Verlagsvorschauen Frühjahr 2022 – Neuerscheinungen

Ein Blick in die Verlagsvorschauen Frühjahr 2022 und die Neuerscheinungen. (neu aktualisiert am 19. Januar 2022)

Vor einiger Zeit erreichte mich ein Frühlingsgruß aus dem Hause Dumont. Die Verlagsvorschau samt einer Auswahl von Frühjahrtiteln. Wie jede Saison irritiert mich das zunächst, bin ich doch noch völlig drin im Herbst/Winterprogramm und habe noch mindestens bis Februar genug spannenden Lesestoff vor mir. Meistens jedoch genügt nur ein flüchtiger Blick in den/die Kataloge und ich bin schon voller Vorfreude und Monate voraus. Die entsprechende Buchmesse hat dann meist auch schon ganze Arbeit geleistet und auf die kommenden Programme ordentlich neugierig gemacht. Das war bisher so und ist merkwürdigerweise diesen Winter anders. An der Buchmesse selbst liegt es nicht, die fand statt und war auf ihre besondere Weise ganz wunderbar: viele (vorsichtige) Begegnungen, viele, viele Lesungen, die Verleihung des Deutschen Buchpreises, zu der ich dieses Jahr als Buchpreisbloggerin geladen war – ich bin in der Rückschau so beglückt, dass das alles noch stattfinden konnte und das man da auch noch die nötige Leichtigkeit besaß. Sicher fehlten die begeisterten Verlagsmenschen, die uns Blogger:innern ihre kommenden Titel ans Herz legten, aber ich glaube einfach, ich bin pandemiebedingt ein wenig ausgebrannt. Deshalb erscheint mein üblicher Blick in die Verlagsvorschauen, auf die Titel des Frühjahr 2022, dieses Jahr ein wenig verspätet. Aber ich weiß, wie gern diese Beiträge aufgerufen werden. Und tatsächlich ist auch bei mir die Lust auf die Neuerscheinungen beim Durchschauen der Vorschauen angestiegen. Da der Gastlandauftritt Spaniens auf der Frankfurter Buchmesse 2022 sich auch bereits im Frühjahr ankündigt, habe ich entsprechende spanische, katalanische und baskische Neuerscheinungen entsprechend markiert.

Ich hoffe, auch ihr werdet ein wenig neugierig und wünsche euch viel Spaß beim Stöbern. Vor allem aber passt auf euch auf und bleibt gesund!

 

Die Texte entstammen sämtlich den Verlagsankündigungen.

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Arche

 

16.März 2022

Krisha Kops: Das ewige RauschenKrisha Kops – Das ewige Rauschen
Arche, 288 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag, € 22,–

Dort, wo sich die eurasische und die indische Kontinentalplatte treffen, steht fest in der Erde ein Banyanbaum. Durch seine Blätter und Luft­wurzeln streichen die Winde. Sie erzählen ihm die Geschichte von Abbayi und seiner deutsch-indischen Familie. Sie erzählen von einem Mädchen, das an der Ostsee geboren wird und während der Nach­kriegszeit mit seiner Familie quer durch Deutschland zieht, von Rügen über Berlin und Hagen bis nach München. Von einem indischen Bauern, der für seine Tomaten­pflanzen singt – und für seine beiden Frauen. Von einem Glückssucher, dem die Welt zu klein für seine Ideen ist und der sein Heimatland verlässt. Von einer Frau, die sich in den Fremden verliebt, und schließlich von einem jungen Mann, der sich zeit seines Lebens zwischen den Welten bewegen wird.

Anhand der Lieben und Verwerfungen, der Schicksalsschläge und Hoffnungen mehrerer Generationen auf zwei Kontinenten nähert sich der interkulturelle Philosoph Krisha Kops literarisch den universellen Fragen des Lebens: woher wir kommen, wer wir sind, wo wir Wurzeln schlagen – und was wir dafür brauchen.

 

13. April 2022

Imbi Neeme Die Wahrheit und andere ErinnerungenImbi Neeme – Die Wahrheit und andere Erinnerungen
Aus dem Englisch von Andrea O’Brien
Arche, 336 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag,

In einem sind sich alle sicher: Der Autounfall im Sommer 1982 war ein Wendepunkt. Damals kam Tina mit ihren beiden kleinen Töchtern Sam und Nicky von der Straße ab. Der Wagen überschlug sich, aber niemand wurde ernstlich verletzt. Die Eltern trennten sich jedoch in der Folge und während Sam beim Vater blieb, zog Nicky zur Mutter. Als Erwachsene führen die Schwestern ganz unter­schiedliche Leben: Nicole, die Ältere, lebt seit vielen Jahren in einer kinderlosen Beziehung mit einem reichen Unternehmer. Samantha hat eine Tochter im Teenageralter, die sie immer weniger versteht, von der Leidenschaft und großen Liebe zu Beginn ihrer Ehe kann sie nur noch träumen. Die Schwestern haben sich entfremdet, doch die Erinnerung an den Unfall kettet sie aneinander. Was ist wirklich geschehen? Um das heraus­zufinden und nicht dieselben Fehler wie ihre Eltern zu begehen, müssen Sam und Nicky das schier Unmögliche tun: das Ungesagte aussprechen, sicher geglaubte Wahrheiten hinter­fragen und die eigene Geschichte neu zusammensetzen. Wie durch ein Kaleidoskop blickt Imbi Neeme in ihrem Roman auf Familienstrukturen, ambivalente Geschwister­beziehungen, trügerische Selbstbilder und Erinnerungen in Familien.

 

Argument

 

Mary Paulson-Ellis – Die andere Mrs. Walker
Deutsch von Kathrin Bielfeldt
Ariadne 1260, 352 S., Gebunden m. SU & LB, 22 €

Margaret Penny hat ihr Leben weitgehend verbeutelt und zieht aus London zurück nach Norden, heim ins graue Edinburgh. Notgedrungen kriecht sie bei Muttern unter, einer Alkoholikerin, die praktisch nicht spricht. Jedenfalls nicht mit Margaret. Die braucht nun einen Job und findet ihn bei einer schrägen Edinburgher Einrichtung, die vor der
Bestattung sozial isolierter Menschen verwandtschaftlichen Bindungen nachspürt. Und Margaret Penny soll jetzt Angehörige der einsam gestorbenen Mrs. Walker ausgraben.
Packend und elegant fächert Mary Paulson-Ellis eine durchs zwanzigste Jahrhundert voranschreitende Familiengeschichte auf. Sie beginnt 1929 mit Alfred Walker, seiner Zwillinge entbindenden Ehegattin Dorothea und ihrer Tochter Clementine.
Der historische Faden webt sich als Familienroman hinein ins dunkle Geflecht eines Noir. Die Moderne und all ihre Frauenbilder gehen in der Erzählung auf: Verbrechen, Künste, Körper, Einsamkeit, Wahnsinn, Krieg und Moral. Nahezu mythisch entfaltet sich das Rätsel um die Orangenkerne, die verschwundenen Schwestern, die durchdrehende
Mutter, die Dickens’sche Hebamme und schließlich die verstorbene Mrs. Walker.

Aufbau

 

11. April 2022

 

david-diop-reise-ohne-wiederkehrDavid Diop – Reise ohne Wiederkehr oder Die geheimen Hefte des Michel
Übersetzt von Andreas Jandl
Aufbau, Hardcover mit Schutzumschlag, 240 Seiten, € 22,00

Eine Hymne auf die Liebe und auf die Freiheit – vom Gewinner des International Booker Prize.

David Diop erzählt die Lebensgeschichte des Botanikers Michel Adanson (1727-1806), der als erster weißer Naturforscher den Senegal bereist. Sein Ziel ist eine umfassende Enzyklopädie der afrikanischen Fauna. Als Adanson von dem tragischen Verschwinden einer jungen Frau erfährt, bekommt seine Expedition ein neues Ziel. Und er findet sie: Die mysteriöse Maram lebt als Heilerin in einem Dschungeldorf, um den Sklaventreibern zu entkommen. Adanson verliebt sich in sie und begreift immer mehr, dass sein weißes westliches Weltbild überholt ist. Trotzdem kann er Maram nicht vor ihrem Schicksal retten … Erst nach Adansons Tod findet seine Tochter die Reisehefte und begreift, wer ihr Vater wirklich war. David Diop schreibt so eindrücklich über die Leidenschaft des Entdeckens wie über die Abgründe des Kolonialismus und formt daraus eine Ode an die Liebe.

 

 

Berenberg

 

22. Februar 2022

Adania Shibli: Eine NebensacheAdania Shibli – Eine Nebensache
Aus dem Arabischen von Günther Orth
Berenberg, 128 Seiten, Halbleinen, € 22,00

Was bewahren Geschichten? Was wird erzählt, was ausgelassen? Im Sommer 1949 wird ein palästinensisches Beduinenmädchen von israelischen Soldaten vergewaltigt, ermordet und in der Wüste verscharrt. Jahrzehnte später versucht eine junge Frau aus Ramallah, mehr über diesen Vorfall herauszufinden. Sie ist fasziniert, ja besessen davon, nicht nur wegen der Art des Verbrechens, sondern vor allem, weil es auf den Tag genau fünfundzwanzig Jahre vor ihrer Geburt begangen wurde. Ein Detail am Rande, das jedoch ihr eigenes Leben mit dem des Mädchens verknüpft. Adania Shibli verwebt die Geschichten beider Frauen zu einer eindringlichen Meditation über Krieg, Gewalt und die Frage nach Gerechtigkeit im Erzählen.

 

Berlin

 

24. Februar 2021

Berit Glanz - AutomatonBerit Glanz – Automaton
Berlin Verlag, 256 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, 22,– €

Die junge Mutter Tiff muss sich mit schlecht bezahlten Online-Jobs für die Plattform Automaton durchschlagen, da sie wegen einer Angststörung ihre Wohnung kaum verlassen kann. Dass der Konzern ihre Arbeit als Leistung einer KI teuer verkauft, beginnt sie erst zu ahnen, als sie über ihr Browserfenster Zeugin eines Verbrechens wird und niemandem davon erzählen darf. Mit Hitchcock-artiger Spannungsführung zeichnet Berit Glanz eine prekäre Schattenwelt hinter all der Technik, die unseren Alltag als User beherrscht. Ein visionärer Roman, der zwischen der Klaustrophobie der eigenen vier Wände und den Hanffeldern Kaliforniens spielt und den Blick richtet auf neue Ausbeutungsverhältnisse und die Chancen virtueller Solidarität.

