Inspiriert von Kerstin Herbert – der Frauenleserin – kommen nun ein paar Gedanken zu meinem Leseverhalten in 2018, speziell mit Blick auf Autorinnen. Kerstin hat einige Fragen zusammengestellt, die ich hier gerne beantworten möchte. Blogparade der Frauenleserin
- Wie hoch ist Deine „Frauenquote“? Wieviele Bücher hast Du in diesem Jahr gelesen und/oder rezensiert? Wieviele davon wurden von Autorinnen verfasst?
Tatsächlich ist meine Frauenquote annähernd ausgeglichen. Das ist völlig ungeplant geschehen, da ich nicht explizit nach „Frauenliteratur“ – hier im Sinne von Literatur von Frauen – schaue. Dennoch sind 43 von 83 insgesamt gelesenen Büchern von Autorinnen gewesen. Auch bei meinen Highlights des Jahres sieht es so ähnlich aus. 8 von 15 Top-Titeln stammen aus der Feder von Autorinnen.
Gut oder schlecht/interessant oder uninteressant – das sind keine Kriterien, die man nach weiblich/männlich aufteilen kann.
- Welches Buch einer Autorin ist Dein diesjähriges Lesehighlight? (Warum?)
Hier muss ich ein wenig gegen die Spielregeln verstoßen, die ein Buch fordern. Ich möchte hier aber gerne drei Bücher nennen, die mich alle drei nicht nur begeistert haben (da müsste ich tatsächlich noch mehr nennen), sondern die mich überrascht, hingerissen, bezaubert haben. Das wären:
Ein überraschendes Buch, ein überraschend gutes Buch einer mir bis dato ganz unbekannten britischen Autorin mit pakistanischen Wurzeln: Kamila Shamsie.
Ihr Buch um eine Familie in London, deren Sohn den Weg des Dschihad geht ist verwebt mit der des (fiktiven) Innenministers Großbritanniens, auch er mit pakistanischen Vorfahren. Ein kluges, mutiges Buch, das dem Leser den Kopf durchwirbelt, bequeme Denkmuster durchrüttelt und Standpunkte infrage stellt. Spannend bis zum Schluss und für mich ein ganz unerwartetes Highlight dieses Lesejahrs!
Jacqueline Woodson – Ein anderes Brooklyn
Ein wunderbar poetisches Buch über das Aufwachsen eines afroamerikanischen Mädchens in Bushwick in den Siebzigern. Ein Buch von Verlust und Trauer, von Erwachsenwerden und Freundschaft, von abwesenden Müttern und übergriffigen Männern, von ständigem Wandel und dem Wunsch nach Zugehörigkeit. Stark rhythmisiert und lyrisch ähnelt es einem Prosagedicht und hat mich vollauf begeistert.
Kristine Bilkau – Eine Liebe, in Gedanken
Ich weiß gar nicht, welchen Strang ich am schönsten fand. Die Liebesgeschichte von Mutter Antonia zu Edgar in den Sechziger Jahren, die auf so leise wie ungreifbare Weise scheitert? Oder die Spurensuche der Ich-Erzählerin nach dem Tod der Mutter, in Briefen, Fotos, Lebenszeugnissen? Oder auch der Abschied von der eigenen Tochter, die nun nach dem Abitur eigene Wege gehen wird – Kindheit, solch eine schnell vergehende Episode. Vielleicht aber doch die Bilder der finnischen Malerin Helene Schjerfbeck, deren Ausstellung die Erzählerin vorbereitet und in deren unabhängigem, aber auch tragischem Leben sich das Leben der Mutter immer wieder spiegelt. Alles zusammen ergibt einen so einfühlsamen wie kitschfreien, so behutsamen wie klugen Roman. Unbedingte Leseempfehlung!
- Welche Autorin hast Du in diesem Jahr für Dich entdeckt und was macht Sie für Dich so besonders?
Hier möchte ich eine Autorin nennen, die ihr Buch bei Tredition im Selbstverlag herausgegeben hat und mich davon überzeugt hat, dass auch Romane, die keinen Verlag finden, durchaus großartig sein können. Sabine Huttel war mit „Ein Anderer“ für den Blogbuster auf der Shortlist und hätte diesen Preis und den damit verbundenen Verlagsvertrag unbedingt verdient. Schade, dass es nicht geklappt hat.
„Ein Dorf in Deutschland während des Ersten Weltkriegs. Der kleine Ernst Kroll ist aufgrund einer angeborenen Krankheit körperlich und geistig eingeschränkt, die Ärzte können ihm nicht helfen. Zwischen Orgelbank, Hühnerstall und dem Schulzimmer, in dem sein Vater unterrichtet, wächst der Junge heran. Er lebt in seinem eigenen Universum und liebt Musik. Die Außenwelt nimmt er nur bruchstückhaft wahr, Politik versteht er nicht. Sie kommt ihm jedoch bedrohlich nahe. Umso erstaunlicher, wie er es schafft, Krieg, Diktatur und die Teilung Deutschlands zu überstehen.
- Welches Buch einer Autorin möchtest Du in 2019 unbedingt lesen?
Auch da gibt es so viele, dass ich mich eigentlich nicht beschränken möchte. Aber auf das neue Buch von Elif Shafak, „Unerhörte Stimmen“, warte ich schon seit dem letzten Jahr ungeduldig und freue mich, wenn es nun im Mai erscheinen wird.
