteria“ (Piper, September 2018)
Josef Oberhollenzer, „Sültzrather“ (Folio, März 2018)
Susanne Röckel, „Der Vogelgott“ (Jung und Jung, Februar 2018)
Matthias Senkel, „Dunkle Zahlen“ (Matthes & Seitz Berlin, Februar 2018)
Stephan Thome, „Gott der Barbaren“ (Suhrkamp, September 2018)
Christina Viragh, „Eine dieser Nächte“ (Dörlemann, Februar 2018)
Jedes Jahr wieder ein Rätseln darüber, wer es nun schafft, weiterzukommen. Wenn man sich mit den Titel und – das ist ganz wichtig – auch mit den Juroren beschäftigt, ist das Ergebnis meist gar nicht so überraschend. Ich habe das zumindest 2016 mal versucht und war so erfolgreich, dass ich das beste Wettergebnis hatte und bei der Preisverleihung im Frankfurter Römer dabei sein durfte. Ein tolles Erlebnis!
Diese Jahr hatte ich leider nicht die Gelegenheit, ähnlich intensive „Forschungen“ zu betreiben. Dennoch: Völlig überraschend finde ich das Ergebnis nicht. Obwohl ich so manches anders getippt hätte.
Arno Geiger fehlt auf der Liste, was einerseits schade und überraschend ist. Andererseits haben es Frühjahrstitel immer schwer beim Deutschen Buchpreis. Auch für Gert Loschütz hätte ich eine Chance gesehen, trotz Start im Frühjahr.
Dagegen war ich felsenfest davon überzeugt, dass es Susanne Röckel mit „Der Vogelgott“ auf die Liste schafft – obwohl Frühjahrstitel. Da ist den Juroren anscheinend aufgegangen, dass sie da einen Titel aus dem Junf und Jung Verlag völlig übersehen haben. Auch von den großen Printmedien hat allein die FAZ das Buch zeitnah besprochen. Irgendwann folgte dann die SZ. Aber von unterschiedlichen Seiten, gerade auch von Bloggerkollegen kam in letzter Zeit so viel positives Echo, dass ich mir sicher war, die Röckel schafft das. Mich spricht das Buch leider von der Thematik so gar nicht an, aber vielleicht lasse ich mich nun doch mitziehen.
Auf Nino Haratischwili hätte ich wohl auch getippt. Die Frau hat einfach eine ungeheure Fangemeinde, das Achte Leben, das ich zu meiner Schande immer noch nicht gelesen habe, wird fast hymnisch bejubelt, und dann der georgische Hintergrund bei dem diesjährigen Gastlandauftritt – Die Katze und der General war nahezu gesetzt. Mich muss Frau Haratischwili erst noch überzeugen, das Buch liegt bereit, Thema finde ich hoch interessant. Ich habe allerdings auch schon kritische Stimmen gehört und auf dem Besuch der Buchpremiere letzte Woche im Literaturhaus Frankfurt fand ich sie auch eher spröde.
Auf „Archipel“ hätte ich auch gesetzt, auf dieses Buch freue ich mich ungemein.
Unsicher war ich mir bei Stephan Thome, obwohl ich das Buch gerade lese und ziemlich begeistert bin. Ein historischer Stoff auf über 700 Seiten, und dann noch die Opiumkriege im fernen China des 19. Jahrhunderts, die der studierte Sinologe da präsentiert. Ich dachte kaum, das er es damit weiter schafft. Zumal Inga-Maria Mahlke ja mit „Archipel“ auch schon ein historisches Thema behandelt. Aber: Thome ist weiter, das kann ich auf jeden Fall bejubeln und nächste Woche werde ich ihn auf einer Lesung erleben dürfen.
Auf Maxim Biller wiederum hätte ich nicht gewettet. Zuviel negatives Feedback kam da schon rüber. Ich habe das Buch für mich aber auch ausgewählt und werde es nach dem Thome gleich lesen (und danach Archipel und die Katze, ich lag mit meiner Auswahl gar nicht so schlecht).
