Die 1880 als Sara Cecilie Margarete Gørvell Fabricius in Christiania geborene und in Tromsø aufgewachsene Schriftstellerin Cora Sandel kennt kaum eine Leser*in hier in Deutschland. In ihrem Heimatland gehört sie allerdings zu den ganz großen Autorinnen, den Klassikern. Auf Deutsch wurde in den 1960er Jahren im Schweizer Rascher Verlag ihre als Hauptwerk geltende Alberte-Trilogie veröffentlicht. Anlässlich des Gastlandauftritts Norwegens zur Frankfurter Buchmesse 2019 erschien nun ein anderes Werk von Cora Sandel: Café Krane.
Kein Roman, keine Novelle, keine Kurzgeschichte: „Interieur mit Figuren“ ist die ihm beigegebene Bezeichnung. Am ehesten lässt es sich als eine Art Bühnenstück in Prosa charakterisieren. Nicht verwunderlich, dass es 1951 in Norwegen verfilmt wurde. Tatsächlich spielt sich das ganze Geschehen, das zwei Tage umfasst, in einem einzigen Interieur ab: dem Café Krane. Es ist das „modernste“ Café der Stadt. Um welche Stadt es sich handelt, wird nicht genauer benannt. Sandel dürfte dabei aber an Tromsø gedacht haben – eine Stadt im Norden, am Meer gelegen, ein wenig „ab vom Schuss“. Mehrmals wird das Süd-Nord-Gefälle Norwegens beschrieben. Die Gegend um Oslo gilt dabei als das Zentrum der modernen Welt. Und wie so oft in der norwegischen Literatur des frühen 20. Jahrhunderts (das Buch erschien erstmals 1945, spielt aber in den 1920er Jahren) geht es auch hier um den Einbruch gerade dieser Moderne in die Provinz.
Das Café als Theaterbühne
Ein Schauplatz wie bei einem Theaterstück. Und so wird nach ein wenig Eingangsgeschwätz, ein unerhörter „Vorfall“ im Café Krane wird erwähnt, erst einmal der Ort der Handlung vorgestellt. Und darauf die agierenden Personen platziert. Da ist einmal Frau Krane, die Chefin des Cafés, die den Laden zur Zeit alleine führen muss, da ihr Mann auf Geschäftsreise ist. Ihr zur Hand gehen die beiden Bedienungen, die „Fräuleins“ Larsen und Sønstegård.
Es ist ein Frühlingssamstag und die ruhige Zeit nach dem Mittag, als Frau Stordal auftritt. Sie geht in den Nebenraum des Cafés und beginnt – Skandal! – Portwein zu trinken. Zu ihr gesellt sich bald der Hafenarbeiter Hut-Svenne. Was die beiden zu bereden haben, erlauschen sich die Damen des Cafés durch die geschlossene Schiebetür und sind sonst redlich bemüht, den unziemlichen Auftritt der „besten Schneiderin am Ort“ vor den nach und nach eintreffenden anderen Gästen zu verheimlichen. Die Damenwelt des Städtchens wartet auf die Fertigstellung ihrer Garderobe zur bevorstehenden Hundertjahrsfeier und Frau Stordal sitzt mit einem Kerl im Separée und trinkt. Am helllichten Tag!
katinka stordal hat es satt
Aber Katinka Stordal hat es satt. Seit der Scheidung von ihrem Mann muss sie allein für sich und die beiden fast erwachsenen Kinder sorgen, ohne dass von diesen irgendein Dank käme. Stress, Herablassung, Überheblichkeit, Armut und Einsamkeit – so sehen ihre Tage aus. Katinka mag nicht mehr. Sie streikt. Zusammen mit Hut-Svenne, den ähnliche Gefühle plagen.
Und das alles im Etablissement von Frau Krane. Deren Nerven halten das kaum aus. Natürlich lässt sich die Anwesenheit von Katinka Stordal auch nicht lange verheimlichen. Neben anderen Stadtbewohnern treffen auch der zwielichtige Apotheker Lydersen, Baumeister Stordal und seine neue Braut Elise, Katinkas Kinder Borghild und Jørgen und der ehemalige Verehrer Katinkas Justus Gjør ein. Und sie alle haben etwas zu Katinkas ungehörigem Verhalten zu sagen.
Es geht zu wie in einem Theaterstück, nur verfasst in Prosa. Cora Sandel mischt eine große Portion Ironie in ihr „Café Krane“. Das liest sich äußerst amüsant, ohne die dahinter steckende Tragik zu verleugnen. Eine wirklich schöne Entdeckung!
Beitragsbild: BiblioArchives / LibraryArchives (CC BY 2.0) via Flickr
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Cora Sandel – Café Krane
Übersetzt von Birgitta Kicherer
Verlag Urachhaus 2019, gebunden mit Schutzumschlag, 221 Seiten, € 19,00
Das hatte ich neulich in der Bibliothek auch in der Hand. Klingt ungewöhnlich …
Viele Grüße!
Auf jeden Fall ein ganz ungewöhnliches Buch. Mirhat es sehr gefallen.