Blessing

 

11. April 2022

 

Wole Soyinka Die glücklichsten Menschen der WeltWole Soyinka – Die glücklichsten Menschen der Welt
Aus dem Amerikanischen von Inge Uffelmann
Blessing, Hardcover mit Schutzumschlag, ca. 550 Seiten, € 24,00

In Nigeria, das wegen Vorwahlen zur Präsidentschaft außer Rand und Band ist, verkauft ein gerissener Geschäftemacher aus einem Krankenhaus gestohlene Körperteile für rituelle Praktiken. Der Chirurg Dr. Menka, teilt seine grausige Entdeckung mit seinem ältesten College-Freund, dem Lebemann und Ingenieur Duyole Pitan-Payne. Dieser ist im Begriff, einen prestigeträchtigen Posten als Energieberater bei den Vereinten Nationen in New York anzunehmen, aber es scheint jetzt, dass jemand entschlossen ist, dies zu verhindern. Und weder Dr. Menka noch Duyole wissen, wer ihre Feinde sind.

Wole Soyinka nimmt uns mit auf eine Tour de Force: ein mit Galgenhumor versetztes hochspannende Epos darüber, wie Macht und Gier und die Schatten des britischen Kolonialismus die Seele einer jungen Nation verderben.

 

Blumenbar

 

14. März 2022

lorena-salazar-der-fluss-ist-eine-wunde-voller-fischeLorena Salazar – Der Fluss ist eine Wunde voller Fische
Übersetzt aus dem Spanischen von Grit Weirauch
Blumenbar, Gebunden mit ausklappbarem Vorsatz, 176 Seiten, 20,00 €

Eine junge Mutter und ihr Sohn durchqueren in einem kleinen Boot den strömenden Fluss Atrato in Kolumbien. Sie ist weiß, er ist schwarz. Die beiden sind auf dem Weg zur leiblichen Mutter, und im Laufe der Fahrt erfahren wir ihre gemeinsame Geschichte. Dabei fließt die Erzählung wie der Fluss, der sie trägt. Er ist die Ader der Landschaft, eines Urwalds voller Früchte, Tiere und Düfte, aber auch die Ader des menschlichen Lebens. Als der Junge entscheidet, bei wem er leben möchte, nimmt der Roman eine unerwartete Wendung … Eine literarische Reise von großer Sinnlichkeit über die Zartheit des Mutterseins, die Kraft der Freundschaft und über die Abgründe, die unsere Herkunft
mit sich bringen kann.

 

 

C.Bertelsmann

 

28. März 2022

Åsa Larsson Wer ohne Sünde istÅsa Larsson – Wer ohne Sünde ist
Aus dem Schwedischen von Lotta Rüegger und Holger Wolandt
C.Bertelsmann, Hardcover mit Schutzumschlag, 560 Seiten, € 22,00

»Bitte hilf mir, Rebecka!« Der Gerichtsmediziner Lars Pohjanen, der todkrank ist, bittet die Staatsanwältin Rebecka Martinsson, ihm zuliebe einen längst verjährten Mordfall wiederaufzunehmen. Aus purem Mitleid stimmt sie zu, auch wenn sie in Gedanken ganz woanders ist: Die beiden wichtigsten Männer in ihrem Leben – Krister, der Führer der Hundestaffel, und Mons, der smarte Jurist aus Stockholm – haben sich wütend von ihr abgewandt, nachdem Rebecka den einen mit dem anderen betrogen hat. Doch der Cold Case, dem sie sich zuwendet, benötigt ihre volle Aumerksamkeit, denn er fördert Unheilvolles über ihre Heimatstadt Kiruna zutage. Aber vor allem zwingt er Rebecka, sich dem dunkelsten Kapitel ihrer eigenen Vergangenheit zu stellen ….

Im letzten Band der gefeierten Rebecka-Martinsson-Reihe beweist Åsa Larsson mit einer fulminanten Spannungshandlung, atmosphärischen Landschaftsbeschreibungen und einem faszinierenden Porträt Kirunas einmal mehr, dass sie Schwedens unangefochtene Queen of Crime ist. Der Roman wurde mit dem Schwedischen Krimipreis ausgezeichnet.

 

C.H.Beck

 

26. Januar 2022

Dantiel W. Moniz - Milch Blut HitzeDantiel W. Moniz – Milch Blut Hitze
Aus dem Englischen von Anke Caroline Burger und Claudia Arlinghaus

Dantiel W. Moniz ist eine der aufregendsten literarischen Neuentdeckunge naus den USA . Ihre gefeierten Erzählungen «Milch Blut Hitze» sind Porträts von Menschen aus den unteren Gesellschaftsschichten Floridas. Moniz nimmt uns mit auf die Schattenseite des Sunshine State, in die Alltagswelten von Figuren, in denen es keinen Platz für große Träume gibt.
Eine Dreizehnjährige versteht ihre nicht enden wollende Traurigkeit nicht, es kommt zu einer unabsehbaren Tragödie. Eine Frau kämpft nach einer Fehlgeburt mit dem Abschied von einem Leben, das sie nicht kannte. Eine Teenagerin widersetzt sich der Kirche und erfährt den Preis dafür am eigenen Leib. Zwei entfremdete Geschwister müssen die Asche ihres toten Vaters nach Santa Fe bringen und sind auf den unendlich langen Highways gezwungen, sich den Abgründen ihrer Vergangenheit zu stellen. Aufrichtig und feinfühlig ergründet Dantiel W. Moniz die Schwächen, Ängste und Schamgefühle ihrer Figuren und erzählt dabei von Mädchen- und Frausein, Mutterschaft und Körper, von Rassismus, Liebe undVerlust. «Milch Blut Hitze» stellt sich den Fragen und Lebensgefühlen unserer Zeit und verpackt sie in eine Sprache, die einfühlsam und kompromisslos zugleich ist.

 

17. Februar 2022

Catalin Dorian Florescu - Der FeuerturmCatalin Dorian Florescu – Der Feuerturm
C.H.Beck, 368 Seiten, Gebunden, € 25,–

Als er 1892 errichtet wird, ist der Feuerturm von Bukarest das höchste Gebäude der Stadt. 1989, beim Aufstand gegen die kommunistische Diktatur, ist er es längst nicht mehr, aber er war Zeuge eines ereignisreichen Jahrhunderts. Victor Stoica, dessen Familie seit Generationen Feuerwehrmänner stellt und beim Turm lebt, ist der erste, der mit dieser Tradition bricht. Aber sein Leben, das von einem tückischen Verrat gebrandmarkt ist, steht doch ganz im Zeichen des Turms. Victor, Opfer der Repression, der durch die Hölle gehen musste, erlebt 1989 wider Erwarten, dass es doch möglich ist, auf Freiheit und Glück zu hoffen.

 

Diogenes

 

23. Februar 2022

Dror Mishani - VertrauenDror Mishani – Vertrauen
Aus dem Hebräischen von Markus Lemke
Diogenes, Hardcover Leinen, 352 Seiten, € 22.00

In einem Vorort von Tel Aviv wird vor einem Krankenhaus ein Neugeborenes gefunden. Am selben Tag verschwindet ein Tourist und lässt sein Gepäck im Hotelzimmer zurück. Inspektor Avi Avraham hat genug von Bagatellfällen und häuslichen Dramen. Deshalb stürzt er sich gleich in den rätselhaften Vermisstenfall. Doch bald merkt er, dass auch das Private Sprengstoff birgt – und gerät in ein Labyrinth aus Gewalt und Täuschung, das ihn bis nach Paris führt und nicht nur mit dem Mossad in Konflikt bringt.

 

27. April 2022

Stefan Hertmans - Der aufgangStefan Hertmans – Der Aufgang
Aus dem Niederländischen von Ira Wilhelm. Mit Fotografien
Diogenes, Hardcover Leinen, 480 Seiten, € 25.00

Als Stefan Hertmans sich zum Kauf eines alten Hauses in Gent entschließt, ahnt er nichts von den Geschichten, die sich hinter dessen Mauern abgespielt haben. Er macht sich auf die Suche nach den Spuren der früheren Bewohner und entdeckt die fesselnde Geschichte eines SS-Offiziers und dessen pazifistischer Frau. Angetrieben von einem tiefen Bedürfnis nach Verständnis, tastet sich Hertmans an diese Figuren heran und beleuchtet damit zugleich die Tragödie eines ganzen Landes.

 

25. Mai 2022

Donna Leon - Milde GabenDonna Leon – Milde Gaben
Commissario Brunettis einunddreißigster Fall
Aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz
Diogenes, Hardcover Leinen,368 Seiten, 25.00

Elisabetta Foscarini, Jugendfreundin von Brunetti und immer noch eine Schönheit, taucht eines Tages in der Questura auf. Ob Brunetti verdeckt ermitteln könne, wer die Familie ihrer Tochter bedroht? Konkrete Tathinweise fehlen. Wer sollte auch einer Tierärztin Böses wollen und einem Buchhalter, der für eine wohltätige Stiftung gearbeitet hat? Schon will Brunetti das Ganze als übertriebene mütterliche Sorge abtun, da kommt es zu einem Überfall, der menschliche Abgründe offenbart.

 

 

DTV

 

13. April 2022

Claudia Schumacher Liebe ist gewaltigClaudia Schumache – Liebe ist gewaltig
dtv Literatur, Hardcover, 320 Seiten, 22,00 €

Von Gewalt, von Zärtlichkeit und von der Macht der Befreiung
Juli wächst in einer Vorzeigefamilie auf: Die Eltern sind Rechtsanwälte, sie ist Klassenbeste. Doch in der Kleinstadtvilla herrscht das Grauen. Der Vater drillt die Kinder auf Leistung, prügelt sie und seine Frau. Juli wird älter, fordert ein Ende der Gewalt, deren Realität von der Mutter vehement abgestritten wird. Einzig ihre Brüder und eine Maus geben Halt. Doch wie kann man sich befreien, wenn man weder den Eltern noch den eigenen Erinnerungen traut? Die Befreiung gerät zum Feldzug – gegen die Eltern und das eigene Ich. Drei Jahrzehnte folgen wir Juli, die mit aller Macht versucht, die Deutungshoheit über ihr Leben zu erlangen. Ein eindringlicher Roman über Verletzungen und eine mögliche Heilung, voller Originalität und Wärme.

