Mit Kathleen Collins ist erneut eine US-amerikanische Autorin wiederzuentdecken. Wobei wiederzuentdecken genau genommen falsch ist. Die in den 60er und 70er Jahren entstandenen Kurzgeschichten der 1942 geborenen Afroamerikanerin, die nun im Kampa Verlag erschienen sind, haben über zwanzig Jahre nach deren frühem Tod in einer Kiste geschlummert, ehe sie 2016 von der Tochter Nina Collins in den USA erstmals veröffentlicht wurden.
Kathleen Collins war eine der ersten schwarzen Regisseurinnen der USA. Nach einem B.A. in Philosophie und Theologie und einem Studium der Filmgeschichte an der Pariser Sorbonne erhielt sie eine Professur für Filmgeschichte und Drehbuch am City College in New York. Anfang der 80er Jahre erschienen zwei Dramen und ein Roman. Der 1982 gedrehte Film „Losing ground“ wurde erst 2015 in den Kinos uraufgeführt.
Außer Filmemacherin, Dramatikerin und Dozentin war Collins noch alleinerziehende Mutter zweier Kinder und sehr engagiert in der Bürgerrechtsbewegung. Wie einige ihrer weiblichen Figuren in den Storys arbeitete sie für die Registrierung schwarzer Wähler in den Südstaaten und wurde infolgedessen mehrmals in Haft genommen. Sie selbst stammt aus einer schwarzen Mittelstandsfamilie. Die Mutter starb nur fünf Monate nach Kathleens Geburt, der Vater war später erfolgreich in der Politik.
All diese autobiografischen Spuren lassen sich in den sechzehn kurzen bis kürzesten Storys finden. Sie umkreisen immer wieder den Einfluss von Rasse, Geschlecht und Herkunft auf die Protagonisten. In manchen spürt man noch die Aufbruchsstimmung, die durch die erstarkende Bürgerrechtsbewegung, in den 1960er Jahren aufkam. In anderen ist die Erwartung bereits wieder gedämpft oder gänzlich erloschen.
„Whatever happened to interracial love?“ ist eine der Storys benannt, die in der amerikanischen Originalausgabe der Sammlung den Titel verleiht. Ja, was ist aus der Hoffnung geworden, dass (nicht nur) in der Liebe zukünftig Rassenfragen keine Rolle mehr spielen würden? Dass eine Zukunft ohne Rassenschranken, ohne ökonomische, soziale oder politische Barrieren für denkbar schien. Nach den Attentaten auf Malcolm X und Martin Luther King erlitten diese Hoffnungen einen herben Dämpfer. Und wenn man auf die heutige Situation der schwarzen Bevölkerung in den USA schaut, hat sich auch nach Jahrzehnten und der Amtszeit eines schwarzen Präsidenten noch viel zu wenig verändert.
„Nur einmal“ heißt die Geschichte, die der deutschen Ausgabe der Storys den Titel gibt.
„So einem Mann begegnest du nur einmal, heißt es immer.“
Einem Mann, der wie so viele Männer in diesem Geschichten etwas Strahlendes hat, aber auch viel Selbstherrlichkeit, Arroganz und Verantwortungslosigkeit. Einer der Männer, die mit der Realität, die durch Beschränkungen und Zurücksetzungen durch Rassenzugehörigkeit (oder auch den sozialen oder ökonomischen Status) bestimmt ist, weniger gut zurechtzukommen scheinen als die Frauen.
„Nach und nach sickerten Geheimnisse durch – wie sehr es ihn überraschte, als seine goldene Haut schwarz wurde und bei anderen Verachtung hervorrief, als das Lachen in seinen Augen erstarb. (…) So einem Mann begegnest du nur einmal, heißt es immer. Nur einmal. Aber sie begegnete ihr ganzes Leben lang solchen Männern. Einer wie der andere, immer dieselbe Sorte Männer.“
Das ist eine weitere Ebene, die in Collins Erzählungen immer wieder betreten wird: die Beziehungen zwischen den Geschlechtern, die weibliche Rolle darin. Geprägt durch Sehnsucht, Missverständnisse und strukturellen Problemen bleiben sie zumeist unerfüllt. Auch das gefärbt durch das eigene Leben, in dem die Autorin zahlreiche unglückliche Liebesgeschichten erlebt hat.
Wie in vielen Texten afroamerikanischer Autoren sind auch Ressentiments innerhalb der schwarzen Community, ja sogar innerhalb der Familien immer wieder ein Thema. Wer hat die hellere Haut? Wer „verdirbt“ durch die Wahl eines dunkelhäutigeren Partners die zukünftigen Kinder? Enttäuschte Väter missbilligen, wenn ihre Töchter sich weigern, die langen Haare zu glätten, sie gar abzuschneiden. Der „Afro-Look“ – eine Frisur wird zum politischen und gesellschaftlichen Statement.
Kathleen Collins probiert in ihren vielschichtigen Storys verschiedenste Erzählstimmen – Mann/Frau, alt/jung, Ich/Er/Sie – und Textformen aus. Alle sind sehr spontan, knapp, authentisch und einfühlsam. Mir ihnen wird eine interessante Stimme der afroamerikanischen Literatur, die auch heute noch relevant und wichtig ist, endlich wieder lebendig.
Eine schöne Rezension findet ihr auf Sätze und Schätze
Beitragsbild: Couples via Pixabay
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KATHLEEN COLLINS – Nur einmal
Storys
Aus dem amerikanischen Englisch von Brigitte Jakobeit und Volker Oldenburg
Kampa Verlag Oktober 2018, 192 Seiten | Hardcover mit Schutzumschlag, € 20,–
Liebe Petra, authentisch empfinde ich auch als die richtige Beschreibung. Mir war beim Lesen manchmal zumute, als wäre ich fast im Gespräch mit der Autorin. Mich hat dieses Direkte, Unmittelbare sehr angesprochen.
Herzlichen Dank auch für Deinen Link zu meiner Rezension, das freut mich sehr,.
Viele Grüße von Birgit
Sehr gerne. Liebe Grüße zurück!