Brian Moore – Schwarzrock

Bereits 1985 erschien „Schwarzrock“ des 1921 in Belfast geborenen, in Kanada und den USA lebenden und dort in Malibu 1999 verstorbenen Brian Moore im Original. Und 1987 auf Deutsch bereits im Diogenes Verlag. Von Moores zwanzig Romanen wurden fünf verfilmt und auch sonst gilt Moore als einer der erfolgreichsten Autoren im angloamerikanischen Raum. Hier in Deutschland ist er ein wenig in Vergessenheit geraten. Sein Stammverlag Diogenes führt nur noch drei seiner Titel als Printausgaben. Darunter nun diese Neuerscheinung, die wir nicht nur dem Gastlandauftritt Kanadas zu den Frankfurter Buchmessen, sondern auch dem bevorstehenden hundertsten Geburtstag Moores am 21. August 2021 zu verdanken haben.

Missionierung

Ein irischer Autor, ein kanadischer, ein US-amerikanischer – Brian Moore ließ sich da nicht so festlegen, der Handlungsort von Schwarzrock dagegen liegt eindeutig in Kanada. Aus dem dortigen Québec bricht im Jahr 1635 ein junger französischer Jesuitenpater, Paul Laforgue, zur gefährlichen Reise nach Westen auf. Aus Rouen stammend, hat Paul seit einiger Zeit Sprache und Sitten der indigenen Bevölkerung, vor allen der Stämme der Algonkin und Huronen studiert. Von seinen Oberen wird er nun ausgeschickt, auf der Missionsstation Ihonatiriam im Landesinneren nach dem Rechten zu sehen. Gerüchte über eine schwere Erkrankung des dort stationierten Jesuitenpater Fernand Jérome, und über Gewalt, ja gar Mord an den Gottesmännern beunruhigen sie.

Mit dem jungen Franzosen Daniel und einer Gruppe Algonkin-Indianer, die mit Musketen und anderen Waren für die Reisebegleitung bezahlt werden, bricht Laforgue in Booten über den Sankt-Lorenz-Strom flussaufwärts Richtung Ottawa- und Mattawa-Fluss auf. Die anstrengende Reise führt über große Stromschnellen und durch feindliches Irokesengebiet. Die Irokesen sind ein kriegerisches Volk, das nicht nur die bestialische Folter von Gegnern, sondern auch den Kannibalismus praktiziert. Mit auf der Reise sind neben einem indianischen Zauberer zahlreiche Frauen, Kinder und Hunde, da sich die Algonkin auf dem Weg in die Winterquartiere befinden. Denn noch eine weitere Hürde stellt sich der Gruppe in den Weg: der drohende eisige Winter.

Reise ins Landesinnere

Führer der Expedition sind die Häuptlinge Neehatin und Chomina, letzterer mit Frau und Kindern. Chominas Tochter Annuka wiederum hat eine Liebesbeziehung zu Daniel, die aber geheim gehalten werden muss.

Mit viel Spannung und Atmosphäre schildert Brian Moore die Reise des Schwarzrock Paul Laforgue, den Kampf gegen die raue Natur, gegen Kälte, Hunger und die Ungewissheit. Besonders eindrücklich ist der Zusammenprall zweier völlig unterschiedlicher Kulturen. Die tief der Natur verbundenen Algonkin, die ein völlig freizügiges, aber auch gänzlich mitleidloses Leben führen, die der Völlerei und sexuellen Freiheit, derbem Witz und derber Sprache anhängen, sich von Träumen leiten lassen, der großen Manitu, der großen Kraft, huldigen und teils sehr brutalen Bräuchen anhängen. Und die puritanischen, strengen bis asketischen „Schwarzröcke“, die einen „Wasserzauber“ (Taufe) betreiben und die Besitz über alles zu stellen scheinen. Ein sich Verstehen scheint unmöglich. Das wird besonders auch beim Jenseitsbegriff deutlich: die Jesuiten ertragen das Leiden im Leben in Hoffnung auf ein paradiesisches Jenseits; die Algonkin leben jetzt, das Jenseits ist für sie das Dunkel.

„Wilde“

Jede der Gruppen hat für die andere nur eine moralische Überlegenheit übrig, die in Verachtung oder sogar Hass mündet. Für die Jesuiten zählen nur die von ihnen „erretteten“, das heißt getauften Seelen. Ansonsten sind die Indianer für sie nur „Wilde“. „Les sauvages“ – so bezeichneten die frommen Männer die First Nations in ihren Berichten nach Frankreich, die Brian Moore als Recherchematerial zu Schwarzrock dienten. Diesen Begriff benutzt auch Brian Moore durchgängig, in der Übersetzung von Otto Bayer sind das dann „die Wilden“. Nach dem ersten Unbehagen, das den heutigen Leser, die heutige Leserin bei einem solchen Begriff erfasst, ist das Stehenlassen dieses problematischen, kolonialistischen Begriffs durchaus stimmig.

Brian Moore hat einen prallen, einen teilweise erschreckend brutalen Abenteuerroman geschrieben, klassisch, schonungslos. Er ist präzise recherchiert, anschaulich und niemals Partei ergreifend. Und bei aller atemlosen Spannung, die der Text erzeugt, ging es dem Autor immer um die ganz großen moralischen Fragen, die ihn als Katholiken immer wieder in seinen Werken umtrieben. Für mich war Schwarzrock eine ganz große Entdeckung.

 

Beitragsbild: Paul Kane – River Scene (ca. 1850), CC0

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Brian Moore - Schwarzrock.

Brian Moore – Schwarzrock
Aus dem Englischen von Otto Bayer. Mit einem Nachwort von Julian Barnes
Diogenes September 2020, Hardcover Leinen, 288 Seiten, €  24.00

Ein Gedanke zu „Brian Moore – Schwarzrock

  1. Ah, klasse, dass du das Buch besprochen hast. Der Titel ist mir bei der Sichtung der Vorschauen direkt aufgefallen und auf dem Merkzettel gelandet. Und wenn er Dir so gut gefällt, reicht mir das als Qualitätsurteil vollkommen aus. Wird gekauft!

    Danke für die (wie immer) informative, feine Rezension!
    LG aus der kriminellen Gasse
    Stefan

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