Die vom Literaturhaus Frankfurt initiierte und wegen des zu recht erwarteten Besucheransturms im Schaupielhaus stattfindende Veranstaltung war in Windeseile ausverkauft. Der 1948 geborene T.C. Boyle ist nicht nur einer der bekanntesten und erfolgreichsten US-amerikanischen Schriftsteller, sondern, so der Titel einer unlängst auf arte ausgestrahlten Dokumentation, der „Rockstar der amerikanischen Literatur“, ein wahrer Kultautor. Dazu trägt sicher seine bewegte Vergangenheit als Kind von Alkoholiker-Eltern, Hippie und Drogenkonsument bei, über die er stets mit großer Offenheit berichtet hat. Ihm, dem Sohn eines Busfahrers, gelang der „American Dream“, der Aufstieg. Nach dem B.A. in Englisch und Geschichte arbeitete er als High School Lehrer und erwarb 1977 den Doktortitel Ph.D. in englischer Literatur. Neben der Lehrtätigkeit an der University of Southern California veröffentlicht er seit 1982 bisher siebzehn Romane und zahlreiche Erzählungen. Dabei behielt er immer sein besonderes Erscheinungsbild und seine große Verbundenheit zur Natur bei.
Eine besonders große und treue Fan-Gemeinde hat T.C. Boyle seither in Deutschland. Und auch er scheint eine gewisse Verbundenheit zu zeigen, erschien doch gerade sein jüngster Roman „Das Licht“ noch vor der Originalausgabe hier bei Hanser.
Die erste Frage von Moderator Martin Scholz galt denn auch dieser besonderen Beziehung. Was T.C. Boyle dann mit einem Wort beantwortete: „Love“. „Love is all you need.“ Natürlich hatte der Autor spätestens da alle Zuhörer in der Tasche.
Ein gern von Boyle gewähltes Sujet für seine Bücher sind historische Persönlichkeiten in ihren Zeitverhältnissen, vorzugsweise wahre „Guru“-Gestalten wie John Harvey Kellogg in „Willkommen in Wellville“, Alfred C. Kinsey in „Dr.Sex“ oder Frank Lloyd Wright in „Die Frauen“. Und auch sein neues Buch „Das Licht“ kreist um solche historischen Gestalten, nämlich den US-amerikanischen Psychologen Timothy Leary, der wegen seiner Experimente mit LSD und seinem Kampf für dessen Legalisierung zum „Guru“ der Hippie-Bewegung wurde und den „Erfinder“ des LSDs, den Chemiker Albert Hofmann, der eigentlich ein Kreislaufstimulans zu finden hoffte.
Auf die Frage, warum er gerne über solche „Gurus“ schreibe, antwortete Boyle, dass er sich vor allem für die Motivation der Anhänger interessiere. Warum folgen Menschen einem anderen? Er selbst bezeichnet sich eher als „Leader“, deshalb sein Interesse.
Seine eigene Beziehung zu LSD, das er in seiner Jugend einige Male konsumiert habe, beschrieb er als eben die Suche nach dem „Licht“, nach Gott. Erst die tiefe Liebe zur Literatur und das eigene Schreiben haben ihn letztlich von den Drogen weggebracht. Ein Leben ohne das Schreiben könne er sich nicht vorstellen. Andere „Stimuli“ sind für ihn vor allem die Natur, in die er sich immer wieder zurückzieht, die Einsamkeit der Wälder, das Lesen, die Musik. Und, mit einem Augenzwinkern, der Rotwein.
Das Schreiben selbst, davon ist er überzeugt, lässt sich nicht wirklich lernen. Writing-Kurse dienen deshalb auch in erster Linie der Ermunterung und Bestärkung von Talenten. So habe es auch sein Mentor, der Schriftsteller John Irving, mit ihm getan. Technik und Stil erwirbt man sich durch das Lesen mehr als durch Unterricht. Außer Talent benötigt man dann noch eine gewisse Professionalität und Disziplin. Für ihn war „Schriftsteller“ lange Zeit gar kein Beruf im eigentlichen Sinn, sondern eine Möglichkeit, zu leben.
Seit ca. dreieinhalb Jahren twittert T.C.Boyle recht ausgiebig und unterhält seine Follower mit alltäglichen Bildern, gerne auch mit, so Martin Scholz, „rat content“ statt „cat content“, da er regelmäßig Ratten in Lebendfallen fange und diese zu seinen Models mache. Es ist weniger das Mitleid mit den Ratten, die ihn dazu bringen, die Gefangenen bis zu 5 Meilen weit zu fahren und dort auszusetzen, als die Einsicht in die Intelligenz der Tiere. Stürbe eine von ihnen in den Fallen, gingen ihre Artgenossen niemals wieder hinein. Die Erdnussbutter in den Lebendfallen bleibt aber auch für nachfolgende Generationen weiterhin interessant, wenn die Ratte überlebt. Auch Vogel-Fotos zieren regelmäßig seinen Twitter-Kanal (diese werden aber natürlich nicht gefangen). Insgesamt ist Twittern für ihn ein Spaß, eine „Performance art“, ein „great way of communication“. Die Gefahr, davon abhängig zu werden, wie andere US-amerikanische Größen, sieht er für sich nicht. Er nimmt sich genügend „Time out“ in der Natur, mit Büchern.
Ein weiteres Thema war „Woodstook“. T.C.Boyle besitzt immer noch seine Original-Eintrittskarten aus dem Jahr 1969. Für ihn war es damals „better than going to school“, ein geplantes Revival zum 50. Jahrestag wäre aber nichts mehr für ihn, schon damals haben ihn und seine Freunde die „Folkis“ nicht interessiert. Sie als Rocker sind erst am Samstag angereist, als ein Großteil der Gäste, auch wegen des schlechten Wetters und der furchtbaren Bedingungen auf dem schlammigen Grund, schon wieder aufgebrochen war. Die erste Band, an die er sich erinnern kann, war Santana. Eine Anekdote erzählte Boyle noch. Stundenlang saß hinter ihnen ein Typ, der pausenlos eine weiße Fahne schwenkte. Sie rätselten was das bedeuten könnte. Erst am nächsten Tag stieß dann dessen Familie zu ihm.
Angesprochen auf die neue Drogenepidemie, von der man in den USA spricht, nennt Boyle die Hoffnungslosigkeit der Menschen als Grund, die Aussichtslosigkeit und Perspektivlosigkeit vieler Menschen im heutigen Amerika. Ende der 90er Jahre saß Boyle tatsächlich mit dem jetzigen Präsidenten Trump (und Angels Lansbury von „Mord ist ihr Hobby“) auf einer Buchmesse in Las Vegas auf dem Podium. Schon damals war ihm der Typ, der ein Buch darüber schrieb, wie man noch mehr Geld verdienen kann, aber nicht einmal den Namen seines Ghostwriters, der im Publikum saß, präsent hatte, fremd. Martin Scholz würde gerne wissen, welche Frage er ihm nach Ende seiner Präsidentschaft stellen würde, wenn er noch einmal eine solche Gelegenheit hätte. Für T.C.Boyle ein unvorstellbares Szenario. „Not possible. He will be in prison then.“ Er lacht, als würde er selbst nicht recht daran glauben.
Neben dem Gespräch las T.C. Boyle zwei kürzere Passagen im Original. Einen längeren deutschen Abschnitt trug der Frankfurter Schauspieler Christoph Pütthoff ganz großartig vor.
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Am Ende bildete sich eine endlose Schlange vor dem Signiertisch. Bekannt entspannt und freundlich erfüllte Boyle alle Signierwünsche.