Der Norwegische Buchmarkt und die Literaturförderung – Norwegen Spezial 3

Norwegen ist Buch- und Literaturland. Der Norwegische Buchmarkt ist vielfältig, die Literaturförderung einzigartig.

Laut einer Umfrage lesen 88% der Bevölkerung mindestens ein Buch pro Jahr, 38% geben an, mindesten 10 Bücher pro Jahr zu lesen. (Laut eine Umfrage der Stiftung Lesen von 2018 gaben 25% der Deutschen an „nie“ zu lesen)

Der durchschnittliche Norweger liest beachtliche 17 Bücher im Jahr. (Der Deutsche kommt je nach Quelle auf 9 bis 12 gelesene Bücher).

Bei einer Bevölkerung von 5,2 Millionen und ca. 560 Buchhandlungen kommt eines dieser Ladengeschäfte auf 9000 Einwohner (auch hier der Vergleich: in Deutschland „teilen“ sich 14.000 Einwohner eine Buchhandlung. Man darf aber annehmen, dass die Wege in Norwegen länger sind ;))

Das Lesen wird in Norwegen durch eine Reihe von Werbemaßnahmen angeregt und das Jahr 2019 wurde zum „Nationalen Jahr des Buches“ erklärt.

Sommerles.no ist eine nationale, digitale Sommerkampagne, die von den öffentlichen Bibliotheken für alle Kinder der 1. bis 7. Klasse organisiert wird. Ihr Ziel ist es, in den Sommerferien vom 1.Juni bis zum 31. August so viele Kinder wie möglich zum Lesen zu bringen.  https://altom.sommerles.no/

Schulbibliotheken werden gefördert und ausgebaut. Alle norwegischen Kommunen sind gesetzlich verpflichtet (!), eine Bücherei zu führen, es gibt insgesamt 674 Volksbibliotheken.

Norwegischer Buchmarkt Literaturförderung Stormen_Bibliotek_Bodø
Stormen_Bibliotek_Bodø  by Brunost16 [CC BY-SA 4.0] via Wikimedia Commons
Aber nicht nur das Lesen wird gefördert, auch für Autoren, Übersetzer und Verlage sind die Bedingungen in Norwegen vorbildlich. Das liegt an einem einmaligen Konzept, das eine Buchpreisbindung (allerdings nur für ein Jahr), die Befreiung von der Mehrwertsteuer auf gedruckte Bücher und wichtigen Vereinbarungen zwischen den Akteuren auf dem Literaturmarkt und staatlichen Organisationen umfasst.

Eine davon ist die Abnahmeregel. Seit den 1960er Jahren werden jährlich 550 bis 1.500 Exemplare (je nach Genre) aus einer Liste von etwa 600 Neuerscheinungen vom Norwegischen Kulturrat angekauft und den öffentlichen Bibliotheken im ganzen Land zur Verfügung gestellt. Dies fördert sowohl die Autorinnen und Autoren als auch die Büchereien. So wird der Zugang zu neuer norwegischer Literatur vereinfacht.

Außerdem gibt es feste Vereinbarungen zwischen dem Verlegerverband, den Autoren und den Übersetzern in Bezug auf die Vergütung.

Trotz all dieser positiven Regelungen geht die Entwicklung, die eine immer intensivere Nutzung neuer Medien und Streamingdienste mit sich bringt, auch an Norwegen nicht vorbei. Auch hier ist der Buchumsatz in den letzten Jahren leicht zurückgegangen. Zudem ist eine noch stärkere Konzentrierung als in Deutschland festzustellen. Die vier größten Verlagshäuser wie Cappelen Damm, Gyldendal und Aschehoug vertreiben ca. 80 % aller norwegischen Titel, besitzen außerdem alle Buchclubs, die drei Hauptauslieferungszentren und zudem noch die fünf größten Buchhandelsketten.

Norwegen hat zudem eine sehr rührige, engagierte Literatur-Botschafterin. Kronprinzessin Mette-Marit wirbt offensiv für das Lesen, nicht nur mit ihrem berühmten Literatur-Zug, mit dem sie durch das Land reist und den sie dieses Jahr mit nach Deutschland bringt.