 

Robert Jones, Jr. - Die ProphetenRobert Jones, Jr. – Die Propheten
übersetzt von Simone Jakob
dtv Literatur, 544 Seiten, 26,00 €

»Eine Hommage an James Baldwin« The New York Times
Als sie sich auf der Baumwollplantage zum ersten Mal begegnen, ist Isaiah fünf Jahre alt, halb verdurstet und Samuel reicht ihm eine Kelle Wasser. Man hat Isaiah Vater und Mutter entrissen, Samuel kennt seine Eltern nicht. Die jungen Sklaven leben im Stall bei den Tieren, um die sie sich fortan kümmern. Samuel und Isaiah finden zueinander, doch ihre Liebe wird beargwöhnt und benutzt. Irgendwann ist die Katastrophe unvermeidbar. Robert Jones, Jr. lässt Unterdrückte und Unterdrücker erzählen: eine Geschichte von Entwurzelung und dem Kampf um Würde – und von Menschlichkeit, die dem Terror trotzt und ihre subversive Kraft entfaltet.

 

5. Juni 2022

James Baldwin Von einem Sohn dieses LandeJames Baldwin  Von einem Sohn dieses Landes
übersetzt von Miriam Mandelkow
DTV, HARDCOVER, 240 Seiten, 22,00 €

»Die Welt ist nicht mehr weiß, und sie wird nie mehr weiß sein.«
Als wäre es eine Nachricht von heute: Nachdem ein weißer Polizist einen Schwarzen erschossen hat, kommt es in Harlem 1943 zu Ausschreitungen. Inmitten der Unruhen trägt der 19-jährige James Baldwin seinen Vater zu Grabe. Das Verhältnis der beiden war zerrüttet wie das Land, das Baldwin bald Richtung Frankreich verlassen wird. Erst aus der Distanz vermag er sich seinem Vater und seiner Heimat wieder anzunähern und sich den brennenden Fragen zu stellen: Was bedeutet es, Schwarz zu sein – in den USA und in Europa? Von weißen Präsidenten regiert, von weißen Medien informiert, von einer weißen Popkultur umgeben.

In zehn Essays verbindet Baldwin Analyse und Argument mit intimen Einblicken in die Suche nach der eigenen Identität.

Dumont

 

14. März 2022

Delphine de Vigan DIE KINDER SIND KÖNIGEDelphine de Vigan – Die Kinder sind Könige
Übersetzung: Doris Heinemann
Dumont, 320 Seiten, Gebunden mit Lesebändchen, € 23,00

Wie, fragt sich die ermittelnde Polizeibeamtin Clara, soll man einen Verdächtigen ausmachen bei einem vermissten Kind, das Tausende Menschen kennen und mehrfach täglich sehen? Schnell begreift sie, dass ihre Ermittlungsmethoden in der virtuellen Welt vollkommen nutzlos sind. Mit diesem Fall tritt Clara in eine Welt, von der sie so gut wie nichts wusste. Ihre Arbeit findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, und auch privat ist sie eine zurückgezogene Frau. Schon immer konnte sie mit ihrem Alleinsein umgehen. Mélanie dagegen kann ohne die Aufmerksamkeit ihrer Follower nicht leben. Alles, was sie ist und was sie erreicht hat, verdankt sie dem Netz. Nicht einen Moment kommt ihr der Gedanke, ihre Tochter könnte dieses Leben nicht lieben, könnte sich vielmehr danach sehnen, ein unbekanntes Mädchen zu sein. Den Vorwurf der Ausbeutung ihrer Kinder weist Mélanie verletzt von sich. Und doch wird sie Jahre nach Kimmys Verschwinden genau dessen angeklagt.

 

12. April 2022

Volker Widmann DIE MOLCHEVolker Widmann – Die Molche
Dumont, 256 Seiten, Gebunden mit Lesebändchen, € 22,00

Ein bayerisches Dorf im Nachkriegsdeutschland: Als Zugezogener hat der 11-jährige Max es schwer, Freunde zu finden. Daher sind er und sein verträumter Bruder die idealen Opfer für eine Bande derber Dorfjungen. Und so schauen alle zu, wie Max’ Bruder eines Tages in die Enge getrieben wird, der Erste einen Stein wirft, dann ein Stein nach dem anderen fliegt. Der Junge stirbt. Auch Max hat zugesehen und aus Angst nicht geholfen. Von den Erwachsenen wird die Tat schnell als Unfall abgetan Wieder ist Max, der mit niemandem über seine Einsamkeit und die Quälereien sprechen kann, mit seinen Gefühlen allein. Wie die anderen Kinder versteht auch Max die Erwachsenen nicht: die tüchtigen Mütter, die unnahbaren Väter, ihre unberechenbare Härte gegenüber den Kindern, ihr Schweigen, wenn es um die Vergangenheit geht, ihr Wegschauen bei Konflikten. Geplagt von seiner Schuld und dem Schmerz über den Verlust seines Bruders, flüchtet er sich in seine Streifzüge in die Umgebung des Dorfes, in seine Beobachtungen der Natur, deren Schönheit ihm Trost spendet. So wie die Molche. Seine Entdeckungen lenken Max ab, bis er schließlich doch zwei Freunde findet – und Marga. Gemeinsam beschließen sie, gegen die Bande vorzugehen.

ECCO Verlag

26. April 2022

LEILA MOTTLEY NachtschwärmerinLeila Mottley – Nachtschwärmerin
Aus dem amerikanischen Englisch von Yasemin Dinçer
Ecco, 416 Seiten, gebunden mit Lesebändchen, € 22,–

Die siebzehnjährige Kiara lebt mit ihrem älteren Bruder Marcus in einem heruntergekommenen Apartment in East Oakland, Kalifornien. Die beiden Geschwister haben die Highschool ohne Abschluss verlassen und sind ohne ihre Eltern auf sich allein gestellt. Kiara versucht verzweifelt, Arbeit zu finden, um die Miete zu bezahlen. Doch niemand gibt einer Minderjährigen einen Job. So landet sie schließlich in der Prostitution. Ihr einziger Lichtblick ist der zehnjährige Nachbarssohn Trevor, um den sie sich hingebungsvoll kümmert. Bis ihr Name im Rahmen eines Skandalprozesses gegen die Polizei genannt wird. Sagt Kiara dort aus, wird sie alle in Gefahr bringen, die sie liebt…

 

24. Mai 2022

Leila-Mottley-NachtschwaermerJenny Tinghui Zhang – Fünf Leben
Aus dem amerikanischen Englisch von Brigitte Jakobeit
Ecco Verlag, 400 Seiten, Gebunden mit Lesebändchen, € 22,–

Die junge Daiyu muss die Heimat und die Zukunft, die sie sich erträumt hatte, aufgeben, als sie entführt und über den Ozean von China nach Amerika geschmuggelt wird. Über die folgenden Jahre muss sie sich beständig neu erfinden, um zu überleben. Von einer Kalligraphieschule in China über ein Bordell in San Francisco bis zu einem kleinen Laden, versteckt in den Bergen Idahos gelegen, versucht Daiyu verzweifelt, der Tragödie zu entkommen, die sie verfolgt. Aber dann geht eine Welle von Rassismus durchs Land, die sich gegen Einwanderer aus China richtet, und führt zu unsäglicher Gewalt und Lynchmorden. Daiyu muss all ihre Stärke aufbringen, sich zurückerinnern an alle Rollen, die sie schon ausgefüllt hat – um endlich ihren eigenen Namen und ihre Geschichte zurückzuerobern.

Edition Atelier

 

28. Februar 2022

Andreas Jungwirth – Im Atlas
Edition Atelier, 296 Seiten, gebunden, € 24,00

Diesen Urlaub haben David und Stefan dringend nötig. Acht Tage Marokko, von Marrakesch in die Wüste – um dort den einzigartigen Nachthimmel zu sehen. Doch die Reise steht schon vor Beginn unter keinem guten Stern. Einen Tag vor dem Abflug geht ein Video von der Ermordung zweier Däninnen im Touristenort Imhil viral. Stefan will den Flug stornieren. Aber David, der sich von den Bildern auf seltsame Weise angezogen fühlt, überredet ihn, die Reise anzutreten. In Marokko bleibt die Stimmung angespannt. Sie sind sich uneinig, ob sie ihre Beziehung hier offen zeigen sollen, und ihr Fahrer Kalifa erscheint ihnen von Tag zu Tag rätselhafter. Als er David und Stefan im Hohen Atlas auf der Straße sitzen lässt, wandern sie wohl oder übel zum nächstgelegenen Ort: ausgerechnet nach Imhil … Andreas Jungwirth führt uns in seinem Reiseroman versiert und zielsicher auf die abseitigen, unbetretenen Pfade – zu einer Beziehung, zur Konfrontation mit der eigenen Vergangenheit und schließlich über die Grenzen des Erwartbaren.

Eisele Verlag

 

28. April 2022

Margaret Laurence: Eine Laune GottesMargaret Laurence – Eine Laune Gottes
Aus dem kanadischen Englischen von Monika Baark
Eisele 352 Seiten│Gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 24,00 €

Rachel Camerons Leben ist bestimmt von ihrer Arbeit als Lehrerin und den Erwartungen ihrer stark hilfsbedürftigen Mutter. Seit der Vater starb, gibt es außer ihr niemand, der sich um die kränkliche Witwe kümmern könnte. So scheint Rachels Schicksal besiegelt – als Mauerblümchen wird sie in der kanadischen Provinzstadt Manawaka ein beengtes und ereignisloses Leben führen. Doch dann begegnet Rachel ihrem ehemaligen Schulfreund Nick wieder, der für die Sommermonate zu Besuch bei seinen Eltern ist. Er geht mit ihr aus und beginnt eine Affäre mit ihr. Und obwohl Rachel ahnt, dass diese Beziehung nicht von Dauer sein kann, stürzt sie sich in dieses Verhältnis. Doch langsam beginnt sie zu begreifen, dass sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen muss, wenn sie sich nicht von den äußeren Umständen erdrücken lassen will … Eine Laune Gottes, mit einem Nachwort von Margaret Atwood, stellt erneut eine starke und ungewöhnliche Frauenfigur in den Mittelpunkt: Hin- und hergerissen zwischen Konventionen, selbstauferlegten Geboten und der Enge der Provinz auf der einen Seite und den eigenen Bedürfnissen auf der anderen, erzählt Margaret Laurence voller Mitgefühl von Rachels Erwachen und ihrem Weg zu einem selbstbestimmten Dasein.

