Vom 16. bis 20. Oktober 2019 dreht sich in Frankfurt alles um das geschriebene Wort. Ein Schwerpunkt liegt wie jedes Jahr auf dem Gastland, dieses Jahr ist das Norwegen. Organisiert von NORLA (Norwegian Literature Abroad) und finanziert vom norwegischen Kulturministerium und vom norwegischen Außenministerium gefördert, finden während der Buchmesse, bereits aber auch im Vorfeld zahlreiche Veranstaltungen zum Gastland Norwegen statt. Neben einem engagierten Literaturprogramm bringt Norwegen auch ein interessantes Kulturprogramm mit nach Deutschland, zum Teil im Rahmen der THE ARTS+ oder an anderen Orten auf der Buchmesse, daneben aber auch im Rahmen des Bookfests, der Open Books Reihe oder in den Museen in und um Frankfurt. Eine ganz subjektive Auswahl möchte ich schon heute präsentieren.
Zur Einstimmung eröffnen bereits vor Messebeginn einige Austellungen.
Kunstausstellungen
Zentral ist sicher das „House of Norway“, in das sich das Frankfurter Museum für Angewandte Kunst von 11. Oktober bis 26. Januar verwandeln wird. Beispiele aus Design, Handwerk und Architektur, grafische Werke von Edvard Munch, Impulse aus Mode, ein Gastspiel des Sámi National Theatre Beaivváš und neue nordische Küche werden präsentiert.
Bereits am 26. September wird in der Frankfurter Schirn Kunsthalle eine Schau über die norwegische Textilkünstlerin Hannah Ryggen eröffnet. Die 1894 im schwedischen Malmö geborene Hannah lebte seit 1924 mit ihrem Mann, dem Landschaftsmaler Hans Ryggen in Ørland nahe dem Europäischen Nordmeer als Selbstversorger auf einem kleinen, abgelegenen Bauernhof. Alle Materialien für ihre Webarbeit gewann sie auf ihrem Hof und aus der sie umgebenden Natur, sie spann die Wolle selbst und färbte sie mit natürlichen, aus Pflanzen gewonnenen Farben. Hannahs monumentale Webteppiche waren explizit politische Kunst, mit denen sie in den dreißiger Jahren und während der deutschen Besatzung Norwegens gegen den Faschismus, Nationalsozialismus und Hitler protestierte.
Die Teppiche hingen zeitweise demonstrativ auf den Wäscheleinen vor dem Haus. Anscheinend wurde Textilkunst weitestgehend nicht wahrgenommen. Ein spannend klingender Ansatz. Im Zentrum der Präsentation stehen Ryggens antifaschistische und pazifistische Werke und ein besonderes Augenmerk liegt auf ihrem frauenpolitischen Engagement. Hier wird in der Schirn mit 25 Tapisserien dem deutschen Publikum zum ersten Mal ein umfassender Einblick in Ryggens Werk geboten. „Hannah Ryggen. Gewebte Manifeste“
Freedom of Expression
Passend zur Demonstration für Menschenrechte findet im Haus am Dom eine Ausstellung des iranischen Cartoonisten Ali Dorani, bekannt als Eaten Fish, statt. Dorani war nach seiner Flucht mit Hilfe von ICORN – International Cities of Refuge Network nach Stavanger gelangt. Ali Doranis Bilder sind Dokumentation und Kommentar zu seinem mehrjährigen Aufenthalt im australischen Flüchtlingslager auf Manus Island.
Im Gastland-Pavillon auf der Buchmesse findet jeden Tag von 13 – 13.30 Uhr ein Beitrag zur Freedom Of Expression Serie statt.
Abseits von Frankfurt findet in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen eine große Edvard Munch-Ausstellung statt, die passend zur Buchmesse vom norwegischen Schriftsteller Karl Ove Knausgård zusammengestellt wurde. „Edvard Munch gesehen von Karl Ove Knausgård“ zeigt 130 unbekanntere Arbeiten aus dem Munch Museum Oslo und ergänzt sie durch internationale Leihgaben. Die Ausstellung ist vom 12. Oktober 2019 bis 1. März 2020 in Düsseldorf zu sehen.
