Norwegen ist 2019 Gastland auf der Frankfurter Buchmesse
Hjertelig velkommen, Norge!
Der Ehrengastauftritt steht unter dem Motto „Der Traum in uns“ und bezieht sich auf ein Gedicht des norwegischen Dichters Olav H. Hauge (1908-1994), der auch im Übersetzungswesen sehr aktiv war.
Im Jahr 2016 wählten es die Leser und Zuschauer des norwegischen Rundfunks NRK zum bedeutendsten norwegischen Gedicht aller Zeiten. Im Trailer zum norwegischen Ehrengastauftritt sind Olav H. Hauges Worte nicht nur zu lesen und zu sehen, sondern auch zu hören. Die Musik stammt von Bendik Baksaas : Kontraponkt. Auf der Pressekonferenz des Gastlandes auf der Frankfurter Buchmesse 2018 war der Künstler zusammen mit Fredrik Høyer und Jo David Meyer Lysne (Ferdigsnakka) als Liveact anwesend.
Das Design des Gastlandauftritts übernahm das Design Studio NODE Berlin Oslo in Zusammenarbeit mit Helge Hjort Bentsen.
Zum Ehrengasttrailer bitte das Bild anklicken.
Der Traum in uns
Det er den draumen
Det er den draumen me ber på
at noko vedunderleg skal skje,
at det må skje —
at tidi skal opna seg
at hjarta skal opna seg
at dører skal opna seg
at berget skal opna seg
at kjeldor skal springa —
at draumen skal opna seg,
at me ei morgonstund skal glida inn
på ein våg me ikkje har visst um.
(Olav H. Hauge, Dropar i austavind, Noregs boklag 1966)
Das ist der Traum
Das ist der Traum, den wir tragen,
daß etwas Wunderbares geschieht,
geschehen muß —
daß die Zeit sich öffnet,
daß das Herz sich öffnet,
daß Türen sich öffnen,
daß der Berg sich öffnet,
daß Quellen springen —
daß der Traum sich öffnet,
daß wir in einer Morgenstunde gleiten
in eine Bucht, um die wir nicht
wußten.
(Olav H. Hauge, Gesammelte Gedichte, Edition Rugerup 2012)
Übersetzung des Gedichts ins Deutsche von Klaus Anders.
Gastland auf der Frankfurter Buchmesse
Seit 1988 hat die Frankfurter Buchmesse in jedem Jahr ein anderes Land zu Gast. Dieses gestaltet auf der Messe, aber zunehmend auch außerhalb, ein umfassendes Literatur- und Kulturprogramm und einen sogenannten Ehrengastpavillon. An viele dieser Gastlandauftritte kann ich mich noch sehr gut erinnern. An den Auftakt mit Italien 1988 etwa, welcher mich bestärkte, Italienisch zu lernen. Oder Spanien 1991, weil mir das Land so am Herzen liegt. Oder aber der sehr umstrittene Auftritt Chinas 2009.
Bahnbrechend war aber wohl derjenige im Jahr 2011 des kleinen Islands, das seine Besucher regelrecht bezauberte und Maßstäbe setzte. Auch in bleibender Erinnerung: die spiegelnde Wasserfläche, die Neuseeland ein Jahr später in die Messehalle 1 gezaubert hat, begleitet von beeindruckenden Maori-Tanzvorführungen. Sehr engagiert traten 2016 auch die Niederlande und Flandern auf. Täglich wurde eine künstlerische Messezeitung gestaltet, gedruckt und an die Besucher verteilt. Außerdem gab es Pommes 😉
Niederlande und Flandern 2016
Frankreich 2017
Pavillon von Georgien 2018:
Der Ehrengast
Aber wozu eigentlich ein Ehrengast? Die Frankfurter Buchmesse formuliert ihre Intentionen wie folgt:
Ein zentrales Anliegen der Frankfurter Buchmesse ist es, die Verlagsbranche und Kulturinstitutionen des jeweiligen Landes international stärker zu vernetzen, seine Literatur international bekannt zu machen und die Anzahl von Übersetzungen aus dem Land zu steigern. Dazu legt der Ehrengast in der Regel ein Übersetzungsförderungsprogramm auf. Für die Buchbranche heißt das: Stärkung des Lizenzhandels, Ausbau der internationalen Verlagskontakte – auch über das Ehrengastjahr hinaus.
Und die Branche profitiert von der verstärkten Aufmerksamkeit, Autorenpromotion und Verlagspräsenz auf der größten Buchmesse der Welt.Für die Leser und die breite Öffentlichkeit eröffnet der Ehrengastauftritt einen neuen Zugang zur Literatur und Kultur des Landes. In den Medien erfährt das Land ein immenses Interesse (Erwähnung in rund 5.000 Medienberichten).Der Ehrengastauftritt setzt Impulse für eine intensive Auseinandersetzung mit dem Land – es entsteht eine große Aufmerksamkeit für Politik, Geschichte und Gegenwart des Landes. Das kulturelle Rahmenprogramm des Ehrengastes trägt zur (nachhaltigen) Etablierung von internationalen kulturellen Beziehungen bei, fördert kulturellen Austausch, Dialog und nicht zuletzt den Tourismus.