Maria Cecilia Barbetta hat es mit ihrer „Wundertüte“ auch geschafft. Da hat der virtuose Umgang mit Sprache wohl so manchen Begeisterungssturm hervorgerufen. Mich hat gerade diese Sprache, die leidenschaftlich antiquierte Begriffe verwendet, in der Leseprobe eher nicht angesprochen. Ich bin noch unentschlossen, ob ich es mit „Nachtleuchten“ versuchen werde. Auf der Liste hatte ich sie aber auch schon gesehen.
Insgesamt finde ich die Liste ziemlich abwechslungsreich. Es sind anspruchsvolle Texte darunter, die meisten sind aber sicher auch ein Tipp für das große Lesepublikum, der wirklich experimentelle, außergewöhnliche Text fehlt (vllt. Röckel?).
Und hier sind die sechs Bücher, die es auf die Shortlist geschafft haben. Die Texte entstammen allesamt der Verlagswerbung.
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Susanne Röckel – Der Vogelgott
Hier hat eine große Erzählerin aus einer grimmigen Geschichte einen grandiosen Roman gemacht. Die Mitglieder einer wissenschaftlich orientierten Familie werden durch eine zufällige Entdeckung auf einem Kirchenbild in den schwer durchschaubaren Mythos eines Vogelgottes hineingezogen – mit einem Sog, dem sie so wenig widerstehen konnen wie der Leser dieser Geschichte. Spätestens als sich herausstellt, dass dieser Mythos eben nicht nur ein Mythos ist. Es ist eine sagenhafte, aber elende Gegend dieser Erde, wo die Verehrer des Vogelgotts leben, die ihm allerdings weniger ergeben als vielmehr ausgeliefert zu sein scheinen. In diesem unwiderstehlichen Roman entpuppt sich eine geheime Welt als die unsere, in der die Natur ihre Freundschaft aufkündigt und wir ihrer Aggression und Düsternis gegenüberstehen.
Jung und Jung, 272 Seiten, gebunden, € 22,00
Rezensionen bei: Der Buchbloggerin, Sören Heim
MAXIM BILLER – Sechs Koffer
In jeder Familie gibt es Geheimnisse und Gerüchte, die von Generation zu Generation weiterleben. Manchmal geht es dabei um Leben und Tod. In seinem neuen Roman erzählt Maxim Biller von einem solchen Gerücht, dessen böse Kraft bis in die Gegenwart reicht. »Sechs Koffer« – die Geschichte einer russisch-jüdischen Familie auf der Flucht von Ost nach West, von Moskau über Prag nach Hamburg und Zürich – ist ein virtuoses literarisches Kunststück. Aus sechs Perspektiven erzählt der Roman von einem großen Verrat, einer Denunziation. Das Opfer: der Großvater des inzwischen in Berlin lebenden Erzählers, der 1960 in der Sowjetunion hingerichtet wurde. Unter Verdacht: die eigene Verwandtschaft. Was hier auf wenig Raum gelingt, sucht seinesgleichen in der deutschen Gegenwartsliteratur: eine Erzählung über sowjetische Geheimdienstakten, über das tschechische Kino der Nachkriegszeit, vergiftete Liebesbeziehungen und die Machenschaften sexsüchtiger Kultur-Apparatschiks. Zugleich ist es aber auch eine Geschichte über das Leben hier und heute, über unsere moderne, zerrissene Welt, in der fast niemand mehr dort zu Hause ist, wo er geboren wurde und aufwuchs. »Sechs Koffer« ist ein Roman von herausragendem stilistischen Können, elegantem Witz und einer bemerkenswerten Liebe zu seinen Figuren: Literatur in Höchstform – und spannend wie ein Kriminalroman.
Kiepenheuer&Witsch, 208 Seiten, gebunden mit SU, 19,00 €, ISBN: 978-3-462-05086-8
Erschienen am: 08.08.2018
Meine Rezension findet ihr hier
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Inger-Maria Mahlke – Archipel
Es ist der 9. Juli 2015, vierzehn Uhr und zwei, drei kleinliche Minuten. In La Laguna, der alten Hauptstadt des Archipels, beträgt die Lufttemperatur 29,1 Grad. Der Himmel ist klar, wolkenlos und so hellblau, dass er auch weiß sein könnte“. Damit fängt es an. Und mit Rosa, die zurückkehrt auf die Insel und in das heruntergewirtschaftete Haus der vormals einflussreichen Bernadottes. Rosa sucht. Was, weiß sie nicht genau. Doch für eine Weile sieht es so aus, als könnte sie es im Asilo, dem Altenheim von La Laguna, finden. Ausgerechnet dort, wo Julio noch mit über neunzig Jahren den Posten des Pförtners innehat. Julio war Kurier im Bürgerkrieg, war Gefangener der Faschisten, er floh und kam wieder, und heute hütet er die letzte Lebenspforte der Alten von der Insel. Julio ist Rosas Großvater. Von der mütterlichen Seite. Einer, der Privilegien nur als die der anderen kennt. Ein großer europäischer Roman von der Peripherie des Kontinents: der Insel des ewigen Frühlings, Teneriffa.