 

Elster&Salis

 

14. März 2022

Der Ursprung der Gewalt Fabrice HumbertFabrice Humbert – Der Ursprung der Gewalt 
aus dem Französischen von Claudia Marquardt
Elster&Salis, Gebunden, Lesebändchen,320 Seiten, € 24,00

Nathan Fabre, ein junger Lehrer aus Paris, entdeckt während einer Klassenreise zum Konzentrationslager Buchenwald in einer Vitrine das Foto eines Häftlings, das ihn verwirrt: Der Mann sieht seinem Vater verblüffend ähnlich. Dieser jedoch wurde nie deportiert, auch sein Großvater nicht – wer ist der geheimnisvolle Fremde?
Zurück in Paris stellt Nathan Nachforschungen an und findet bald heraus, dass der Fremde auf dem Foto David Wagner heißt und in Wahrheit sein Großvater ist. Nach und nach setzt sich ein zweiter, bisher verborgener Zweig seiner Familie zusammen, die Wagners, die mit den Fabres durch Leidenschaft und Denunziation, Schuld und Verzeihen verwoben sind.
Auf einer Suche durch Frankreich und Deutschland, in seinem neuen Leben, das er mit einer jungen Deutschen teilt, die er gerade kennengelernt hat, erforscht Nathan die Geschichte der Großeltern, der Eltern und ebenso die eigene Identität: Wer zum Ursprung der Gewalt vordringt, trifft schließlich auch auf die eigene Gewalt.

FVA

 

25. Februar 2022

Nino Haratischwili – Das mangelnde Licht
Frankfurter Verlagsanstalt, 852 Seiten, Schön gebunden, 34,– €

Nach der lang ersehnten Unabhängigkeit vom ins Taumeln geratenen Riesen stürzt der junge georgische Staat ins Chaos. Zwischen den feuchten Wänden und verwunschenen Holzbalkonen der Tbilisser Altstadt finden Ende der 1980er-Jahre vier Mädchen zusammen: die freiheitshungrige Dina, die kluge Außenseiterin Ira, die romantische Nene, Nichte des mächtigsten Kriminellen der Stadt, und die sensible Qeto. Die erste große Liebe, die nur im Verborgenen blühen darf, die aufbrandende Gewalt in den Straßen, die Stromausfälle, das ins Land gespülte Heroin und die Gespaltenheit einer jungen Demokratie im Bürgerkrieg – allem trotzt ihre Freundschaft, bis ein unverzeihlicher Verrat und ein tragischer Tod sie schließlich doch auseinandersprengen. Erst 2019 in Brüssel, anlässlich einer großen Retrospektive mit Fotografien ihrer toten Freundin, kommt es zu einer Wiederbegegnung. Die Bilder zeigen ihre Geschichte, die zugleich die  Geschichte ihres Landes ist, eine intime Rückschau, die sie zwingt, den Vorhang über der Vergangenheit zu heben – und eine Vergebung scheint möglich. In Das mangelnde Licht erzählt Nino Haratischwili von einem verlorenen Land und einer verlorenen Generation, einer Revolution, die ihre Kinder frisst, und einer bedingungslosen Frauenfreundschaft, die dem Tod trotzt. Ein großer Roman mit epischem Atem und von dramatischer Pracht, der aufbricht wie ein Granatapfel – und eine Hommage an Georgien, an die Stadt Tbilissi und ihre Menschen, eine Liebeserklärung durch die Zeiten hindurch.

 

Fischerverlage

 

23. Februar 2022

Katerina Poladjan Autorin ZukunftsmusikKaterina Poladjan – Zukunftsmusik
S. FISCHER, gebunden, 192 Seiten, € 22,00

Der neue Roman von Katerina Poladjan über vier Generationen von Frauen, eine Kommunalka und das Ende einer Epoche. In der sibirischen Weite, tausende Werst östlich von Moskau, leben in einer Kommunalka auf engstem Raum Großmutter, Mutter, Tochter und Enkelin unter dem bröckelnden Putz einer vergangenen Zeit. Es ist der 11. März 1985, Beginn einer Zeitenwende, von der noch niemand etwas ahnt. Alle gehen ihrem Alltag nach. Der Ingenieur von nebenan versucht, sein Leben in Kästchen zu sortieren, Warwara hilft einem Kind auf die Welt, Maria träumt von der Liebe, Janka will am Abend in der Küche singen. »Zukunftsmusik« ist ein großer Roman über vier Leben am Wendepunkt, über eine untergegangene Welt, die bis heute nachwirkt, über die Absurdität des Daseins und die große Frage des Hier und Jetzt: Was tun?

 

9. März 2022

Anna Yeliz Schentke - KangalAnna Yeliz Schentke – Kangal
S.Fischer, gebunden, 208 Seiten, € 21,00

Dilek und Tekin sind ein junges Paar in Istanbul. Nicht erst seit dem Juli 2016 hat sich auch für sie die Stadt verändert. Als Dilek Jahre später in ein Flugzeug steigt, weiß ihr Freund nichts davon, niemand soll wissen, dass sie, die online »Kangal« heißt, bald in Frankfurt landet. Ayla ist überrascht, als ihre Cousine Dilek sich bei ihr meldet, die gemeinsamen Sommer sind lange her. Und während sich Tekin in Istanbul auf die Suche macht, fragt sich Ayla: Wer ist Dilek heute? Sie will ihr glauben, aber ist das, was Dilek fürchtet, auch wahr? Anna Yeliz Schentke erzählt furchtlos und aufrichtig von der Freundschaft in instabilen Zeiten. »Kangal« ist ein atemloser Roman über aktuelle Unterdrückung und über eine Generation, die auf der Suche ist: nach einer gemeinsamen Sprache, nach Sicherheit und Zugehörigkeit.

 

27. Juli 2022

Javier Cercas - Die ErpressungJavier Cercas – Die Erpressung
Übersetzt von: Susanne Lange

S.Fischer, 432 Seiten, gebunden, € 24,00

Aus der Abgeschiedenheit der Terra Alta kehrt Melchor Marín ins hitzige Leben Barcelonas zurück. Als die Bürgermeisterin der Metropole auf schamlose Weise erpresst wird, droht ein politischer Skandal. Melchor ermittelt mit seinem unbeugsamen Sinn für Gerechtigkeit gegen einen mysteriösen Täter, dessen Absicht unklar bleibt.
Seine Suche führt zu den Wortführern der katalanischen Unabhängigkeit, wo Zynismus, Skrupellosigkeit und hemmungslose Gier herrschen. Und völlig unerwartet sieht er sich mit der eigenen Vergangenheit konfrontiert.
Dieser fesselnde und wilde Roman führt in die Hinterzimmer der Macht und ist ein wütendes Plädoyer gegen Korruption und Populismus.

Galiani

 

10. Februar 2022

tschingis-aitmatow-djamilaKat Menschik/Tschingis Aitmatow – Djamila
Illustrierte Lieblingsbücher, Band 12
Übersetzt von: Gisela Drohla
Galiani-Berlin, gebunden, 112 Seiten, € 20,00

Als sie Danijar singen hört, verändert sich Djamilas Blick auf ihn – und ihr Leben: Im Lied des verschlossenen Kriegsinvaliden offenbaren sich tiefe Sehnsucht, Schmerz und die Liebe zur Welt. Wie durch Zauber erhellt seine Stimme die sommerliche Augustnacht in den Bergen Kirgisiens. Djamila, deren Mann kurz nach der Hochzeit in den Krieg gezogen ist, beginnt, sich rettungslos in ihn zu verlieben. Auch für Said, den 15-jährigen Schwager und ständigen Begleiter Djamilas, ändert sich vieles. Er sieht die verbotene Liebe wachsen, bewahrt aber das Geheimnis für sich. Über Danijars Gesang findet er Zugang zu seiner künstlerischen Natur als Maler und verfolgt staunend mit, wie die Verliebten den von allen anderen für unüberwindbar gehaltenen Gesetzen der Tradition entgegentreten.
Als Djamilas Ehemann zurückkehrt, flieht das Liebespaar aus dem Dorf – und auch für den jungen Said ist der Moment des Abschieds und Aufbruchs in die Welt gekommen. Aitmatows weltberühmte Geschichte hat Kat Menschik seit ihrer Jugend fasziniert. Mit ihrem grandios ausgestatteten und illustrierten Buch gibt sie Djamila nun eine visuelle Kulisse – so zauberhaft, sehnsüchtig und sonnendurchtränkt wie ein Hochsommertag in der kirgisischen Landschaft.

 

10. März 2022

 JAN COSTIN WAGNER - Am roten StrandJan Costin Wagner – Am roten Strand
Galiani-Berlin, gebunden, 304 Seiten, € 22,00

Gerade hat das Ermittlerteam um Ben Neven und Christian Sandner ein entführtes Kind befreien und einen der Täter fassen können. Allerdings läuft eine interne Untersuchung an, weil Ben dabei einen der Entführer erschossen hat – da wird klar, dass der Fall eine noch weit größere Dimension hat. Die Polizisten finden Hinweise, dass es ein ganzes Netzwerk von Tätern gibt, die sich gegenseitig im Internet austauschen – kurz danach wird einer von ihnen ermordet. Auch der Verdächtige in Untersuchungshaft stirbt auf rätselhafte Art und Weise. Irgendwann wird klar: nicht nur die Polizei, auch frühere Opfer sind wohl auf das Netzwerk gestoßen – und nehmen jetzt Rache. Die Ermittler finden sich in der paradoxen Situation wieder, dass sie einerseits gegen Verbrecher ermitteln, deren Taten in ihnen eine tiefe Verstörung auslösen – und dass sie diese Täter gleichzeitig vor einer unbekannten Bedrohung schützen müssen. Und ausgerechnet der Polizist, in dem viele seiner Kollegen einen Helden sehen, bewahrt ein Geheimnis, vor dem er sich selbst entsetzt …

 

Hanser

 

24. Januar 2022

Abbas Khider Der ErinnerungsfälscherAbbas Khider – Der Erinnerungsfälscher
Hanser Verlag, Fester Einband, 128 Seiten, 19,00 €

Said Al-Wahid hat seinen Reisepass überall dabei, auch wenn er in Berlin-Neukölln nur in den Supermarkt geht. Als er eines Tages die Nachricht erhält, seine Mutter liege im Sterben, reist er zum ersten Mal seit Jahren in das Land seiner Herkunft. Je näher er seiner in Bagdad verbliebenen Familie kommt, desto tiefer gehen die Erinnerungen zurück, an die Jahre des Ankommens in Deutschland, an die monatelange Flucht und schließlich an die Kindheit im Irak. Welche Erinnerungen fehlen, welche sind erfunden und welche verfälscht? Said weiß es nicht. Es ist seine Rettung bis heute. Eine Lebensgeschichte von enormer Wucht. In diesem bewegenden und poetischen Roman liegt der Klang eines ganzen Lebens.