Gastland Norwegen
Dieses Jahr ist nun Norwegen zu Gast in Frankfurt. Ein Land nicht nur mit einer reichen Buch- und Lesekultur, sondern auch ein Land, das sich besonders auch auf dem Gebiet der Meinungs- und Pressefreiheit weltweit hervorhebt. Norwegen belegt auch in diesem Jahr, zum dritten Mal in Folge, den Platz 1 auf der Rangliste der Pressefreiheit. Ein Punkt, der bereits im letzten Jahr bei der Vorstellung sowohl von Seiten der Kultusministerin Trine Skei Grande und der norwegischen Organisatoren als auch von der Frankfurter Buchmesse und ihrem Direktor Jürgen Boos betont wurde. Projektleiter Halldór Guðmundsson formuliert das so:
Die freie Meinungsäußerung ist existenziell für die Literatur und Voraussetzung dafür, dass wir unsere Geschichten, unsere Kultur und unsere Gesellschaft in der Welt bekannt machen können. Sie ist das wahre Element der Demokratie. In diesem Sinne werden wir nicht nur AutorInnen aus Norwegen nach Frankfurt mitnehmen, sondern auch AutorInnen, die in Norwegen Zuflucht gesucht haben. 60 Städte auf der Welt sind ICORN-Zufluchtsorte, 17 davon in Norwegen. Wir möchten mit der Welt in den Dialog treten und die Gelegenheit nutzen, uns selbst zu hinterfragen.
Zu diesem Punkt wird es in Frankfurt zahlreiche Veranstaltungen geben.
Fakten über Norwegen
Hier ein paar Fakten über Norwegen, das Gastland der Frankfurter Buchmesse, wie es sich auf der offiziellen Seite zum Buchmessenauftritt präsentiert:
Das Kongeriket Norge (Königreich Norwegen), so der offizielle Name, besteht aus den westlichen und nördlichen Teilen der skandinavischen Halbinsel sowie den arktischen Inselgruppen Jan Mayen und Svalbard.
Seine Gesamtfläche beträgt 385.199 km² (Bundesrepublik Deutschland: 357.121 km²). Auf der Südhalbkugel gehören drei Inseln im Südpolarmeer zum Königreich, sie sind jedoch aufgrund des Antarktis-Vertrages international nicht vollständig als norwegisches Staatsgebiet anerkannt: die Bouvetinsel, die Peter-I.-Insel sowie das Königin-Maud-Land.
Norwegen gehört nicht der Europäischen Union an. Das Land bildet mit Island, Liechtenstein und der Schweiz die Europäische Freihandelsassoziation, die indes nahezu alle EU-Richtlinien erfüllt. Die Landeswährung ist die norwegische Krone.
Die Hauptstadt Oslo ist mit etwa 640.000 Einwohnern die größte Stadt Norwegens. Die zweitgrößte Stadt mit knapp 272.000 Einwohnern ist Bergen. Die bekannten Wintersportorte Lillehammer und Hamar ausgenommen, liegen alle größeren norwegischen Städte an der Küste. Dank seines großen Wasserreichtums kann das Land 99 Prozent seiner Elektrizität aus Wasserkraft beziehen. Die Öl- und Erdgasvorkommen vor seiner Küste haben Norwegen, gemessen am Pro-Kopf-Einkommen, zu einem der reichsten Länder der Welt gemacht.
Kultur- und Literaturland Norwegen
Norwegens Hauptstadt Oslo trägt den Titel „European Green Capital 2019“, eine Anerkennung für das Engagement der Bevölkerung, der Stadtplaner und der Verwaltung für ein grünes Lebensgefühl auch im Zentrum der Stadt.
Die nördlich von Oslo gelegene Stadt Lillehammer ist UNESCO Stadt der Literatur und eine der wichtigsten Kulturstädte in Norwegen. Hier findet jedes Jahr im Mai das größte literarische Festival in der nordischen Region, das Norway Literature Festival statt. 6 Tage – 25.000 Besucher – 400 Schriftsteller und Künstler aus aller Welt!