Rowohlt, 432 Seiten, ISBN: 978-3-498-04224-0, € 20,00
Meine Rezension findet ihr hier
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María Cecilia Barbetta -Nachtleuchten
María Cecilia Barbetta erzählt von der gespenstischen Atmosphäre am Vorabend eines politischen Umsturzes. Sie sind aus der ganzen Welt gekommen und haben sich in Buenos Aires eine Existenz aufgebaut. In dem Viertel Ballester kämpfen sie jeder auf seine Art für den Aufbruch, die Revolution und eine bessere Zukunft – Teresa und ihre Klassenkameradinnen in der katholischen Mädchenschule ebenso wie Celio, der Friseur in der »Ewigen Schönheit«, oder die Mechaniker der Autowerkstatt »Autopia«. Doch politische Spannungen zerreißen das Land, Aberglaube und Gewalt schleichen sich in die Normalität. Mit einem feinen Gespür für die Poesie des Alltags erzählt die in Argentinien geborene María Cecilia Barbetta von der Liebe zum Leben in Zeiten des Umbruchs.
S.Fischer, Hardcover, 528 Seiten, gebunden, € 24,00
ISBN: 978-3-10-397289-4
Rezension bei letteratura , dem BooksterHRO, Buch-Haltung und Sören Heim
Nino Haratischwili – DIE KATZE UND DER GENERAL
Alexander Orlow, ein russischer Oligarch und von allen »Der General« genannt, hat
ein neues Leben in Berlin begonnen. Doch die Erinnerungen an seinen Einsatz im Ersten
Tschetschenienkrieg lassen ihn nicht los. Die dunkelste ist jene an die grausamste aller
Nächte, nach der von der jungen Tschetschenin Nura nichts blieb als eine große ungesühnte Schuld. Der Zeitpunkt der Abrechnung ist gekommen.
Nino Haratischwili spürt in ihrem neuen Roman den Abgründen nach, die sich zwischen
den Trümmern des zerfallenden Sowjetreichs aufgetan haben. Die Katze und der General ist ein spannungsgeladener, psychologisch tiefenscharfer Schuld-und-SühneRoman über den Krieg in den Ländern und in den Köpfen, über die Sehnsucht nach Frieden und Erlösung. Wie in einem Zauberwürfel drehen sich die Schicksale der Figuren ineinander, um eine verborgene Achse aus Liebe und Schuld. Sie alle sind Teil eines tödlichen Spiels, in dem sie mit der Wucht einer klassischen Tragödie aufeinanderprallen.
Frankfurter Verlagsanstalt, schön gebunden, farbiges Vorsatzpapier,750 Seiten, € 30,00
ISBN 9783627002541
Eine kritische Rezension findet ihr beim Bookster HRO , ich kann mich ihm in vielen Punkten anschließen, demnächst findet ihr hier auch meine Besprechung
Sehr viel positiver hat Letteratura das Buch besprochen
Stephan Thome – Gott der Barbaren
China, Mitte des 19. Jahrhunderts. Eine christliche Aufstandsbewegung überzieht das Kaiserreich mit Terror und Zerstörung. Ein junger deutscher Missionar, der bei der Modernisierung des riesigen Reiches helfen will, reist voller Idealismus nach Nanking, um sich ein Bild von der Rebellion zu machen. Dabei gerät er zwischen die Fronten eines Krieges, in dem er am Ende alles zu verlieren droht, was ihm wichtig ist. An den Brennpunkten des Konflikts – in Hongkong, Shanghai, Peking – begegnen wir einem Ensemble so zerrissener wie faszinierender Persönlichkeiten: darunter der britische Sonderbotschafter, der seine inneren Abgründe erst erkennt, als er ihnen nicht mehr entgehen kann, und ein zum Kriegsherrn berufener chinesischer Gelehrter, der so mächtig wird, dass selbst der Kaiser ihn fürchten muss.