Harald Sohlberg
Eine weitere Ausstellung zeigt im Museum Wiesbaden das Werk des norwegischen Landschaftsmalers und Zeitgenossen Evard Munchs Harald Sohlberg in einer ersten großen Retrospektive außerhalb Norwegens, die in Kooperation mit dem Osloer Nationalmuseum 80 Werke Sohlbergs zeigt. Dessen Bild „Winternacht in Rondane“ wurde von den norwegischen Bürger*innen zum beliebtesten Gemälde des Landes gewählt. In Deutschland ist er fast unbekannt.
Sohlberg vereinte in seinen Bildern die Freiluftmalerei mit dem Symbolismus, der Romantik und dem Dekorativen. Zunächst absolvierte er eine handwerkliche Ausbildung als Dekorationsmaler, wechselt aber schon bald in die Kunstklasse. Farbe und Licht sind bedeutend und sehr besonders in seinen Werken, in denen er eine künstlerische Detailfreudigkeit mit fast magisch aufgeladenen Naturdarstellungen verbindet. Die nordische Sommernacht ist wie die mit Schnee und Eis bedeckten Landschaften ein vorherrschendes Motiv. Die Ausstellung ist seit dem 12. Juli bis zum 27. Oktober zu sehen.
Theater und Musik
Im Schauspiel Frankfurt, das in der vergangenen Spielzeit sehr erfolgreich Henrik Ibsens Peer Gynth im Repertoire hatte, hat im Oktober DET NORSKE TEATRET, OSLO mit Ibsens Nordische Heerfahrt und Jon Fosses Trilogie im Programm.
zum Programm
Das deutsche Filmmuseum Frankfurt zeigt im September/Oktober norwegische Filme.
Auch zahlreiche Musik Veranstaltungen hat Gastland Norwegen im Gepäck. Im Frankfurter Mousonturm findet während der Buchmesse das „Norsk Festival“ statt. Unterschiedliche Musikgenres werden neben Lesungen und Talks präsentiert. Je ein Abend ist dem Rock, der experimentellen musikszene, der elektronischen Musik, dem Jazz und der Folkmusik gewidmet. zum Norsk Festival
Moddi
Bereits bei der Leipziger Buchmesse war der Singer-Songwriter Pål Moddi Knutsen zu Gast. Dieser hat in einem Buch und einem Album „verbotene Lieder“ zusammengetragen. Aufmerksam geworden ist Moddi, als er ein geplantes Konzert in Israel aus politischen Gründen absagte. Die (vorsichtig formuliert) kritischen Reaktionen davor und danach brachten ihn in Kontakt zur norwegischen Künstlerin Birgitte Grimstad, der in den 1980er Jahren die Darbietung ihres Folksongs „Eli Geva“ über einen Deserteur, der aus humanitären Gründen den Befehl verweigerte, in Israel verboten wurde.
Daraus entstand die Idee zu „Unsongs“. Herausgekommen sind ein Album mit zwölf Liedern (2016) und 2019 das Buch „Unsongs: 10 Geschichten von 5 Kontinenten“. Die Repressionen reichen vom bloßen Ignorieren bei den Radiostationen wie im Fall der britischen Sängerin Künstlerin Kate Bush, deren Anti-Kriegs-Song „Army Dreamers“ während des 2. Golfkriegs nicht mehr im britischen Radio gespielt wurde über Auftrittsverbote bis zur Ermordung des politischen Protestsängers Victor Jara in Chile 1973 oder die mehrjährige Haft für das Künstlerinnenkollektiv Pussy Riot in Russland. Und auch Moddi selbst hat ganz aktuelle Erfahrungen: sein neues Stück („New Dawn“) über die Beteiligung Norwegens an kriegerischem Geschehen, findet im norwegischen Rundfunk kein Gehör. Folkige Songs, die man sich unbedingt mal anhören sollte.