 

Yasmina Reza - SergeYasmina Reza – Serge
übersetzt aus dem Französischen von Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel
Hanser, Fester Einband, 208 Seiten, 22,00 €

Die Geschwister Popper: Serge, verkrachtes Genie und homme à femmes, Jean, der Vermittler und Ich-Erzähler, und Nana, die verwöhnte Jüngste mit dem unpassenden spanischen Mann. Eine jüdische Familie. Nach dem Tod der Mutter entfremdet man sich immer mehr. Zu ihren Lebzeiten hat keiner die alte Frau nach der Shoah und ihren ungarischen Vorfahren gefragt. Jetzt schlägt Serges Tochter Joséphine einen Besuch in Auschwitz vor. Virtuos hält Reza das Gleichgewicht zwischen Komik und Tragik, wenn bei der touristischen Besichtigung die Temperamente aufeinanderprallen. Hinter den messerscharfen Dialogen ist es gerade die existentielle Hilflosigkeit dieser Menschen, die berührt.

 

Monika Helfer - LöwenherzMonika Helfer – Löwenherz
Hanser Verlag, 192 Seiten, Fester Einband, 20,00 €

Monika Helfer erinnert sich an ihren Bruder Richard. Seit dem Tod der Mutter wachsen sie und ihre Schwestern getrennt vom kleinen Bruder auf. Sie sehen sich selten, verlieren die Verbindung. Es ist die Zeit des Deutschen Herbstes. Richard ist da bereits ein junger Mann, von Beruf Schriftsetzer. Er ist ein Sonderling, das Leben scheint ihm wenig wichtig. Verantwortung übernimmt er nur, wenn sie ihm angetragen wird. So auch, als ihm auf merkwürdige Weise eine verflossene Liebe ein Kind überlässt, von dem er nur den Spitznamen kennt. Die unfreiwillige Vaterrolle gibt ihm neuen Halt, zumindest für eine Zeit. Ein inniges Portrait, eine Geschichte über Fürsorge, Schuldgefühle und Familienbande.

 

14. Februar 2022

Fatma Aydemir - DschinnsFatma Aydemir – Dschinns
Hanser Verlag, 368 Seiten, Fester Einband, 24,00 €

Dreißig Jahre hat Hüseyin in Deutschland gearbeitet, nun erfüllt er sich endlich seinen Traum: eine Eigentumswohnung in Istanbul. Nur um am Tag des Einzugs an einem Herzinfarkt zu sterben. Zur Beerdigung reist ihm seine Familie aus Deutschland nach. Fatma Aydemirs großer Gesellschaftsroman erzählt von sechs grundverschiedene Menschen, die zufällig miteinander verwandt sind. Alle haben sie ihr eigenes Gepäck dabei: Geheimnisse, Wünsche, Wunden. Was sie jedoch vereint: das Gefühl, dass sie in Hüseyins Wohnung jemand beobachtet. Voller Wucht und Schönheit fragt „Dschinns“ nach dem Gebilde Familie, den Blick tief hineingerichtet in die Geschichte der vergangenen Jahrzehnte und weit voraus.

 

Orhan Pamuk - Die Nächte der PestOrhan Pamuk – Die Nächte der Pest
übersetzt aus dem Türkischen von Gerhard Meier
Hanser Verlag, 800 Seiten, Fester Einband, 32,00 €

Als im Jahre 1901 auf Minger die Pest ausbricht, beschuldigen sich Muslime und Christen gegenseitig. Ob nun die Pilger aus Mekka den Erreger eingeschleppt haben oder die Händler aus Alexandrien, auf der Insel herrschen chaotische Zustände. Als schließlich der Sultan Abdülhamit II. sowie England und Frankreich die Insel mit Kriegsschiffen blockieren lassen, um die weitere Ausbreitung der Pest zu verhindern, sind die Menschen auf Minger auf sich allein gestellt. Orhan Pamuks neues Buch ist einzigartiger Abgesang auf das von Nationalismus und Aberglaube gefährdete Osmanische Reich sowie ein großer historischer Roman in dem sich Phantasie und Wirklichkeit, Vergangenheit und Gegenwart, Ost und West raffiniert verbinden.

 

Hanser Berlin

 

11. April 2022

Sarah M. Broom - Das gelbe HausSarah M. Broom – Das gelbe Haus
übersetzt aus dem Englischen von Tanja Handels
Hanser Berlin, Fester Einband, 480 Seiten, 26,00 €

Ein gelbes Holzhaus in einem vernachlässigten Viertel New Orleans ist jahrzehntelang das Zentrum der Familie Mae Broom – bis Hurrikan Katrina es zerstört. Ein ganzer Stadtteil wird von der Landkarte gespült und mit ihm die Habseligkeiten und Erinnerungen der Familie. Doch Sarah M. Broom widersetzt sich dem Verlust und der Verdrängung. Lebhaft erinnert sie die Scham, die sie mit diesem Ort verband, die Liebe ihrer Familie und ihren stoischen Widerstand gegen die Gewalt der Natur und der amerikanischen Geschichte. Immer tiefer dringt sie in die Biografie eines Ortes und seiner Bewohner vor und deckt dabei die fatalen Ungleichheiten einer ganzen Gesellschaft auf. Das gelbe Haus ist ein berauschendes Memoir geschrieben mit der erzählerischen Intensität eines Romans.

Hanserblau

24. Januar 2022

Lea Draeger - Wenn ich euch verraten könnteLea Draeger – Wenn ich euch verraten könnte
hanserblau, 288 Seiten, Fester Einband, 23,00 €

„Als mein Großvater zwölf Jahre alt war, erhängte sich mein Urgroßvater am Deckenbalken seiner Backstube mit einer Hundeleine. Die Füße schwebten über dem Arbeitstisch. Er schaute starr von oben hinunter auf sein Kind.“
In ihrem kompromisslosen Debüt erzählt Lea Draeger die Geschichte einer Familie, deren Herkunft die Gegenwart überschattet. Nach und nach entsteht ein Kaleidoskop aus Verletzungen und Sprachlosigkeit, das die Leben von Großmutter, Mutter und Tochter prägt – sie alle sind verzweifelt und grausam, traurig und stark zugleich. Der Tochter aber wird es gelingen, die weitergetragenen Traumata zu überwinden, indem sie sich der Familienvergangenheit entgegenstellt.

Hoffmann und Campe

 

2. März 2022

Wolf Haas - MüllWolf Haas – Müll
Hoffmann und Campe, gebunden, 288 Seiten, € 24,00

Auf einem der Wiener Mistplätze (dt.: Altstoffsammelzentrum) herrscht strenge Ordnung, bis eines Tages in der Sperrmüllwanne ein menschliches Knie gefunden wird. Schnell tauchen in anderen Wannen weitere Leichenteile auf, die entgegen der Mistplatzordnung und zum großen Leidwesen der Müllmänner allesamt nicht korrekt eingeworfen wurden. Nur vom Herz des zerlegten Toten fehlt jede Spur. Die Kripo weiß nicht weiter. Zum Glück ist unter den Müllmännern ein Ex-Kollege, der nicht nur das fehlende Herz samt Begleitschreiben findet, sondern auch nie vergessen hat, was man bei Mord bedenken muss. Und damit steckt Simon Brenner nicht nur in einem neuen Fall, sondern auch bis zum Hals in Schwierigkeiten.

 

Insel

 

14. Februar 2022

Abigail Assor So reich wie der KönigAbigail Assor – So reich wie der König
Aus dem Französischen von Nicola Denis
Insel Verlag, 224 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag, € 23,–

Sarah, die sechzehnjährige, bildschöne Französin, hat nichts. Driss, der Sohn einer der wohlhabendsten muslimischen Familien hingegen hat alles, ist reich wie der König. Sarah beschließt, ihn zu verführen, ihn zu heiraten. Ihr Weg dahin führt sie durch die Stadt Casablanca, in all ihren Facetten: von den Armenbaracken mit den Prostituierten und Abgeschlagenen, wo Sarah mit ihrer Mutter lebt, bis in die Villenviertel auf den Hügeln, zu den reichen Jugendlichen, die jointsrauchend in üppigen Gärten an Pools sitzen und nachts durch die Clubs der Stadt ziehen – während sich unten, in den Baracken, alle nach einem Ort weit weg sehnen, einem unerreichbaren Ort. Sarah ist entschlossen, diesen Ort zu erreichen, ganz gleich, was sie dafür opfern muss. So reich wie der König erzählt vom Aufstieg und Fall einer jungen Frau im Casablanca der 1990er Jahre. Von einer pulsierenden Stadt voller Widersprüche und zwei jungen Menschen, für die die Liebe notgedrungen zur Verhandlungsmasse wird. Ein Roman von sinnlicher und poetischer Sprachgewalt, der zwischen Schönheit und Härte changiert.

Kanon

 

16. Februar 2022

Stine Pilgaard - Meter pro SekundeStine Pilgaard – Meter pro Sekunde
Aus dem Dänischen von Hinrich Schmidt-Henkel
Kanon, 253 Seiten, Gebunden, € 23,–

In Dänemark war Meter pro Sekunde der erfolgreichste Roman der letzten Jahre. Seine besondere Mischung aus Humor, Menschenfreundlichkeit und Sprachkunst macht ihn zum Buch unserer Tage. Kühe, Windräder und die sonderbare Welt einer Internatsschule: Eine junge Mutter zieht mit Mann und Baby nach Westjütland, ins »Land der kurzen Sätze«. Eine einfache Unterhaltung wird für sie zum Wagnis, und das Leben selbst ist auf einmal voller Hindernisse. Mutterschaft, Ehe und Fahrprüfung: alles kaum zu schaffen. Doch als sie Kummerkasten-Redakteurin bei der lokalen Zeitung wird, ändert sich ihr Leben, und der Himmel bricht auf. – Übersetzt in zahlreiche Sprachen, von Hinrich Schmidt-Henkel in ein wunderbar klingendes Deutsch gebracht.