Suhrkamp, Gebunden, 719 Seiten, ISBN: 978-3-518-42825-2, € 25,00
Meine Rezension findet ihr hier
Weitere Rezensionen bei Letteratura , beim BooksterHRO , bei Frau Lehmann liest , bei Buch-Haltung und bei Exlibris
Dann euch allen viel Spaß mit den Longlist- und Shortlist Titel. Ich bin wie immer auf eure Meinung zu diesen und der Auswahl der Jury gespannt.
Ich bin gespannt auf den Sieger. So richtig sprechen mich alle 6 Bücher nicht an. Die Cover reißen mich alle nicht vom Hocker und so würde ich die Bücher mir nie in die Hand nehmen. Mal sehen, ob ich dem Sieger eine Chance gebe und es dann lesen werde.
LG Kerstin
Ich bin mit der Shortlist eigentlich ganz glücklich. Vier der Titel standen sowieso auf meiner Leseliste und mit einem liebäugel ich schon länger. Hoffentlich gewinnt dann nicht der einzige titel, der mich gar nicht interessiert. 😉 LG
„Nachtleuchten“ konnte mich nicht ganz überzeugen, „Gott der Barbaren“ hat das schon eher geschafft (obwohl das Buch für mich auch Schwächen hat). Jetzt liegt noch „Sechs Koffer“ von Maxim Biller bereit und ich bin sehr gespannt. Dann sind 50 Prozent der Shortlist gelesen und ich hoffe, dass da der Siegertitel dann dabei war 😉
Ich habe gerade Sechs Koffer begonnen. Gefällt mir ganz gut, aber sehe noch nicht die Bedeutung, die es für die Shortlist besitzen sollte. Thome hat mir, trotz einiger zäher Passagen sehr gut gefallen und an die Cromwell Romane Hilary Mantels erinnert. Nachtleuchten wollte ich nach der Lesprobe eigentlich nicht lesen, die sprache ging mir auf den Wecker. Als nächstes werde ich Archipel und Katze lesen und hoffen, das das beste buch gewinnt. Bleibt spannend. Viele Grüße!
Na das ist ein hehrer Wunsch, den ich absolut teile. Gerade lese ich im Übrigen Steffen Menschings „Schermanns Augen“ – ein Buch, das für mein Empfinden auch auf die Shortlist gemusst hätte …
Den Titel habe ich nun auch schon verschiedene Male empfohlen bekommen. Bin auf deine Meinung gespannt.
Kommt bald, aber das Buch erfordert absolutes Langsamlesen und höchste Konzentration. Und bei über 800 Seiten ist das echt ne ganze Menge davon 😉
Nach Verkündung der Longlist habe ich mir neun Titel ausgesucht und auf meine Leseliste gesetzt – nur drei davon haben es auf die Shortlist geschafft, ich tauge also nicht zum Orakel.
Um „Hier ist noch alles möglich“ und „Dunkle Zahlen“ tut es mir leid, da ich die Bücher sehr interessant fand, aber wirklich überrascht bin ich nicht, dass sie nicht ins Finale einziehen. Dass „Der Vogelgott“ weiterkommt, freut mich dagegen sehr!
„Bungalow“, „Hysteria“, „Eine dieser Nächte“ und „Die Gewitterschwimmerin“ werde ich trotz Rausschmiss noch lesen.
Vom Vogelgott habe ich auch eigentlich nur begeisterte Stimmen gehört. Es spricht mich nur vom Werbetext her gar nicht an. Aber vier der Shortlisttitel habe ich eh schon hier, ich werde es mir von daher wohl nur anschauen, wenn es wirklich siegen sollte. Viel Spaß bei deiner Lektüre.
Bei mir liegen noch „Nachtleuchten“ und „Sechs Koffer“, wenn aber weder diese noch „Der Vogelgott“ siegen sollte, werde ich mir das Siegerbuch noch holen.