Seit heute ist sie wieder offiziell: Deutscher Buchpreis 2019 – Die Shortlist mit den sechs Romanen, die zur Wahl des Deutschen Buchpreises 2019 anstehen.
Am 14. Oktober wird dann der Sieger im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse im Frankfurter Römer gekürt. Dieser erhält ein Preisgeld von 25.000 Euro, die anderen Shortlist-Platzierten jeweils 2.500 Euro. Zudem kurbelt der Preis erfahrungsgemäß die Verkaufszahlen kräftig an.
Auch dieses Jahr begleiten Buchblogger den Preis. Zwanzig „Paten“ besprachen jeweils einen der Longlist-Titel.
Unter dem Hashtag #buchpreisbloggen können ihre Beiträge auf verschiedenen Social Media Känälen oder auf https://www.deutscher-buchpreis-blog.de verfolgt werden.
Auf der Longlist standen dieses Jahr folgende Bücher:
Nora Bossong: Schutzzone (Suhrkamp, September 2019)
Jan Peter Bremer: Der junge Doktorand (Berlin Verlag, September 2019)
Raphaela Edelbauer: Das flüssige Land (Klett-Cotta, August 2019)
Andrea Grill: Cherubino (Paul Zsolnay, Juli 2019)
Karen Köhler: Miroloi (Carl Hanser, August 2019)
Miku Sophie Kühmel: Kintsugi (S. Fischer, August 2019)
Angela Lehner: Vater unser (Hanser Berlin, Februar 2019)
Emanuel Maeß: Gelenke des Lichts (Wallstein, Februar 2019)
Alexander Osang: Die Leben der Elena Silber (S. Fischer, August 2019)
Katerina Poladjan: Hier sind Löwen (S. Fischer, Juni 2019)
Lola Randl: Der Große Garten (Matthes & Seitz Berlin, März 2019)
Tonio Schachinger: Nicht wie ihr (Kremayr & Scheriau, September 2019)
Norbert Scheuer: Winterbienen (C.H.Beck, Juli 2019)
Eva Schmidt: Die untalentierte Lügnerin (Jung und Jung, März 2019)
Saša Stanišić: Herkunft (Luchterhand, März 2019)
Marlene Streeruwitz: Flammenwand. (S. Fischer, Mai 2019)
Jackie Thomae: Brüder (Hanser Berlin, August 2019)
Ulrich Woelk: Der Sommer meiner Mutter (C.H.Beck, Januar 2019)
Norbert Zähringer: Wo wir waren (Rowohlt, März 2019)
Tom Zürcher: Mobbing Dick (Salis, März 2019)
Eine doch recht überraschende Longlist mit sieben (!) Debütromanen und doch einigen recht gefälligen Titeln. Ich denke, dass der Blick auf die Marktgängigkeit in den letzten Jahren schon etwas zugenommen hat. In meinem Beitrag zur Longlist stelle ich die Romane vor.
Folgende sechs Bücher haben es nun auf Die Shortlist Deutscher Buchpreis 2019 geschafft:
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Norbert Scheuer – Winterbienen
Januar 1944: Während über der Eifel britische und amerikanische Bomber kreisen, gerät der wegen seiner Epilepsie nicht wehrtaugliche Egidius Arimond in höchste Gefahr. Er bringt nicht nur als Fluchthelfer jüdische Flüchtlinge in präparierten Bienenstöcken über die Grenze, er verstrickt sich auch in Frauengeschichten.
Mit großer Intensität erzählt Norbert Scheuer in „Winterbienen“ einfühlsam, präzise und spannend von einer Welt, die geprägt ist von Zerstörung und dem Wunsch nach einer friedlichen Zukunft.
HERKUNFT ist ein Buch über den ersten Zufall unserer Biografie: irgendwo geboren werden. Und was danach kommt. HERKUNFT ist ein Buch über meine Heimaten, in der Erinnerung und der Erfindung. Ein Buch über Sprache, Schwarzarbeit, die Stafette der Jugend und viele Sommer. Den Sommer, als mein Großvater meiner Großmutter beim Tanzen derart auf den Fuß trat, dass ich beinahe nie geboren worden wäre. Den Sommer, als ich fast ertrank. Den Sommer, in dem Angela Merkel die Grenzen öffnen ließ und der dem Sommer ähnlich war, als ich über viele Grenzen nach Deutschland floh.
