Felicitas Korn wählt als Schauplatz ihres Debütromans „Drei Leben lang“ Frankfurt und den Taunus. Das bedeutet für mich schon einmal ein wenig Heimatgefühl. Zudem ist die Autorin wie ich in Offenbach am Main geboren. Dennoch hätte ich dieses Buch beinahe verpasst. Was äußerst bedauerlich gewesen wäre, denn dieser Roman hat es in sich und viel mehr Aufmerksamkeit verdient.
Drei Hauptfiguren stehen im Mittelpunkt und erhalten ihren jeweils ganz eigenen Ton.
Da ist einmal Loosi, so nennt er sich zumindest. Und den Namen darf man gerne vom ähnlich lautenden englischen Verb ableiten. Loosi ist Alkoholiker, die Leber ist kaputt, er ist arbeitslos und hält selbst recht wenig von sich. Loosi eben. Zu Beginn wird ihm gerade zum x-ten Mal der Magen wegen einer akuten Alkoholvergiftung ausgepumpt und ihm damit das Leben gerettet. Doch will Loosi überhaupt leben? Selbst die zwei Monate, die der Arzt ihm noch in Aussicht stellt, sollte er nicht sofort mit dem Trinken aufhören, erscheinen ihm zu lang.
Und dann erst die drei Monate Entzugsklinik, zu denen man ihn verdonnert hat. Die neue Therapeutin, die sein Anblick so entsetzt hat. Aber da ist auch noch die siebzehnjährige Sanni, tablettenabhängig, reichlich naiv, aber so lieb und süß. Loosi verliebt sich, Sanni scheint seine Gefühle zu erwidern. Und plötzlich schöpft er Hoffnung, macht gemeinsame Pläne.
Die zweite Hauptfigur ist der 14jährige Michi. Er und seine jüngere Schwester Xandra haben gerade auf dem Weg in den Spanienurlaub ihre Eltern verloren. Das Trauma sitzt bei beiden tief, aber sie haben wenig Gelegenheit richtig zu trauern. Angehörige gibt es keine und das Übergangsheim im Taunus ist nur, der Name sagt es bereits, eine Übergangslösung. Adoptiveltern für sie beide oder auch nur ein gemeinsamer Heimplatz dürften schwierig zu finden sein. Michi will sich kümmern, macht aber einiges falsch, gerät in schlechte Gesellschaft.
Der dritte im Bunde ist King, ein koksender Drogendealer in Frankfurt, Leiter eines gut laufenden Clubs. King ist fast ganz oben angelangt, clever und mit besten Beziehungen zum Drogenboss Pablo. Er hat Geld, ein schickes Auto, ein riesiges Loft, Frauen und Koks so viel er will. Aber ihm fehlt dennoch die richtige Anerkennung seines Bosses Mekki. Will der ihn vielleicht sogar bald abservieren?
Die Geschichten der Drei sind auf verblüffende Weise verknüpft, zum Beispiel über den Automechaniker Aziz. Felicitas Korn gibt von Beginn an Hinweise wie die drei Leben lang zusammenhängen könnten. Dennoch ist das Ende total überraschend, überzeugend und unglaublich gut. Selten verleitet mich ein Buch, es noch einmal zu beginnen oder zumindest zurückzublättern. Drei Leben lang tut genau das.
Leichthändig erzählt Felicitas Korn vom Verlust. Verlust von Geborgenheit, Liebe, Sicherheit, Halt. Es ist die Suche nach Liebe und Lebensperspektiven, die die Personen umtreibt. Und wir sehen sie immer wieder scheitern, und doch verlieren sie den Willen zum Glück nicht. Aber zu oft verläuft der Weg, den sie dorthin einschlagen über Drogen, Alkohol und falsche Freunde. Und auch das Ende bietet leider nicht viel Perspektive. Oder ist es vielleicht doch noch nicht zu spät?
Die Personen im Roman sind selten Sympathieträger. Felicitas Korn geht auch nicht den Weg, ihre Handlungen durch die äußeren Umstände zu erklären, zu entschuldigen oder zu relativieren. Aber sie zeigt, dass es immer eine Vorgeschichte gibt. Dass das Leben merkwürdige Abzweigungen nehmen kann. Dass sich immer ein zweiter Blick lohnt.
Felicitas Korn hat mit „Drei Leben lang“ einen überzeugenden Debütroman geschrieben. In seinem szenischen Aufbau verrät er die Drehbuchschreiberin. Liebevoll geschilderte Nebenfiguren und eine atmosphärische Beschreibung von Frankfurt und dem Taunus ergänzen den Plot zu einem überraschenden Lesevergnügen.
Beitragsbild von Pxhere
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FELICITAS KORN – Drei Leben lang
Kampa 2020, 304 Seiten | Leinen, € 22,–