 

Kampa

22. Februar 2022

GRAEME MACRAE BURNET - FallstudieGRAEME MACRAE BURNET – Fallstudie
Aus dem Englischen von Georg Deggerich
Kampa, 368 Seiten, Gebunden, € 24,–

»Ich bin davon überzeugt, dass Dr Braithwaite meine Schwester Veronica getötet hat. Damit meine ich nicht, dass er sie im üblichen Wortsinn ermordet hat, dennoch ist er für ihren Tod verantwortlich, als hätte er sie mit seinen eigenen Händen erwürgt.« Zwei Jahre zuvor, im Herbst 1963, ist Veronica in Camden von der Fußgängerüberführung gesprungen und vom 4:45-Uhr-Zug nach High Barnet überfahren worden. Niemand hätte ihr das zugetraut. Am wenigsten ihre Schwester. Und so wird diese bei Dr Braithwaite, Veronicas charismatischem Therapeuten, vorstellig, allerdings unter falschem Namen: als zutiefst aufgewühlte Patientin Rebecca Smyth. Sie ist entschlossen, der seltsamen Beziehung zwischen Braithwaite und Veronica auf den Grund zu gehen, die Umstände des Selbstmords ihrer Schwester aufzuklären. Wird ihre Darstellung den Psychologen überzeugen? Ein hochspannendes Katz-und-Maus-Spiel zwischen einem Therapeuten und seiner Patientin. Was ist wahr, was Täuschung? Wer ist wer, wer glaubt wem was – und was dürfen, was können wir Leser glauben?

 

28. April 2022

JAMAICA KINCAID - Annie JohnJAMAICA KINCAID – Annie John
Aus dem Englischen von Barbara Henninges
Kampa, 244 Seiten, Gebunden, € 22,–

Annie Johns Kindheit auf der Karibikinsel Antigua scheint rundum unbeschwert. Wissbegierig, fröhlich und ein wenig frech, wie sie ist, macht sie täglich neue und höchst erstaunliche Entdeckungen: dass auch Kinder sterben können zum Beispiel und wie sie aussehen, wenn sie im Sarg liegen, dass heiße Kräuterbäder gegen die bösen Geister helfen, die ehemalige Freundinnen von Annies Vater gegen die Familie aufgehetzt haben, dass man von einem Tag auf den anderen vom Mädchen zur »jungen Dame« werden kann – und das nicht nur Gutes mit sich bringt. Denn plötzlich wendet sich Annies geliebte Mutter brüsk von ihr ab. Eine Zeit der Geheimnisse, der Rebellion und der Ablösung beginnt. Bis Annie einen emotionalen Zusammenbruch erleidet, der alles verändert.

 

 

Kein&Aber

 

8. März 2022

Anne Tyler – Eine gemeinsame SacheAnne Tyler – Eine gemeinsame Sache
Aus dem Englischen von Michaela Grabinger
Kein & Aber, Hardcover, 448 Seiten, 26,00 EUR

Wie bei der Familie Tull in „Dinner im Restaurant Heimweh“ und den Whitshanks in „Der leuchtend blaue Faden“ begleitet Anne Tyler in „Eine gemeinsame Sache“ die unvergessliche Familie Garrett im Laufe mehrerer Jahrzehnte. Dabei deckt sie nicht nur Geheimnisse auf, sondern zeigt, wie wir all die subtilen Äußerungen von Liebe, Enttäuschung, Stolz und Ablehnung unserer Nächsten verinnerlichen. Denn schon das Verhalten eines einzelnen Familienmitglieds kann die familiären Beziehungen über Generationen hinweg prägen. Anne Tyler zeichnet ihre Figuren mit feinem Witz, voller Empathie und so nahe am Leben, dass sich jede und jeder im geschilderten Familienleben wiedererkennt.

 

Sven Pfizenmaier – Draußen feiern die LeuteSven Pfizenmaier – Draußen feiern die Leute
Kein & Aber, Hardcover, 336 Seiten, 24,00 EUR

Ein ganz normales Dorf in Deutschland: in der Mitte ein Kreisel, daneben die Volksbank und im September das alljährliche Zwiebelfest. Aber nicht alle hier können sich dem Dorfgefüge anpassen – Timo, Valerie und Richard sind seit ihrer Geburt Außenseiter. Als allmählich immer mehr junge Leute im ganzen Land spurlos verschwinden und in den Familien große Lücken hinterlassen, machen sie sich auf die Suche nach den Vermissten. Das Leben der drei ist schon immer besonders gewesen, doch sie haben keine Vorstellung davon, was sie mit ihrer Suche lostreten. Ein überbordender, mutiger und schriller Roman über die deutsche Provinz und das Anderssein in einem Umfeld, in dem Anderssein nicht vorgesehen ist.

 

Kiepenheuer und Witsch

 

10. März 2022

Yade Yasemin Önder - Wir wissen, wir könnten, und fallen synchronYade Yasemin Önder – Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron
Kiepenheuer&Witsch, 288 Seiten, gebunden, € 20,00

Schon immer haben drei Bestandteile ausgereicht, um die Welt neu zu erschaffen und zurück ins Chaos zu stürzen: Vater, Mutter, Kind. Yade Yasemin Önder bringt diese Akteure so virtuos auf Kollisionskurs, dass einem die Luft wegbleibt: ein im schönsten Sinne atemberaubendes Debüt. Im Jahr nach Tschernobyl wird die Ich-Erzählerin geboren, irgendwo in der Westdeutschen Provinz, als »Mischling aus meiner Mutter und meinem Vater«, wie es heißt. Doch die intakte Kernfamilie währt nicht lange: Der türkische Vater (so übergewichtig, dass man »fast nichts mit ihm machen kann, was mit Schwerkraft zu tun hat«) stirbt. Alleingelassen ergeben Tochter und Mutter eine toxische Mischung. Der Roman erzählt, wie ein Mädchen hinausfindet aus einer beschädigten Familienaufstellung hinein in eine düster-funkelnde BRD. Er erzählt von einem Großvater mit Loch im Hals, von Sommern in Istanbul, die nach zu heißen Elektrogeräten riechen und nach Anis; von Dingen und Menschen, die auf Nimmerwiedersehen aus dem Fenster fliegen. Es ist die Geschichte einer jungen Frau, die sich immer wieder verliert und wiederfindet, auseinanderfällt und neu zusammensetzt. Bei alldem bleibt der Vater ein Wiedergänger, der deutlich macht: Auch jemand, der fehlt, kann zu viel sein. Önders Debüt ist ein wilder Roman über den Körper, über Fremdheit und Ankommen, über Identität und Differenz, der durch seine Kühnheit immer wieder verblüfft: schnell und klug und bei aller Düsterkeit irrsinnig komisch.

 

7. April 2022

J. M. G. Le Clézio - Bretonisches LiedJ. M. G. Le Clézio – Bretonisches Lied
Übersetzt von: Uli Wittmann
Kiepenheuer&Witsch, gebunden, 192 Seiten, € 20,00

Der französische Nobelpreisträger Jean-Marie Gustave Le Clézio erinnert sich in »Bretonisches Lied« an seine Kinder- und Jugendzeit. An die Urlaube mit der Familie in der Bretagne und in »Das Kind und der Krieg« an seine frühe Kindheit im besetzten Süden Frankreichs. Zwei eindrückliche autobiografische Erzählungen aus einem anderen Jahrhundert, die in Frankreich die Bestsellerlisten gestürmt haben. Nostalgisch, aber nie sentimental, so erinnert sich J.M.G. Le Clézio an die Bretagne seiner Kindheit und Jugend. Von 1948 bis 1954 hat er hier mit seiner Familie die Sommerferien verbracht. In einem von berückender Schönheit, aber auch von großer Armut geprägten Landstrich. In poetischen Bildern beschreibt Le Clézio diesen Kindheitsort, die Feste, die Natur, die Sprache, aber auch die Veränderungen, denen die Bretagne immer wieder unterworfen und deren Zeuge er zum Teil war. »Es ist das Land, das mir die meisten Emotionen und Erinnerungen gebracht hat«, sagt der Nobelpreisträger über die Bretagne, die es so, wie er sie erlebt hat, nicht mehr gibt. Doch Le Clézio begibt sich noch weiter auf seiner Reise in die eigene Vergangenheit. In »Das Kind und der Krieg« erzählt er von der Zeit zwischen 1940 und 1945, die er als kleines Kind erst in Nizza und später, als die Deutschen auch den Süden Frankreichs besetzt hatten, in einem Versteck im Hinterland erlebte. Hier vermischen sich die Eindrücke: Erlebtes, Geträumtes, Erzähltes. Alles wird miteinander verwoben zu einem berührenden, eindringlichen Porträt einer Kriegskindheit, deren Essenz leider auch heute noch gültig ist.

 

 

Klett-Cotta

 

19. Februar 2022

Laura Cwiertnia Auf der Straße heißen wir anderLaura Cwiertnia – Auf der Straße heißen wir anders
Klett-Cotta, 240 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag, € 22,00

In Karlas Familie wissen alle, wie es sich anfühlt, nicht dazuzugehören. Karla erlebt es als Kind in Bremen-Nord. Ihr Vater Avi in einer Klosterschule in Jerusalem. Die Großmutter Maryam als Gastarbeiterin in Deutschland. Die Urgroßmutter Armine auf den Straßen von Istanbul. Einfühlsam und mit feinem Humor fächert Laura Cwiertnia die verzweigten Pfade einer armenischen Familie auf, deren Erfahrungen so tiefgreifend sind, dass sie noch Generationen später nachhallen. Die Kinder aus der Hochhaussiedlung in Bremen-Nord kennen die Herkunftsorte ihrer Familien genau: Türkei, Russland, Albanien. Nur bei Karla ist alles etwas anders. Sie weiß zwar, dass die Großmutter in den 60ern als Gastarbeiterin aus Istanbul nach Deutschland kam, und auch, dass die Familie armenische Wurzeln hat, doch gesprochen wird darüber nicht. Als Karlas Großmutter stirbt, taucht der Name einer Frau auf, Lilit, samt einer Adresse in Armenien. Karla gelingt es, ihren Vater zu einer gemeinsamen Reise zu überreden – in eine Heimat, die beide noch nie betreten haben. Eindrücklich und bewegend erzählt Laura Cwiertnia davon, wie es sich anfühlt, am Rand einer Gesellschaft zu stehen. Und davon, wie es ist, keine Geschichte zu haben, die man mit anderen teilen kann.