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IKH Kronprinzessin Mette-Marit und der Kulturzug
Aber natürlich steht für mich und sicher viele von euch die Literatur im Mittelpunkt. 75 Autoren reisen aus Norwegen nach Frankfurt. Einige davon bei einer spektakulären Aktion. Die norwegische Literatur-Botschafterin IHK Kronprinzessin Mette-Marit reist mit einem Literaturzug durch Deutschland, wie sie es bereits seit einigen Jahren in ihrem Heimatland macht. Nach Terminen in Berlin und Düsseldorf fährt der Zug zunächst mit einer Gruppe von Schülern nach Köln und von dort mit den Autoren nach Frankfurt. Dort kommt der Zug am 15. Oktober nachmittags gegen 14 Uhr am Hauptbahnhof an. Am Abend wird sie bei der Eröffnungsfeier der Buchmesse anwesend sein.
Im Herbst erscheint auch ein Buch, an dem Literaturliebhaberin Matte-Marit mitgewirkt hat. „Heimatland“ (Orginaltitel: „Hjemlandet“) umfasst eine Auswahl von zwölf norwegischen Geschichten und Aufsätzen, die Kronprinzessin Mette-Marit und der Schriftsteller Geir Gulliksen gemeinsam redigiert haben. Das Sammelwerk erscheint im Rahmen der Frankfurter Buchmesse am 30. September in Deutschland.
Autoren, Autoren, Autoren
Redner auf der Eröffnungsfeier ist der Literaturstar Norwegens Karl Ove Knausgård neben Erika Fatland. Andere „große“ Namen, die nach Frankfurt kommen werden, sind Ketil Bjørnstad, Tomas Espedal Jon Fosse, Karin Fossum, Jostein Gaarder, Erik Fosnes Hansen, Johan Harstad, Edvard Hoem, Roy Jacobsen, Lars Mytting, Per Petterson, Dag Solstad und Linn Ullmann. Auch die Bestseller-Stars Maja Lunde und Jo Nesbø werden da sein. Letzterer wird in einem exklusiven Deutschland-Auftritt am 17. Oktober seinen neuen Roman „Messer“ vorstellen.
Durch eine enge Zusammenarbeit mit dem deutschen Buchhandel wird es über 1000 Auftritte norwegischer Autor*innen im deutschsprachigen Raum geben.
Einen Überblick über alle Veranstaltungen zum Gastland Norwegen kann man sich mit dem Programm des Gastlandpavillons verschaffen. Dort werden auf zwei Bühnen herausragende Stimmen und Geschichten präsentiert. Themenschwerpunkte sind Geschichten aus Norwegen, samische Literatur und Kultur, Feminismus und Gleichberechtigung, Vielfalt und Identität in einem sich wandelnden Europa und die Meinungsfreiheit.Täglich um 13 Uhr wird es im Gastland Pavillon eine „Stunde der Meinungsfreiheit“ geben. Zudem wird eine tägliche Stunde zur „Grünen Stunde“ rund um die Themen Natur und Umwelt.
Am Samstag, 19. Oktober wird das Programm vom norwegischen Literaturfestival Lillehammer gestaltet.
Einen sehr guten Überblick über alle Veranstaltungen bietet die Norway2019 Seite.
Am Sonntag, 20. Oktober findet um 15.30 Uhr dann die feierliche Übergabe der Gastrolle an Kanada, den Ehrengast der Buchmesse 2020, statt.
Weitere Beiträge zu meinem Norwegen-Spezial:
08.09.2019 – Norwegen als Gastland auf der Frankfurter Buchmesse
15.09.2019 – Norwegische Literatur – Tradition und Moderne, Autoren und Autorinnen
22.09.2019 – Norwegischer Buchmarkt und Literaturförderung
29.09.2019 – Veranstaltungen zum Gastland Norwegen auf der Frankfurter Buchmesse
06.10.2019 – Norwegische Literatur – Neuerscheinungen in Deutschland 2019 #1
13.09.2019 – Norwegische Literatur – Neuerscheinungen in Deutschland 2019 #2