Susan Hill – Stummes Echo

Das Leben ist rau und einfach im Farmhaus auf dem Beacon, in einem abgelegenen, düsteren Teil Nordenglands. John und Bertha Prime übernahmen die Farm von Johns Eltern, ein wenig Land, Milchkühe, Schweine, Schafe, Hühner. Einfache, anständige, hart arbeitende Menschen, denen viele Worte fremd sind. Das Leben ist einförmig, aber nicht unglücklich. Im ersten Sommer liegt Bertha dreizehn Stunden in den Wehen, weil alle auf dem Feld sind, das Kind lebt nur eine halbe Stunde. Das zweite ist eine Todgeburt. Es wird wenig Aufhebens gemacht, darüber gesprochen schon gar nicht. Vier weitere Kinder kommen gesund auf die Welt. Colin, Frank, May und Berenice verbringen eine unbeschwerte, recht glückliche Kindheit auf „The Beacon“. Zumindest erinnert es May so. Und so erzählt Susan Hill in „Stummes Echo“ davon.

 

May ist das dritte Kind, geboren 1942 und eine begabte Schülerin. Ihre guten Leistungen bescheren ihr ein Stipendium für die Universität in London. Doch dort befällt sie ein plötzliches „Grauen“. Panikattacken, Menschen und Orte scheinen sich mysteriös und bedrohlich zu wandeln. Es ist mehr als die Angst und das Fremdsein eines Landkindes in der Großstadt. May spricht nicht darüber, aber nach einem Jahr kehrt sie zurück zu den Eltern, schweigt.

Während der ruhige, freundliche Colin und das verwöhnte Nesthäkchen Berenice früh heiraten und Familien gründen, bleibt die pflichtbewusste, passive, ängstliche May auf der Farm und kümmert sich um die älter werdenden Eltern. 27 lange Jahre vergehen, der Vater stirbt, sie kümmert sich um die Mutter.

Familientreffen

Zu Beginn des schmalen Romans stirbt nun auch Bertha und May informiert ihre Geschwister, aber nicht Frank. Nicht den Sonderling, der schon als Kind abseits stand, still, beobachtend, ein wenig unheimlich. Und der dann bald als Journalist in Londons Fleet Street Karriere machte. Was aber dann tatsächlich zum Bruch mit der Familie, den Geschwistern führte, enthüllt Susan Hill nur ganz allmählich.

Die Autorin ist in Großbritannien sehr bekannt, für ihre ein wenig unheimlichen Kriminalromane und vor allem für ihre Schauergeschichten. Ein bisschen davon weht auch durch „The Beacon“. Hill weiß geschickt, Spannung aufzubauen und zu halten. Dabei passiert eigentlich recht wenig. Eine Beerdigung wird vorbereitet, alte Zeiten erinnert und natürlich erfährt auch Frank vom Tod seiner Mutter. Es kommt zu einem Aufeinandertreffen der Geschwister und einer unerwarteten Erbschaft.

So still und zurückhaltend die Geschichte erzählt ist, so unerbittlich und soghaft zieht sie die Leserin doch hinein und weiß zu verunsichern. Was sind die Beweggründe der Geschwister? Warum klaffen die Erinnerungen so weit auseinander? Was ist wahr? Gibt es so etwas wie „emotionale Wahrheit“ neben der faktischen?

Daneben schildert Susan Hill die raue, spröde nordenglische Landschaft und das Landleben beeindruckend. Auch das etwas, was „Stummes Echo“ aus den vielen Geschichten über dysfunktionale Familien und trügerische Erinnerungen heraushebt.

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Beitragsbild: CC0 via pxhere

 

Lektüre Februar

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Susan Hill - Stummes Echo.

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SUSAN HILL – Stummes Echo
Originaltitel: The Beacon
Aus dem Englischen von Andrea Stumpf
Kampa Verlag Februar 2019, 176 Seiten, Leinen, € 18,–

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