HERKUNFT ist ein Abschied von meiner dementen Großmutter. Während ich Erinnerungen sammle, verliert sie ihre. HERKUNFT ist traurig, weil Herkunft für mich zu tun hat mit dem, das nicht mehr zu haben ist. In HERKUNFT sprechen die Toten und die Schlangen, und meine Großtante Zagorka macht sich in die Sowjetunion auf, um Kosmonautin zu werden. Diese sind auch HERKUNFT: ein Flößer, ein Bremser, eine Marxismus-Professorin, die Marx vergessen hat. Ein bosnischer Polizist, der gern bestochen werden möchte. Ein Wehrmachtssoldat, der Milch mag. Eine Grundschule für drei Schüler. Ein Nationalismus. Ein Yugo. Ein Tito. Ein Eichendorff. Ein Saša Stanišić.
Hier geht es zu meiner Rezension dieses großartigen Buchs.
Kintsugi ist das japanische Kunsthandwerk, zerbrochenes Porzellan mit Gold zu kitten. Diese Tradition lehrt, dass Schönheit nicht in der Perfektion zu finden ist, sondern im guten Umgang mit den Brüchen und Versehrtheiten. Es ist Wochenende. Wir sind in einem Haus an einem spätwinterlichen See, das Licht ist hart, die Luft ist schneidend kalt, der gefrorene Boden knirscht unter unseren Füßen. Gerade sind Reik und Max angekommen, sie feiern ihre Liebe, die nun zwanzig ist. Eingeladen sind nur ihr ältester Freund Tonio und seine Tochter Pega, so alt wie die Beziehung von Max und Reik. Sie planen ein ruhiges Wochenende. Doch ruhig bleibt nur der See.
TONIO SCHACHINGER – Nicht wie ihr
Ivo wusste immer schon, dass er besonders ist. Besonders cool, besonders talentiert, besonders attraktiv. Alle wussten es, seine Familie, seine Jugendtrainer, seine Freunde im Käfig. Jetzt ist er einer der bestbezahlten Fußballer der Welt. Er verdient 100.000 Euro in der Woche, fährt einen Bugatti, hat eine Ehefrau und zwei Kinder, die er über alles liebt. Doch als seine Jugendliebe Mirna ins Spiel kommt, gerät das sichere Gerüst ins Wanken.
Wie koordiniert man eine Affäre, wenn man eigentlich keine Freizeit hat? Lässt Ivos Leistung auf dem Spielfeld nach? Und was macht eigentlich seine Frau, während er nicht da ist? Einmal in Ivos Gedankenwelt eingetaucht, lässt sich Tonio Schachingers Debütroman schwer aus der Hand legen. Es ist nämlich dieser rotzige, witzige und originelle Ton des Erzählers, der vom ersten Satz an fesselt. Gespickt mit Wiener Milieusprache und herrlichen Fußballmetaphern gibt der Roman Einblick in das Schauspiel des Profisports und entlarvt seine Spieler als Schachfiguren auf einem kapitalistischen Spielfeld.
Zwei Männer. Zwei Möglichkeiten. Zwei Leben. Jackie Thomae stellt die Frage, wie wir zu den Menschen werden, die wir sind. Mick, ein charmanter Hasardeur, lebt ein Leben auf dem Beifahrersitz, frei von Verbindlichkeiten. Und er hat Glück – bis ihn die Frau verlässt, die er jahrelang betrogen hat. Gabriel, der seine Eltern nie gekannt hat, ist frei, aus sich zu machen, was er will: einen erfolgreichen Architekten, einen eingefleischten Londoner, einen Familienvater. Doch dann verliert er in einer banalen Situation die Nerven und steht plötzlich als Aggressor da – ein prominenter Mann, der tief fällt. Brüder erzählt von zwei deutschen Männern, geboren im gleichen Jahr, Kinder desselben Vaters, der ihnen nur seine dunkle Haut hinterlassen hat. Die Fragen, die sich ihnen stellen, sind dieselben. Ihre Leben könnten nicht unterschiedlicher sein.
Raphaela Edelbauer – Das flüssige Land
Ein Ort, der nicht gefunden werden will. Eine österreichische Gräfin, die über die Erinnerungen einer ganzen Gemeinde regiert. Ein Loch im Erdreich, das die Bewohner in die Tiefe zu reißen droht. In ihrem schwindelerregenden Debütroman geht Raphaela Edelbauer der verdrängten Geschichte auf den Grund. Der Unfalltod ihrer Eltern stellt die Wiener Physikerin Ruth vor ein nahezu unlösbares Paradox. Ihre Eltern haben verfügt, im Ort ihrer Kindheit begraben zu werden, doch Groß-Einland verbirgt sich beharrlich vor den Blicken Fremder.