„In Istanbul wird eine Prostituierte ermordet. Als sie noch lebte, war Leila trotz einiger Rückschläge stets eine beschwingte Person, die ihren Freunden auch in schweren Zeiten immer zur Seite stand. Und ausgerechnet sie wird begraben auf dem Friedhof der Geächteten, einer schändlichen Stätte für die Einsamen und Unerwünschten der Stadt: Kriminelle, Selbstmordattentäter, aber auch Obdachlose, Opfer von Ehrenmorden, Flüchtlinge und eben Prostituierte. Doch Leila ist der Meinung, sie gehöre nicht an diesen trostlosen Ort, und so fängt sie an, aus ihrem Grab heraus ihre Geschichte zu erzählen – eine Geschichte voller Energie, Lebensfreude, Humor und tiefer Freundschaften, die selbst Leilas Schicksal noch verändern können.“ (Verlagswerbung)
„Worauf wir hoffen“ von FATIMA FARHEEN MIRZA liegt hier bereits als Vorabexemplar.
„Was hält unsere Familien im Innersten zusammen? Amar hat es sich nicht ausgesucht, einziger Sohn und Stolz der Familie zu sein. Wenn er gegen seine muslimischen Eltern rebelliert, ist es seine ältere Schwester Hadia, die ihn schützt. Bis sie sich fragt: wovor eigentlich? Vor den Möglichkeiten, die sie als junge Frau nicht hat? Nach einem Streit mit dem Vater läuft Amar von zu Hause weg. Und Hadia nimmt nach und nach seinen Platz ein. Drei Jahre später heiratet sie einen Mann ihrer eigenen Wahl: für die Familie die Chance, sich neu zu erfinden. Doch dann kehrt Amar zurück. Gibt es eine Eifersucht, die verzweifelter ist, als die unter Geschwistern? Müssen wir die Welt unserer Eltern erst akzeptieren, bevor wir uns daraus befreien können?“ (Verlagswerbung)
darauf bin ich genauso gespannt wie auf die neuen Romane von Maylis de Kerangal – Eine Welt in den Händen und Zinzi Clemmons – Was verloren geht.
Bis 12.1.19 kann man noch bei der Blogparade mitmachen auf http://www.kerstin-herbert.de/?p=8088
Beitragsbild: August Macke (Public Domain) via Wikimedia
Hallo Petra.
Ich freue mich sehr über deinen Beitrag zu meiner Blogparade.
Elif Shafak mag ich sehr gerne. Aber dass es in diesem Jahr ein neues Buch geben wird, ist bis jetzt an mir vorbei gegangen. Das hab ich jetzt gleich mal vorgemerkt.
Danke.
Liebe Petra,
endlich komme ich dazu, hier zu kommentieren. Den Beitrag habe ich per Mail gleich nach der Veröffentlichung gelesen. 😉
Sehr schön, dein „Frauen“-Lesejahr! Mit deinen Beispielen hast du mich angesteckt, denn ich möchte jetzt auch unbedingt „Ein Anderer“ lesen. Deine Rezi dazu fand ich auch fantastisch! Bilkaus Buch liegt auch schon länger auf der Wunschliste. So viele Bücher, so wenig Zeit, wie immer, gell!
Von Elif Shafak habe ich auch noch zwei Bücher subben. 2019 wollte ich zu meinem SuB-Jahr machen und viele tolle Bücher aus meinen Regalen befreien. Ich hoffe, dass es mir gelingen wird!
Hier ist meine Blogparade zum Jahresende.
GlG, monerl
Hallo,
interessant, das hat mich doch direkt dazu gebracht, mir die Liste meiner 2018 gelesenen Bücher näher anzuschauen.
Wie sich herausstellt, wurden 56 der 105 Bücher, die ich gelesen habe, von Frauen geschrieben. Das ist ausgeglichener, als ich erwartet hätte – ich war aus irgendeinem Grund der Meinung, ich läse deutlich mehr Autorinnen als Autoren.
„Hausbrand“ und „Ein Anderer“ waren mir bisher gänzlich unbekannt, jetzt stehen sie auf meiner Leseliste für 2019.
LG,
Mikka
[ Mikka liest von A bis Z ]
Liebe Mikka, das freut mich. Beide Bücher mochte ich sehr. Und Sabine Huttel hätte ein paar mehr LeserInnen sehr verdient. Berichte mal, wenn du beide gelesen haben solltest. LG, Petra
Das Foto hätte ich auch beinah für meinen Beitrag gewählt 😉
Deines hatte ich auch zur Auswahl. 😉
Ich bin großer Kamila-Shamsie-Fan, ich hab schon mehrere ihrer Bücher gelesen und war auch einmal auf einer Lesung, die ich in bester Erinnerung habe. Ich bin gespannt, wie Dir der neue Roman von Elif Shafak gefallen wird. Mir gefällt sie immer weniger, weiß aber nicht so richtig, woran das liegt… viele Grüße!
Das war mein erstes buch von Shamsie. Ich fand es sehr gut. Mir gefielen aber auch Shafaks Geruch des Paradieses, lediglich den Architekt fand ich etwas schwächer. Ich bin aber auch seit einem kurzen Treffen mit ihr ein großer Fan der Frau als Persönlichkeit (das macht sowieso nachsichtig 😉 ). Viele Grüße1
Den Architekt hab ich nicht gelesen, aber einige andere. Ich warte mal dein Fazit ab!