Maryse Condé erzählt in ihrem im Original bereits 1999 erschienenen Memoir Mein Lachen und Weinen „wahre Geschichten aus meiner Kindheit“. Vor dem Erfolg ihrer Autobiografie Das ungeschminkte Leben, in der sie über ihr Studentenleben in Paris und den Weg als alleinerziehende Mutter nach Westafrika schreibt, zeichnete sie darin das Leben der Schwarzen Oberschicht auf den französischen Antillen in den 1940er und 1950er Jahren auf.
Geboren wird die Autorin 1937 als Maryse Bouclon in Pointe-á-Pire auf Guadeloupe. Der Vater höherer Kolonialbeamter, die Mutter Lehrerin, gehört die Familie mit ihren acht Kindern zu den privilegierten Kreisen in der streng geteilten karibischen Gesellschaft. Sie zählen sich zu den „Grands Nègres“ – Maryse Condé verwendet diesen umstrittenen Begriff und die Übersetzerin Ingeborg Schmutte gebraucht die deutsche Übertragung mit dem Hinweis, dass der Begriff auf den Antillen im Allgemeinen keine abwertende Bedeutung habe -, streng getrennt von den weißen Kreolen und den „Mulatten“ (auch dies ein eigentlich nicht mehr zu verwendender Begriff).
Frankophilie
Viel mehr als zum Gros der Schwarzen Bevölkerung fühlen sich die Eltern zu den Franzosen gehörig. Deren Stil, Kultur und Lebensart werden verehrt und umgesetzt.
„Hätte jemand meine Eltern nach ihrer Meinung über den Zweiten Weltkrieg gefragt, so hätten sie ohne zu zögern geantwortet, es sei die düsterste Zeit gewesen, die sie jemals erlebt hatten. Nicht etwa wegen des zweigeteilten Frankreichs, der Lager von Drancy und Auschwitz, der Ausrottung von sechs Millionen Juden, noch wegen all der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die immer noch nicht vollständig gesühnt sind, sondern weil ihnen das für sie Wichtigste sieben endlose Jahre verwehrt war: ihre Reisen nach Frankreich.“
Als französischen Beamten stand den Eltern mit allen acht Kindern jedes Jahr ein „Heimaturlaub“ zu. Hier in Frankreich fühlten sie sich französischer als manch Einheimischer. Und schauten durchaus auch auf die „einfachen“ Franzosen hinab, wenn sie sich nicht ebenbürtig behandelt fühlten.
„Wie sind gebildeter. Wir haben bessere Manieren. Wir lesen mehr. Manche von ihnen sind noch nie aus Paris hinausgekommen, während wir den Mont-Saint-Michel, die Côte d´Azur und die Baskenküste kennen.“
Zwischen Rasse und Klasse
In diesem Spannungsfeld zwischen Klassen- und Rassenzugehörigkeit erlebte Maryse Condé ihre Eltern.
„Papa und Mama sind zwei Entfremdete“ erklärte ihr der große Bruder. Entfremdet von ihren Schwarzen Landsleuten, aber auch von den so verehrten Franzosen. Maryse Condé wird diese in Mein Lachen und Weinen schon früh verortete Zerrissenheit später nach Westafrika führen, auf der Suche nach ihren afrikanischen Wurzeln.
In lebendigen Anekdoten entsteht das Bild einer insgesamt bunten, sorgenfreien karibischen Kindheit und einer sich dem Ende zuneigenden kolonialen Gesellschaft. Und das Porträt einer sich ihr Selbstvertrauen erkämpfenden, oft auch störrischen jungen Frau.
Nach der frühen Scheidung vom Vater ihrer Kinder, nach Jahren als Lehrerin in verschiedenen westafrikanischen Ländern, schreibt Maryse Condé 1984 den Bestseller Segu. Mauern aus Lehm, dem noch etliche Romane und Erzählungsbände folgen. Am 12. Oktober 2018 wird sie als Gewinnerin des „Alternativen Literaturpreises der Neuen Akademie“ bekanntgegeben.
Beitragsbild: Pointe à Pitre by serguei (CC BY-NC-ND 2.0) via Flickr
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Maryse Condé – Mein Lachen und Weinen
Aus dem Französischen von Ingeborg Schmutte
Litradukt Oktober 2020, broschiert, 149 Seiten, € 13,00
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