Lektüre Februar 2020

Der Februar war ein ganz wunderbarer Lesemonat – nur gute Bücher bildeten meine Lektüre Februar 2020. Ein ziemlich schwaches Hörbuch mal außen vor gelassen, waren das tolle Lesestunden. Ich habe nun auch erst einmal die noch verbleibenden Herbsttitel zur Seite gelegt, da die Frühjahrsbücher nach und nach eingetrudelt sind und Aufmerksamkeit fordern. Aber die Bücher, die 2019 im Februar noch einmal bei mir ins Rennen geschickt hat, waren wirklich sehr stark. „Henry Persönlich“ von Stewart O`Nan ist auf jeden Fall schon als Jahreshighlight gesetzt.

Aber auch die beiden ersten Frühjahrstitel „Giovannis Zimmer“ und „Marianengraben“ haben mir auf  ganz unterschiedliche Weise sehr gut gefallen.

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Jeanne Benameur – Das Gesicht der neuen Tage

Jeanne Benameur schreibt in ihrem Roman „Das Gesicht der neuen Tage“ vom schwierigen Weg eines Fotografen, der von einer terroristischen Gruppe während eines Einsatzes enführt , monatelang gefangen gehalten und schließlich freigelassen wurde, zurück ins alltägliche Leben. Einfühlsam und psychologisch genau erzählt.

 

 

Cora Sandel - Café Krane

Cora Sandel – Cafe Krane

Katinka Stordal hat es satt. Seit der Scheidung von ihrem Mann muss sie allein für sich und die beiden fast erwachsenen Kinder sorgen, ohne dass von diesen irgendein Dank käme. Stress, Herablassung, Überheblichkeit, Armut und Einsamkeit – so sehen ihre Tage aus. Katinka mag nicht mehr. Sie streikt. Zusammen mit Hut-Svenne, den ähnliche Gefühle plagen.
Und das alles im besten Café der Stadt, bei Frau Krane. Deren Nerven halten das kaum aus, was denken die Leute! Natürlich lässt sich die Anwesenheit von Katinka Stordal nicht lange verheimlichen. Neben anderen Stadtbewohnern treffen auch der zwielichtige Apotheker Lydersen, Baumeister Stordal und seine neue Braut Elise, Katinkas Kinder Borghild und Jørgen und der ehemalige Verehrer Katinkas Justus Gjør ein. Und sie alle haben etwas zu Katinkas ungehörigem Verhalten zu sagen.
Es geht zu wie in einem Theaterstück, nur verfasst in Prosa. Cora Sandel mischt eine große Portion Ironie in ihr „Café Krane“. Das liest sich äußerst amüsant, ohne die dahinter steckende Tragik zu verleugnen. Eine wirklich schöne Entdeckung, erstmals 1945 erschienen!

 

Eugen Ruge - Metropol

Eugen Ruge – Metropol

Charlotte und Wilhelm, die man schon von Eugen Ruges Buchpreis gekröntem Roman „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ kennen könnte und die sehr stark an dessen eigene Großeltern angelehnt sind, sind als Kommunisten vor den Nationalsozialisten in die Sowjetunion geflüchtet. Dort weiterhin politisch aktiv, geraten sie in den Großen Terror, die stalinistischen Säuberungsaktionen 1936 bis 1938, die Millionen Verhaftungen und Hunderttausende Exekutionen nach sich zogen. Im Moskauer Hotel Metropol festgehalten, erwarten sie ängstlich, verzweifelt, aber immer noch voller Glauben an das System zusammen mit anderen, vorwiegend ausländischen Genossen, ihr Schicksal.
Historisch und psychologisch präzise erzählt Eugen Ruge davon so spannend wie informativ. Große Leseempfehlung!

 

Stewart O`Nan - Henry, persönlich

Stewart O`Nan – Henry persönlich

Henry Maxwell ist eigentlich bereits im ersten Teil der „Maxwell-Trilogie“ – Abschied von Chautauqua – verstorben, im zweiten Teil – Emily, allein – lebt seine Witwe schon mehr als zehn Jahre ohne ihn. In „Henry persönlich“ kehrt der Autor nun noch einmal in der Zeit zurück und widmet sich dem alten Mann in seinem Alltag, ein ganzes Jahr über.
Stewart O`Nans Sprache ist lakonisch, seine Erzählweise ruhig, sprachlich brillant. Die Leser*innen sollten einen gewissen Sinn für Entschleunigung haben, um den Roman wirklich genießen zu können. In weiten Teilen werden alltägliche Verrichtungen beschrieben, es gibt keine ausufernden Emotionen, großen Dramen, Abgründe. Die Umwelt, die Gesellschaft kommen nur in homöopathischen Dosen vor, etwa wenn die sozialen und gesellschaftlichen Umbrüche in den USA und die ökonomischen Verschiebungen in Henrys Heimatstadt Pittsburgh angedeutet werden.
Dennoch erzählt Stewart O`Nan mit „Henry persönlich“ vom Wichtigsten überhaupt, vom Leben nämlich. Das ist zutiefst menschlich und ich offenbare mich zum wiederholten Male als absoluter Fan von denjenigen Autoren, die darüber so wunderbar schreiben können wie Stewart O`Nan, der mit seiner Maxwell-Trilogie ganz ganz weit vorn bei den für mich liebsten Büchern überhaupt steht.