Zu den Folgen der langen dänischen Herrschaftsperiode gehört der bemerkenswerte Umstand, dass es in Norwegen zwei offizielle Schriftsprachen gibt: bokmål und nynorsk. Das bokmål, die „Buchsprache“, ist dem Dänischen immer noch viel ähnlicher als die zweite Sprache, die nynorsk heißt. Die Schaffung einer „wahren norwegischen Sprache“ war Ausdruck des ab 1814 erstarkenden Nationalgefühls und Teil der Bestrebungen, sich in allem von Dänemark abzusetzen. Der Name nynorsk führt allerdings in die Irre, denn das Neunorwegisch basiert auf alten Dialekten, vor allem von der Westküste. In einigen Bezirken Nordnorwegens gibt es Bemühungen, Samisch gleichberechtigt neben die anderen beiden Landessprachen zu stellen.
Das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert war eine Glanzzeit der kulturellen Erneuerung. Norweger wie Edvard Munch, Knut Hamsun, Henrik Ibsen oder Edvard Grieg verstanden es, Facetten ihrer nordischen Heimat so radikal mit (teilweise skandalös wirkendem) Neuem zu verbinden, dass sie zu abendländischen Ikonen wurden.
Modernes Norwegen
Auch gesellschaftlich ist Norwegen eines der modernsten Länder der Welt. So führte es schon 1913 (als zweites europäisches Land nach Finnland) das allgemeine Wahlrecht für Frauen ein. 1981 erwies sich das Land wieder als Vorreiter: Als weltweit erstes Land verabschiedete man ein Gesetz, das die Diskriminierung von Homosexuellen verbot, 1993 begann die rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher und heterosexueller Paare, seit 2009 ist sie erreicht.
Norwegen stellt ein perfektes Gastland auf der Frankfurter Buchmesse dar. Ich bin gespannt, ob es die hohen Erwartungen erfüllen wird.
Auf der Pressekonferenz im Juni in Frankfurt wurde auch der Siegerentwurf für die 2.300 Quadratmeter große Ausstellungshalle präsentiert:
Das Konzept, das die beiden Architekturbüros LCLA und manthey kula gemeinsam entwarfen, zeichnet eine imaginäre Geografie der norwegischen Literatur. Der Entwurf verbindet einen Bereich für größere Veranstaltungen und eine ausgedehnte Innenlandschaft aus tischartigen Objekten, die skulptural-abstrakt und zugleich narrativ-verspielt sind.
Ihr Design ist inspiriert von norwegischen Gedichten und greift Ausstattungsdetails berühmter Bibliotheken auf – von Louis Kahns Leseplätzen in Exeter bis zu Gunnar Asplunds Trinkwasserbrunnen in Stockholm. Dabei bietet der Pavillon Platz für die internationale Buchausstellung „Books on Norway“, zwei Bühnen für Buchvorstellungen und andere Programmpunkte sowie ein Café.
Quelle: Pressemappe Frankfurter Buchmesse
In der Ausstellung „Books on Norway“ sind rund 600 Titel norwegischer Autor*innen und Bücher über Norwegen zu sehen.
Zur Messe werden mehr als 100 norwegische Autoren und IKH Kronprinzessin Mette-Marit als Botschafterin der norwegischen Literatur anreisen. Unzählige Veranstaltungen sind geplant. Eine Übersicht und persönliche Auswahl wird auch Teil meines Spezials sein. Bis zur Messe möchte ich euch regelmäßig (angedacht ist jeden Sonntag) Interessantes über das Gastland erzählen. Geplant sind noch folgende Beiträge:
15.09.2019 – Norwegische Literatur – Tradition und Moderne, Autoren und Autorinnen
22.09.2019 – Norwegischer Buchmarkt und Literaturförderung
29.09.2019 – Veranstaltungen zum Gastland Norwegen auf der Frankfurter Buchmesse
06.10.2019 – Norwegische Literatur – Neuerscheinungen in Deutschland 2019 #1
13.09.2019 – Norwegische Literatur – Neuerscheinungen in Deutschland 2019 #2
Ich freue mich sehr auf den Gastland-Auftritt Norwegens und bedauere es, damals nicht jenen Islands gesehen zu haben. Ich habe Norwegens Präsentationen zuletzt in Leipzig und im Vorjahr in Frankfurt gesehen, es beeindruckend, wie viel Energie und Leidenschaft das Land in seinen Auftritt investiert, und nicht nur in Bezug auf die Literatur, sondern auch in Bezug auf Kunst und Musik. Viele Grüße
Ich bin auch ganz begeistert, auch ohne deinen persönlichen Bezug. Es gibt immer wieder Gastländer, die sehr mitreißen können. Ich bin da sehr gespannt.
Welch ein schöner, informativer Beitrag! Ganz herzlichen Dank!
Dankeschön!
Habe übrigens Hauge schon vor längerer Zeit entdeckt und vorgestellt:
https://literaturleuchtet.wordpress.com/2015/07/15/161/
Ich bin ja ein relativer Lyrik-Amateur und freue mich immer über solche Entdeckungen. Viele Grüße!