Als Ruth endlich dort eintrifft, macht sie eine erstaunliche Entdeckung. Unter dem Ort erstreckt sich ein riesiger Hohlraum, der das Leben der Bewohner von Groß-Einland auf merkwürdige Weise zu bestimmen scheint. Überall finden sich versteckte Hinweise auf das Loch und seine wechselhafte Historie, doch keiner will darüber sprechen. Nicht einmal, als klar ist, dass die Statik des gesamten Ortes bedroht ist. Wird das Schweigen von der einflussreichen Gräfin der Gemeinde gesteuert? Und welche Rolle spielt eigentlich Ruths eigene Familiengeschichte? Je stärker sie in die Verwicklungen Groß-Einlands zur Zeit des Nationalsozialismus dringt, desto vehementer bekommt Ruth den Widerstand der Bewohner zu spüren. Doch sie gräbt tiefer und ahnt bald, dass die geheimnisvollen Strukturen im Ort ohne die Geschichte des Loches nicht zu entschlüsseln sind.
Einiges wie erwartet – Saša Stanišić – HERKUNFT und Norbert Scheuer – Winterbienen, weil beide sowohl inhaltlich als auch sprachlich ganz großartig sind und durchweg auch in der Kritik hoch gelobt wurden.
Jackie Thomae – Brüder habe ich mir sehr gewünscht. Es ist ein Buch, das ich zunächst gar nicht auf dem Schirm hatte, dessen Leseprobe mir aber von allen zwanzig Longlisttitel am allerbesten gefallen hat und das ich mir dann noch schnell besorgt habe. Eine meiner ganz großen Favoritinnen.
Gefreut hat es mich auch für Miku Sophie Kühmel – Kintsugi, die zwar allseits gelobt wurde, aber das Buch ist eher ein zartes, leises, deshalb war ich mir nicht sicher, ob es den Sprung auf die Shortlist schaffen würde.
Am überraschendsten war für mich die Wahl von TONIO SCHACHINGER – Nicht wie ihr. Mir persönlich war die Leseprobe zu schnodderig, laut, aber der freche, frische Ton wird ja von den Jurys immer wieder gesucht (um nicht zu altbacken dazustehen ;)) – Hool war da ja vor enigen Jahren ein gutes Beispiel. Mich interessiert das Fußballgeschäft und alles drum herum auch einfach nicht, deshalb war ich beim beiseitelegen viellericht auch zu schnell – da schau ich nochmal rein.
Und schließlich Raphaela Edelbauer – Das flüssige Land. Dieses Buch ist einfach zu sehr so, wie ich Bücher gar nicht mag (künstlich aufgeladene Sprache, Metaphern, die für mich nicht stimmen, schwere Bedeutung, Fantastik, Irrealität, Kafka), dass es für mich trotz Shortlist einfach raus ist. Da werde ich wohl eher nicht weiterlesen. Sollte es den Preis bekommen, was ich durchaus als möglich ansehe (viele Leser*innen mögen genau das, was ich nicht mag), stehe ich dann in der Zwickmühle: Nur einmal in der mittlerweile ziemlich langen Geschichte des Deutschen Buchpreises habe ich mir das Gewinnerbuch nicht angeschafft (und signieren lassen), und zwar bei Frank Witzel. Das hatte ich so ca. 2/3 durch, aber dann musste ich es leider in die Ecke pfeffern (zum Glück nur geliehen). Schade, denn Frank Witzel ist nicht nur sehr sympathisch, sondern auch noch Offenbacher 😉
Wie ist eure Meinung zu dieser Liste? Sind eure Favoriten drauf? Wer fehlt? Und wer hat eurer Meinung nach die besten Chancen, am 14. Oktober den Preis zugesprochen zu bekommen?
Eine schöne Übersicht über bisher zu den Titeln veröffentlichte Rezensionen bietet wiedereinmal Die Buchbloggerin.
Beitragsbild: Pressebild Deutscher Buchpreis ©vntr.media
Hallo,
„Kintsugi“ lese ich zur Zeit und bin bisher sehr angetan. Die Geschichte ist allerdings gerade erst an dem Punkt angekommen, wo die inneren Versehrtheiten der Protagonisten anfangen, auch nach außen sichtbar zu werden – da kommen also sicher noch einige Irrungen und Wirrungen. Mir gefällt, wie subtil sich Brüche und Splitter als Leitmotiv durchs Buch ziehen.
Die anderen Bücher der Shortlist warten hier schon darauf, gelesen zu werden. Ab Mitte nächster Woche werde ich wohl Zeit genug haben, sie noch vor Preisverleihung zu lesen.
Mal schauen, vielleicht werde ich dann dieses Jahr auf den Sieger tippen! (Letztes Jahr lag ich voll daneben.)
Zu „Das flüssige Land“ habe ich schon sehr unterschiedliche Meinungen gehört! Ich erwarte aber, dass mir das Buch liegen wird, da ich kafkeske Geschichten oft mag, sofern sie gut geschrieben sind. (Den Vogelgott mochte ich letztes Jahr zum Beispiel sehr.)
