Im vergangenen Jahr gehörte der neue Roman von Petina Gappah, Aus der Dunkelheit strahlendes Licht, der von Tod und Überführung des Afrikaforsches David Livingston erzählte, zu meinen Lese-Highlights, jetzt veröffentlicht der Arche Verlag den Erstling der Autorin von 2009, den Erzählungsband Im Herzen des Goldenen Dreiecks.
In dreizehn Geschichten erzählt Petina Gappah von ihrem Heimatland Simbawe, von den enormen Gegensätzen die dort herrschen, der Korruption, der Bereicherung durch die Eliten, der diktatorischen Herrschaft Robert Mugabes, der das Land bis zu seiner Absetzung 2017 mehr als dreißig Jahre beherrschte. Nach der Unabhängigkeit des ehemaligen Rhodesien als Musterstaat für die postkoloniale Entwicklung geltend, führten Regierung und Eliten es zunehmend in den Ruin. 2009, als die Geschichten entstanden, betrug die Arbeitslosenquote unvorstellbare 95%, es herrschte Hyperflation mit einer Geldentwertung von ebenfalls unfassbaren 3.000.000%.
Die Menschen Simbawes
Petina Gappah erzählt in ihren Geschichten aus ganz verschiedenen Bevölkerungsschichten, von der Frau eines Elitebeamten bis zu den Bewohnern der ärmsten Townships kommen die unterschiedlichsten Menschen zu Wort. Die Stories handeln von Armut und unfassbarem Reichtum, vom Wüten von AIDS und dem offiziellen Totschweigen darüber, von einer weit verbreiteten Misogynie, von Machotum und Gewalt, die sich wie immer gegen die Schwächsten der Gesellschaft richtet, die Kinder, die Frauen, die Behinderten.
Petina Gappah schaut mit Wut auf diese Dinge, aber auch mit Witz und Sarkasmus, außerdem mit großer Zuneigung gegenüber den Menschen, die unter diesen Bedingungen leben müssen. Und so stellt sie ein Zitat der amerikanischen Dichterin Jane Hirshfield voran, in dem es heißt:
„Widerstandskraft weckt in mir immer
mehr Bewunderung.
Nicht die schlichte Widerständigkeit eines
Kissens, dessen Füllung
stets zur ursprünglichen Form zurückfindet,
sondern die geschmeidige
Zähigkeit eines Baums: Wird ihm plötzlich
das Licht verstellt, auf einer Seite,
wendet er sich einer anderen zu. Eine
blinde Einsicht, gewiss.“
Es sind vor allem die Frauen, die diese Widerstandsfähigkeit an den Tag legen, die die Familien und letztlich die Gesellschaft zusammenhalten, während die Männer ihre Geliebten in „kleinen Häusern“ aushalten und um ihre Männlichkeit besorgt sind. So ist auch der hochdekorierte Militär, dem in der Eröffnungsgeschichte ein Staatsbegräbnis zuteil wird, in keiner Weise für das Vaterland gestorben, wie seine Witwe sarkastisch erzählt, sondern an der „Seuche“, die im Land grassiert, auch weil die Männer ihre Triebe nicht im Griff haben.
Die Männer Simbawes
Männer, die eine geistig beeinträchtigte junge Frau schwängern und nach der Geburt verrecken lassen, die unbequeme Frauen in die Psychiatrie abschieben, ein Hausmädchen mit falschen Eheversprechen verführen und sie dadurch in den Selbstmord treiben oder ihre Braut wissentlich mit AIDS infizieren. Nur sehr wenige Männerfiguren kommen in den Geschichten besser weg. Aber auch von den im Luxus lebenden, ihre ärmeren Geschlechtsgenossinnen missachtenden Frauen, erzählen die Geschichten. Es ist erstaunlich, dass die Stories bei all den geschilderten Missständen und der Wut der Autorin darüber dennoch eine gewisse Leichtigkeit und Heiterkeit besitzen. Es ist die oben zitierte „Widerständigkeit“ der Menschen Simbawes, der Petina Gappahs Sympathie gilt.
Ein lesenswertes Buch, auch wenn es einige Jahre auf dem Buckel hat. Die Zustände haben sich leider nur wenig verbessert. Einzig der sehr häufige Gebrauch von Shona- oder Ndebele-Begriffen, ja ganzen Sätzen in diesen afrikanischen Sprachen, stören den Erzählfluss in meinen Augen. Der Arche Verlag verzichtet dabei zudem auf ein Glossar, so dass man gezwungen ist, diese doch sehr zahlreichen Passagen zu überlesen. Das gelingt aufgrund der Güte der Erzählungen meistens. Ich kann dieses von vielen englischschreibenden Autoren aus Afrika und Asien verwendete Stilmittel nicht wirklich verstehen, da es die Leser*innen, an die die Bücher zumindest auch adressiert sind, doch ein Stück weit ausschließt. Ein Mehr an Authentizität wird in meinen Augen dadurch nicht gewonnen. Ein vollständiges, erklärendes Glossar sollte es den veröffentlichenden Verlagen aber zumindest wert sein.
Beitragsbild: Shona-farms-zimbabwe by Ulamm / Public domain via Wikimedia Commons
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Petina Gappah – Im Herzen des Goldenen Dreiecks
Übersetzt von Patricia Klobusiczky
Arche Verlag Juni, 2020, Taschenbuch, 304 seiten, € 12,00