 

James Wood - UpstateJames Wood – Upstate

Ein weiterer amerikanischer Familienroman – was die eine oder andere Leser*in nur noch genervt mit den Augen rollen lässt, bringt mich immer noch zum Jubeln. Bewegende Geschichten über Familien können die Amerikaner.
Und auch der Kritiker James Wood hat mit „Upstate“ wieder den Beweis dafür hingelegt.
Auch wenn die Figuren ein wenig fern bleiben und das Buch mich nicht so sehr berührt wie die Romane seiner Kollegen O`Nan oder Strout beispielsweise, ist die Erzählung über Vater und Tochter, die sich um die zweite Tochter bzw. Schwester Sorgen machen, da diese immer wieder am Rande der Depression wandelt und die sich darüber näher kommen, wieder ein sehr schönes Beispiel dafür, wie unterschiedlich der Mikrokosmos Familie funktionieren kann (oder auch nicht).
Deshalb: Leseempfehlung!

 

James Baldwin Giovannis Zimmer

James Baldwin – Giovannis Zimmer

James Baldwins vielleicht berühmtester Roman von 1956 erzählt die Geschichte einer homosexuellen Liebe, die an den inneren Konflikten des Amerikaners David, seinem Selbsthass und den verinnerlichten Wertvorstellungen seiner puritanischen Heimat genauso zerbricht wie an seiner Unfähigkeit, wirklich zu lieben. Für Giovanni wird das Ende der Beziehung in „Giovannis Zimmer“ tragisch enden. In der hervorragenden Neuübersetzung von Miriam Mandelkow wie zuvor schon „Von dieser Welt“, „Beale street blues“ und „Nach der Flut das Feuer“ bei DTV erschienen.

 

Jasmin Schreiber - MarianengrabenJasmin Schreiber – Marianengraben

Jasmin Schreibers Debütroman „Marianengraben“ behandelt die Trauer von Paula, deren kleiner Bruder Tim vor zwei Jahren im Badeurlaub ertrunken ist. Paula kann sich aus ihrer Trauer nicht befreien, auch nicht mit Hilfe eines Therapeuten. Da begegnet sie dem alten Helmut, der gerade seine Frau beerdigt hat. Die Beiden begeben sich auf einen skurrilen Roadtrip in die Berge, bei der Paula lernt, ihre Trauer anzunehmen. Traurig und doch leicht, aber nicht seicht, erzählt Jasmin Schreiber, die auch Sterbebegleiterin ist. Oft als Unterhaltung eingeordnet oder gar als Jugendroman, hat mich der Ton der Autorin sehr angesprochen und auch berührt, sowohl als Schwester, die einen Bruder verloren hat, als auch als Mutter von sehr aneinander hängenden Geschwistern mit ähnlichem Altersabstand. Für mich ein ausgesprochen schönes Debüt, das ich auch gerne auf der Auswahlliste für den Debütpreis der Blogger sehen würde.

Zwei Hörbücher habe ich noch gehört, davon war eines ganz bezaubernd, nämlich von

Nele Pollatschek – Dear Oxbridge, die anhand ihrer Erfahrungen während ihres Studiums in Cambridge und Oxford eine Gegenüberstellung von „Typisch britisch“ und „Typisch deutsch“ wagt, das Ganze aber so unverkrampft und liebevoll (Untertitel ist „Liebesbrief an England“), dass man angesichts des Brexits nochmal so richtig wehmütig wird. Absolute Hörempfehlung, da es von der Autorin selbst auch sehr gut eingesprochen wurde.

 

Leider gar nicht überzeugen konnte mich hingegen Whitney Scharer mit Die Zeit des Lichts. Die Liebesgeschichte zwischen der Fotografin Lee Miller und dem Künstler Man Ray wird nach wohlbekannter Trivialart auf menschlich-allzu-menschliches, meist in Form von indiskreten Schlafzimmerszenen, Eifersuchtsanfällen oder uninteressantem Geplänkel herunter gebrochen. Weder die Tragik der Beziehung (die Vereinnahmung der künstlerischen Arbeit Millers durch Man Ray und die dadurch entstehenden Konflikte kommen viel zu kurz) noch die Arbeit Lee Millers werden angemessen gewürdigt. Zumindest hat mich das Buch auf diese Arbeiten neugierig gemacht. Der bei der Bundeszentrale für politische Bildung erhältliche Fotoband Lee Miller – Deutschland 1945 mit teilweise heftigen Bildern aus dem besiegten Deutschland hat mir da einen deutlich besseren Einblick verschafft als der Roman.

 

2 Gedanken zu „Lektüre Februar 2020

  1. Bitte unbedingt das Buch „Wasserscheiden“ von Alfred DeMichele rezensieren! Das ultimative Buch zur derzeitigen Coronakrise und deren Folgen!

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