Für „Nicht wie ihr“ kann ich beim besten Willen bisher kein rechtes Interesse aufbringen. (Es gibt wenig, was mich weniger interessiert als Fußball!) Ich denke, ich lese erstmal die anderen und gucke es mir dann nochmal näher an.
Mir hat „Vater unser“ sehr gut gefallen, deswegen fand ich schade, dass es den Sprung auf die Shortlist nicht geschafft hatte, aber ich warte jetzt erstmal ab, wie ich die Shortlist-Bücher finde.
LG,
Mikka
Hallo Mikka, Kintsugi muss ich auch noch lesen, genauso wie einige andere Titel der Long- und Shortlist. Ich bin dieses Jahr ein wenig abgelenkt vom Buchpreis durch mein Norwegen-Projekt. Angelesen habe ich einige der Titel, dann aber erst einmal weggelegt. Ich freue mich aber sehr auf die Lektüre, auch wenn dann die Entscheidung vllt. schon gefallen ist. Mein Favorit ist im Moment Norbert Scheuer. Mal schauen. Und Angela Lehner hat ja nun den Franz-Tumler-Preis bekommen. Und vllt. sehen wir sie ja auch beim Debütpreis wieder. Viele Grüße, Petra
Ich freue mich auch sehr für die Winterbienen. Mein großer Tipp ist „Herkunft“, das einen Start-Ziel-Sieg einfahren wird. Aber wer weiß, vielleicht kommt doch alles anders als gedacht?
Gegen Herkunft spricht eigentlich nur, dass das zu glatt gehen würde: allseits gelobt, überall Favorit. Reizt das nicht zum Unerwarteten, zum anderen, noch nicht so erfolgreichen Buch? Verdient hätte es den Preis, aber auch Winterbienen (z.B.). Ich bin wirklich gespannt, was sich da durchsetzt.
Zwei erwartete, ein erwünschtes, zwei an-, eins noch garnicht gelesen. Das Fußballbuch versuche ich mir noch anzuschaffen, obwohl ich wenig davon erwarte. Das Flüssige Land ist zwiespältig. Ein guter Titel um zu zeigen, warum „Kafkaeskes“ schreiben in der Regel nicht funktioniert, unter den gezwungen-deutsch(bzw österreichisch)-tiefen Büchern aber durchaus noch eines der besseren.
Beim flüssigen Land bin ich, wie gesagt, raus. In „das Fußballbuch“ will ich auch nochmal reinschauen, aber auch ich erwarte da für mich nicht viel. Thomae habe ich noch nicht ganz gelesen, Kitsungi halte ich für etwas überbewertet. Die anderen beiden hätten schon mal meinen Segen. Welches war dein erwünschtes?
Scheuer, obwohl ungelesen. War bisher immer mindestens überdurchschnittlich. Meine Wunschliste:
Katerina Poladjan, Hier sind Löwen (gelesen, top)
Saša Stanišić, Herkunft (gelesen, bisserl bemüht aber ganz gut)
Raphaela Edelbauer, Das flüssige Land (gelesen, gezwungen „kafkaesk“, aber auf diesem Markt mutig)
Nora Bossong, Schutzzone (schreibt eigtl immer überdurchschnittlich)
Norbert Scheuer, Winterbienen (cf. Bossong)
Norbert Zähringer, Wo wir waren (klingt interessant, kann auch Mist sein)
Ich glaube, du wirst nicht enttäuscht sein. Poladjan mochte ich beim Anlesen auch, bin aber noch nicht weitergekommen. Edelbauer wie gesagt, bin ich raus, aber Bossong hätte ich auch gerne auf der Shortlist gesehen. Mal schauen, wer das Rennen macht. Viele Grüße!
Über Stanisic und Scheuer freue ich mich. Mir fehlen Bremer und Bossong. Beide gerade ausgelesen und höchst begeistert von Sprache und Inhalt. Aber in der Tat versprechen beide wohl eher keine großen Verkaufserfolge, was schon ein Zeichen ist, für die Richtung, in die es geht …
Viele Grüße!
Bossong fehlt mir auch. Den Bremer habe ich beiseite gelegt, weil mich das Buch zu sehr an den Amerikanischen Investor erinnert hat, was ich einerseits ganz gut, andererseits aber auch wieder nicht fand. Vielleicht liege ich da ja falsch. Ich mochte auch den Osang ganz gerne, aber ich glaube, epische Familiengeschichten sind beim Buchpreis erst mal durch. Viele Grüße!
Bossong verspricht keine Verkaufszahlen? Hätte ich jetzt nicht gedacht, das ist doch neben Stanišić der größte Name auf der Liste?