Buchmarkt Norwegen Botschafterin IKH Kronprinzessin Mette-Marit
Literatur-Botschafterin Norwegens IKH Kronprinzessin Mette-Marit Foto: Jørgen Gomnæs / Königlicher Hof

Weltweit steht der norwegische Buchmarkt auch dank Literaturförderung aber gut da.  Branchenangehörige sprechen gar von einem „Goldenen Zeitalter“. Das ist nicht unwesentlich auch der norwegischen Übersetzungsförderung und der Arbeit von NORLA (Norwegian Literature Abroad) zu verdanken, die auch maßgeblich am Gastlandauftritt beteiligt ist. Bis zu 50% der Übersetzungskosten werden von NORLA übernommen. NORLA wurde 1978 gegründet und wird vom Norwegischen Kultusministerium finanziert. Die Direktorin Margit Walsø ist zusammen mit Projektleiter Halldór Gudmundsson auch in Frankfurt sehr aktiv. Der Isländer Gudmundsson war bereits für den äußerst gelungenen Buchmessenauftritt seines Heimatlandes verantwortlich. Zwischen 2004 und 2018 hat NORLA die Finanzierung von über 5.200 Büchern in 65 Sprachen bezuschusst, wodurch Norwegisch zu den 17 am häufigsten übersetzten Sprachen gehört. 2018/19 sollen weit mehr als 200 Titel erstmals oder neu aufgelegt in Deutschland erscheinen. (Zum Vergleich: 2018 wurden die Lizenzen von 76 deutschen Titeln nach Norwegen verkauft).

Mit dem Programm „New Voices“ betätigt sich NORLA auch auf dem Gebiet der Talentförderung.

Die Norwegische Literaturszene ist aber auch anderweitig sehr aktiv. So zum Beispiel auf dem Gebiet des Klimaschutzes. Bei einer aktuellen Kampagne beteiligen sich mehrere hundert Schriftsteller, Künstler, Kritiker, Übersetzer und Journaliste mit Beiträgen aus Prosa, Sachbüchern und Gedichten. Neben norwegischen Autoren wie Maja Lunde, Karl Ove Knausgård und Johan Harstad beteiligen sich daran auch internationale Autoren. https://forfatternesklimaaksjon.no/

Norwegen ist auch sehr rührig beim Thema Presse- und Meinungsfreiheit. Das Land lag dabei  auch 2018 erneut auf Platz 1 weltweit (Deutschland: 15). Die viertgrößte Stadt Norwegens, Stavanger, ist Hauptsitz der internationalen Organisation ICORN (International Cities of Refuge Network, 2006), eines Zusammenschluss von über 70 Mitgliedsstädten und -regionen weltweit, die verfolgten Schriftstellern und Künstlern sichere Zufluchtsorte bieten, und der gleichzeitig die Meinungsfreiheit fördert, demokratische Werte verteidigt und für internationale Solidarität wirbt. Neben Stavanger war Frankfurt (neben Hannover) Gründungsmitglied.

Buchmarkt Norwegen 2019
Norwegen FBM 2019 Foto: Sabine Felber

Jeder Schriftsteller oder Künstler, der bedroht oder verfolgt wird, weil er seine Ansichten oder Ideen durch professionelle und künstlerische Arbeit zum Ausdruck gebracht hat, kann eine ICORN-Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Seit der Gründung von ICORN im Jahr 2006 haben die Mitgliedsstädte mehr als 200 verfolgte Schriftsteller und Künstler aufgenommen.  Der derzeit in Stavanger lebende iranische Karikaturist Ali Dorani (Eaten Fish) stellt den ganzen Oktober über im Frankfurter Haus am Dom aus. In enger Zusammenarbeit mit NORLA und dem offiziellen norwegischen Ehrengastprogramm wird ICORN auf dem Messegelände einen eigenen internationalen Stand und eine eigene Bühne für freie Meinungsäußerung betreiben. Unter der Überschrift „Safe, not Silent“ treten ICORN-Autoren und -Künstler während der gesamten Messe zusammen mit anderen starken Stimmen und angesehenen Gästen aus der ganzen Welt auf.

Der Norwegische Buchmarkt und die Norwegische Literaturförderung sind also eine wirklich spannende Sache. Einen Großteil der neu erscheinenden Literatur wird man auf der Frankfurter Buchmesse zu sehen bekommen. Man darf gespannt sein.

In den nächsten Teilen meines Spezials informiere ich euch über die wichtigsten Termine und Veranstaltungen rund um das Gastland Norwegen und werfe einen Blick auf interessante Neuerscheinungen in Deutschland, auf wiederaufgelegte Klassiker und auch auf ein paar Titel der Backlist. Bleibt dran!

 

08.09.2019 – Norwegen als Gastland auf der Frankfurter Buchmesse

15.09.2019   – Norwegische Literatur – Tradition und Moderne, Autoren und Autorinnen

22.09.2019   – Norwegischer Buchmarkt und Literaturförderung

29.09.2019   – Veranstaltungen zum Gastland Norwegen auf der Frankfurter Buchmesse

06.10.2019    – Norwegische Literatur – Neuerscheinungen in Deutschland 2019 #1

13.09.2019     – Norwegische Literatur – Neuerscheinungen in Deutschland 2019 #2

 

Beitragsbild: BodøLibrary by Wald1siedel [CC BY-SA 4.0] via Wikimedia Commons

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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