 

19. März 2022

Monica Ali LiebesheiratMonica Ali – Liebesheirat
Aus dem Englischen von Dorothee Merkel
Klett-Cotta, 592 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag, € 25,00

Yasmin und Joe haben große Pläne für die Zukunft. Doch bevor es für die beiden angehenden Ärzte ans Heiraten geht, steht das erste Kennenlernen ihrer Familien an. Und das hat es in sich. Denn während Yasmins traditionsbewusste Eltern schon bei einem Zungenkuss empört den Fernseher ausschalten, eilt Joes Mutter ein Ruf als feministische Ikone voraus. Und tatsächlich hält das Abendessen im noblen Primrose Hill überraschende Entwicklungen bereit. Jedoch völlig anders als gedacht, denn zwischen den beiden Müttern des Brautpaars entsteht eine Freundschaft, die mit althergebrachten Gewohnheiten bricht. Schon bald stehen Yasmin und Joe nicht nur vor der Herausforderung, ihre eigene Beziehung neu zu bewerten, sondern auch die Beziehungen zu ihren Eltern auf den Prüfstand zu stellen. Nach über zehn Jahren hat die große britische Erzählerin Monica Ali endlich ihren lang erwarteten neuen Roman vorgelegt. Ein guter Zeitpunkt, um diese außergewöhnliche Autorin zu entdecken.

 

Lenos

31. März 2022

Peter Gisi Mutters KriegPeter Gisi – Mutters Krieg
Lenos, Hardcover, mit Schutzumschlag, 120 Seiten, € 20.00

Ihr Vater war ein niederländischer Unternehmer auf Java, ihre Kindheit verbrachte sie barfuss im Inselparadies – bis der Zweite Weltkrieg und die japanischen Internierungslager kamen und sich alles für immer veränderte. Krieg, wie er auch später in ihrem Haus in Basel herrscht, wo sie mit ihrem Schweizer Ehemann und drei Kindern lebt. Krieg, der in der Familie omnipräsent ist und doch unfassbar. Der ihren ältesten Sohn krank macht, während sie sich innerlich aus der Gegenwart verabschiedet. Als die konfliktreiche Ehe zerbricht, zieht sie mit den Kindern nach Holland. Jahrzehnte später macht sich ihr Sohn auf die Spurensuche: Er will Mutters Krieg und dessen Folgen ins Auge sehen. Peter Gisis Roman ist eine wunderschöne und grausame Reise in die Vergangenheit. Er fragt seine Mutter nach den Ereignissen auf Java, und in seinen eigenen Kindheitserinnerungen webt er mit grossartigen, phantasievollen Bildern den Schrecken weiter. Selten wurde so überwältigend und doch subtil über Traumata geschrieben.

Liebeskind

 

14. Februar 2022

Jon McGregor - Stürzen Liegen StehenJon McGregor – Stürzen Liegen Stehen
Aus dem Englischen von Anke Caroline Burger
Liebeskind, Gebunden mit Schutzumschlag, 272 Seiten, € 22,00

Drei Männer reisen zur Station K auf Alexander Island in der Antarktis: zwei junge Geowissenschaftler, die die veraltete Kartografierung auf den neuesten Stand bringen sollen, sowie Robert Wright, der Stationsleiter. Als die drei auf einer Exkursion in einen schweren Sturm geraten, kommt es zur Katastrophe. Die Männer verlieren im dichten Schneetreiben Sichtkontakt, plötzlich ist jeder auf sich allein gestellt. Zunächst schafft es nur Robert zurück zur Station. Dort angekommen, reagiert er nicht auf die Funksprüche der beiden anderen und fordert auch keine Hilfe bei der Basisstation an, so wie es das Notfallprotokoll zwingend vorsieht … Als Robert schließlich evakuiert und in ein Krankenhaus in Santiago de Chile gebracht wird, reist seine Frau Anna nach Südamerika, um ihn nach Hause zu begleiten. Fortan muss sie ihre eigene Karriere zurückstellen und sich um ihren Mann kümmern. Der hat infolge der dramatischen Ereignisse sein Sprachvermögen verloren. Niemand scheint zu wissen, was genau sich zugetragen hat auf Station K. Nur Robert könnte darüber Aufschluss geben.

 

Patrick Findeis - Paradies und RömerPatrick Findeis – Paradies und Römer
Liebeskind, Gebunden mit Schutzumschlag, 208 Seiten, € 20,00

Sie sind zusammen aufgewachsen, in der Siedlung Paradiesstraße Ecke Römerstraße: Frankie, Danilo, Ferry und Ellen. Paradies und Römer, zwei Straßen, vier Wohnblocks. Ein Zuhause, aber vor allem ein Stigma. Seit dem ersten Ding, das sie gemeinsam gedreht haben, schien der Weg der vier Freunde vorgezeichnet. Danilo, der heute Schulden eintreibt, zweigt Geld in die eigene Tasche ab, damit die Zukunft seiner Töchter gesichert ist. Er will, dass sie mit Ellen in der richtigen Gegend wohnen, mit guten Nachbarn und guten Kindern. Er will, dass ihre Lehrer sie nicht schon am ersten Schultag abstempeln, weil sie da oder dort wohnen und so angezogen sind und so reden. Der Haken ist, dass Ellen sein schmutziges Geld nicht will. Also mussFrankie Danilo helfen, sie umzustimmen. Mit einem 635er BMW und dreihunderttausend Euro im Kofferraum machen sich die beiden auf die Suche nach ihr. Doch da sitzt ihnen längst die Wettmafia im Nacken …
Mit kühler Präzision schreibt Patrick Findeis über die eine Nacht, in der sich das ganze Leben entscheidet, über Siege und Niederlagen im Niemandsland unserer Gesellschaft und über Illusionen, die mit der Zeit größer und schmerzhafter werden.

 

Luchterhand

 

23. Dezember 2021

DAMON GALGUT Das VersprechenDAMON GALGUT – Das Versprechen
Übersetzt von Thomas Mohr
Luchterhand, Gebundenes Buch, 368 Seiten, EUR 24,00

»Das Versprechen« erzählt vom zunehmenden Zerfall einer weißen südafrikanischen Familie, die auf einer Farm außerhalb Pretorias lebt. Die Swarts versammeln sich zur Beerdigung ihrer Mutter Rachel, die mit vierzig an Krebs stirbt. Die jüngere Generation, Anton und Amor, verabscheuen alles, wofür die Familie steht – nicht zuletzt das gescheiterte Versprechen an die schwarze Frau, die ihr ganzes Leben für sie gearbeitet hat. Nach jahrelangem Dienst wurde Salome ein eigenes Haus, eigenes Land versprochen … doch irgendwie bleibt dieses Versprechen mit jedem Jahrzehnt, das vergeht, unerfüllt. Mit großer erzählerischer Kraft und nah an den Personen schildert Damon Galgut eine Familiengeschichte, die sich über dreißig Jahre des politischen Umbruchs in Südafrika erstreckt – von der Apartheid bis hin zur Demokratie. Während sich das Land von den alten tiefen Spaltungen zu einer neuen, gerechteren Gesellschaft hin bewegt, schwebt über allem die Frage: Wie viel Verbitterung, wie viel Erneuerung, wie viel Hoffnung bleiben?

 

28. Februar 2022

LEÏLA SLIMANI Der Duft der Blumen bei NachtLEÏLA SLIMANI – Der Duft der Blumen bei Nacht
Übersetzt von Amelie Thoma
Luchterhand, 160 Seiten, gebunden, EUR 20,00

Sie begeistert weltweit. Sie ist mutig. Sie scheut keine Tabus: Die französisch-marokkanische Schriftstellerin Leila Slimani ist ein »Star der französischen Gegenwartsliteratur« (ttt). Mitreißend und mit entwaffnender Offenheit erzählt sie in diesem sehr persönlichen Buch von einer ungewöhnlichen Nacht, die sie allein im Museum Museo Punta della Dogana in Venedig verbringt, dem einstigen Zollgebäude der Serenissima. Einem Ort, an dem sich seit jeher Orient und Okzident begegnen und der zum Sinnbild ihrer eigenen Geschichte wird. Leïla Slimani nimmt uns mit auf eine Reise durch ihr Leben. Fesselnd erzählt sie von ihrer Familie und ihrer Kindheit in Rabat, vom Alltag in Paris als Mutter und Schriftstellerin, vom Leben zwischen den Kulturen, ihrer Aufgabe als Schriftstellerin und gesellschaftspolitisch engagierter Frau – und letztlich von der Kraft der Literatur.

8. März 2022

Kristine Bilkau - NebenanKRISTINE BILKAU – Nebenan
Gebundenes Buch, 288 Seiten, EUR 22,00

Ein kleiner Ort am Nord-Ostsee-Kanal, zwischen Natur, Kreisstadt und Industrie, kurz nach dem Jahreswechsel. Mitten aus dem Alltag heraus verschwindet eine Familie spurlos. Das verlassene Haus wird zum gedanklichen Zentrum der Nachbarn: Julia, Ende dreißig, die sich vergeblich ein Kind wünscht, die mit ihrem Freund erst vor Kurzem aus der Großstadt hergezogen ist und einen kleinen Keramikladen mit Online-Shop betreibt. Astrid, Anfang sechzig, die seit Jahrzehnten eine Praxis in der nahen Kreisstadt führt und sich um die alt gewordene Tante sorgt. Und dann ist da das mysteriöse Kind, das im Garten der verschwundenen Familie auftaucht. Sie alle kreisen wie Fremde umeinander, scheinbar unbemerkt von den Nächsten, sie wollen Verbundenheit und ziehen sich doch ins Private zurück. Und sie alle haben Geheimnisse, Sehnsüchte und Ängste. Ihre Wege kreuzen sich, ihre Geschichten verbinden sich miteinander, denn sie suchen, wonach wir alle uns sehnen: Geborgenheit, Zugehörigkeit und Vertrautheit.

 

26. April 2022
TASH AW Wir, die ÜberlebendenTASH AW – Wir, die Überlebenden
Übersetzt von: Pociao, Roberto de Hollanda
Luchterhand, 400 Seiten, gebunden, 22,00 €
Ah Hock ist ein einfacher, ungebildeter Mann aus einem malaysischen Fischerdorf,
der sich Reichtum und Sicherheit wünscht – wie es allen Menschen in Südostasien
versprochen, aber nur bei wenigen Privilegierten eingelöst wird. Während die
Gesellschaft um ihn herum sich verändert, hangelt er sich von einem schlecht
bezahlten Job zum nächsten und ermordet schließlich einen Wanderarbeiter aus
Bangladesch. Einer Journalistin, die ihn nach dem Gefängnis in seiner ärmlichen
Hütte besucht, erzählt er, wie es zu der Gewalttat kommen konnte. Der
malaysische Autor Tash Aw zeigt mit diesem ergreifenden und beeindruckenden
Porträt eines Außenseiters die Erosionen eines Menschenlebens und die
Verwüstungen jeglicher Hoffnung.

Manesse Verlag

28. Februar 2022

Tania Blixen - Babettes GastmahlTania Blixen – Babettes Gastmahl
Aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg
Mit Nachwort von Erik Fosnes Hansen
Manesse, Hardcover, Leinen, ca. 120 Seiten, € 20,00

Die Französin Babette hat es ins norwegische Dörfchen Berlevaag verschlagen, wo sie jahrein, jahraus ihren Dienst im Haushalt der Pfarrerstöchter Philippa und Martine tut. Dabei ahnen ihre Herrinnen nicht, welches Talent in ihr schlummert: Menschen mit ihren Kochkünsten glücklich zu machen. Babette war ehemals die gefeierte Meisterköchin eines Gourmettempels, des Pariser «Café Anglais». Doch für Schwelgereien und sublime Genüsse scheint im hohen pietistischen Norden niemand einen Sinn zu haben. Bis Babette eines Tages in der Lotterie gewinnt und die Damen samt Gästeschar zu einem echt französischen Festmahl lädt. Und endlich kann sie zur Überraschung aller beweisen, dass auch Norweger nicht vom Knäckebrot allein leben. Jenseits der realistischen Lesart offenbart Blixens Erzählung eine parabelhafte Botschaft: die der Befreiung des Menschen aus schicksalhaften Zwängen durch die Kunst. «Babettes Festmahl» liest sich als eine alle Sinne ansprechende Feier kultivierten Genießens. Ulrich Sonnenbergs meisterliche Neuübersetzung, die erste seit viele Jahrzehnten, haucht dem zeitlosen Werk neues Leben ein und bietet uns die einmalige Gelegenheit, Blixens bezauberndes Geschichte um eine französische Meisterköchin neu kennenzulernen!

Neu übersetzt und mit einem exklusiven Nachwort von Erik Fosnes Hansen

 

26. April 2022

Woolf - Mrs. DallowayVirginia Woolf – Mrs Dalloway
Aus dem Englischen von Melanie Walz
Mit Nachwort von Vea Kaiser
Manesse, Hardcover mit Schutzumschlag, ca. 420 Seiten,

Der Meilenstein der literarischen Moderne in Neuübersetzung von Melanie Walz
Es ist ein besonderer Tag im Leben der zweiundfünfzigjährigen Clarissa Dalloway: Die Gattin eines Parlamentsabgeordneten will am Abend eines ihrer berühmten Upper-class-dinners geben. Der Tag vergeht mit freudigen Vorbereitungen, zufälligen Begegnungen mit Jugendfreunden, Konversation, nostalgischen Betrachtungen, Sinneseindrücken beim Flanieren … Ein besonderer Tag soll es – aus ganz anderen Gründen freilich – auch für Septimus Smith werden. Auch ihn beschäftigt die Gegenwärtigkeit des Vergangenen in jedem einzelnen Augenblick. In permanent sich wandelnden Empfindungen, Visionen und Assoziationen der Figuren entsteht ein faszinierendes Zeit- und Gesellschaftsbild Englands, rhythmisiert vom Stundenschlag des Big Ben. Romantische, nüchterne und satirische Stimmungslagen fließen ineinander, Melancholie und Contenance, tiefgründiger Witz und leise Wehmut durchziehen Virginia Woolfs Meisterwerk moderner Erzählkunst. Im Dezember 1924 notierte sie in ihr Tagebuch: «Ich glaube ganz ehrlich, dass dies der gelungenste meiner Romane ist.»

 

Clarice Lispector - Ich und JimmyClarice Lispector – Ich und Jimmy
Storys
Aus dem Portugiesischen von Luis Ruby
Mit Nachwort von Teresa Präauer
Hardcover mit Schutzumschlag, ca. 350 Seiten, € 22,00

Best-of-Lispector: über 20 ausgewählte Kurzgeschichten der Kultautorin
«Besser als Jorge Luis Borges» – Elizabeth Bishop. «Schneidend wie ein Diamant» – Rachel Kushner. «Die brasilianische Virginia Woolf» – Karl Lagerfeld. Selten ist ein Werk des zwanzigsten Jahrhunderts so überschwänglich und einhellig gerühmt worden wie das von Clarice Lispector. Im Mittelpunkt dieser faszinierenden Sammlung von über 20 Short Stories stehen weibliche Erfahrungen und Sichtweisen auf die Welt. Luisa, eine junge Frau führt ein Doppelleben als Ehegattin und Stripteasetänzerin. Miss Algrave, ein irisches Mauerblümchen, erlebt in London unverhofft ihr sexuelles Erweckungserlebnis. In einer anderen Geschichte rächen sich zwei Frauen, Carmem und Beatriz, die in wilder Ehe mit einem Macho zusammenleben, auf perfide Art für seine chronische Untreue. In Lispectors Kurzprosa, entstanden auf dem Höhepunkt ihrer literarischen Karriere und von Luis Ruby neu ins Deutsche übersetzt, lernen wir eine ungeheuer vielseitige Erzählerin kennen. Noch für die widersprüchlichsten Gefühle findet sie ein originelles Bild oder eine aufregende Wendung, eine treffende Charakteristik oder eine kluge Sentenz. Neben der titelgebenden Geschichte werden unter anderem die Erzählungen «Sofias Dramen», «Heimliches Glück», «Die kleinste Frau der Welt», «Die Sünderin auf dem Scheiterhaufen und die harmonischen Engel» sowie «Dona Frozinas Finessen» enthalten sein. Lispectors Fabulierkunst langweilt nie und verblüfft immer.

Mare Verlag

 

15. März 2022

Sarah Orne Jewett – Deephaven
übersetzt von Alexander Pechmann
Mare, 208 Seiten, Leinen im Schuber, € 28,00

Neuengland, 1877: Die Bostoner Freundinnen Helen und Kate verbringen einen Sommer im Küstenstädtchen Deephaven, um das Haus von Kates verstorbener Großtante zu hüten. Neugierig auf den Ort und seine Geschichte tauchen sie ein in die Erzählungen ihrer neuen Nachbarn, trinken Tee mit der Frau des Leuchtturmwärters, treffen einen Fischer, dessen große Liebe einer Katze galt, und Kapitäne, die sich wehmütig an ihre Abenteuer auf hoher See erinnern.
Aus ihren eigenen Erlebnissen an der Küste von Maine schuf Sarah Orne Jewett, die eine Vorliebe für die etwas heruntergekommenen Hafenstädte und ihre eigenwilligen Bewohner hatte, den Schauplatz ihres ersten Romans Deephaven, einer vergessenen Perle der amerikanischen Literatur, voll liebenswürdigem Humor, aufmerksamen Beobachtungen und anrührenden Begegnungen mit Menschen, deren Schicksal vom Meer und von der Seefahrt geprägt ist.

 

Matthes&Seitz

 

3. März 2022

Cristina Morales - Leichte SpracheCristina Morales – Leichte Sprache
Übersetzung: Friederike von Criegern
Matthes&Seitz, 400 Seiten, gebunden, 25,00 €

Leichte Sprache erzählt die Geschichte von vier Frauen, die mit der Diagnose einer geistigen Behinderung in einer betreuten Wohnung im gentrifizierten Barcelona leben. Nati beschreibt ihre Symptomatik als »Schiebetüren-Syndrom«: Unter Druck verändert sich ihr Verhältnis zur Umwelt. Alle vier haben Lernschwierigkeiten. Marga ist Analphabetin und sexuell überaus aktiv, Àngels stottert, Patri hat Logorrhö. In integrativen Tanzgruppen und in der Hausbesetzerszene Barcelonas versuchen die Frauen, sich von der Bevormundung durch staatliche Einrichtungen und Justiz zu befreien und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. So scharfsinnig wie wütend demaskiert die Tänzerin Nati die Ideologie der nach den Vorstellungen der »neoliberalen Macho-Faschos« funktionierenden Gesellschaft, ihre Cousine Àngels entdeckt mit »leichter Sprache« ein Instrument der Teilhabe und verfasst ihre Lebensgeschichte auf WhatsApp mit erstaunlicher Poesie. Vielstimmmig erzählt Cristina Morales vom Leben dieser Frauen und montiert dabei Gerichtsakten, Protokolle der anarchistischen Okupas und ein Fanzine zu einem großen Roman.

 

Eva Raisig - Seltene ErdeEva Raisig – Seltene Erde
Matthes& Seitz, 350 Seiten, gebunden, 24,00 €

Als die Voyager 1 viele Jahre nach ihrem Start aus dem interstellaren Raum zurück auf die Erde blickt, ist die Welt längst eine andere geworden. Alles, was der Raumsonde bleibt, ist ihre sorgsam ausgewählte Fracht aus Bildern, Musik und Grüßen in 55 Sprachen, um möglichen Außerirdischen vom Leben auf der Erde erzählen zu können. Aber das absolut Fremde lässt sich womöglich nicht nur in fernen Galaxien finden. Auch in einem südamerikanischen Dorf sollen Ufos so häufig sein wie die dort streunenden Hunde. Hierhin folgt Therese nach dem Tod ihrer Großmutter kurzerhand der von der Wissenschaft enttäuschten Astrophysikerin Lenka, die Antworten auf die Frage sucht, was ein Kontakt mit fremden Zivilisationen bedeuten würde. Doch während Therese Lenkas Sehnsucht nach einer anderen Welt beobachtet, spürt sie die Fremdheit zunehmend in den Leerstellen ihrer eigenen Familiengeschichte: Was bleibt vom Hungerwinter 1946/47? Was von der Schwester der Großmutter, die sich nachts in den halb zugefrorenen Main stürzte? Und wie sollte sich in einer Welt, in der innerhalb von zwei Generationen die Geschichten unwiederbringlich verloren gehen können, überhaupt ein ehrliches Bild unseres Planeten zeichnen lassen?

 

Emmanuel Carrère – Yoga
Übersetzung: Claudia Hamm
Matthes&Seitz, 328 Seiten, gebunden, 24,00 €

Alles beginnt gut: Emmanuel Carrère fühlt sich souverän als Herr über sein gelungenes Leben und plant ein heiteres, feinsinniges Büchlein über Yoga zu schreiben. Mit leichter Ironie, aber auch echter Hingabe wollte er dem Leser seine Erkenntnisse über Yoga enthüllen, das er er seit einem Vierteljahrhundert betreibt: ein Buch voller Weisheit über das Verhältnis zur Welt, wenn man Abstand zum eigenen Ego gewinnt. Zunächst läuft alles bestens, doch dann wird er während seiner Recherchen vom Tod eines Freundes beim Anschlag auf Charlie Hebdo eingeholt und gleich darauf von einer unkontrollierbaren Leidenschaft erschüttert. Von einem Tag auf den anderen kippt sein Leben, eine bipolare Störung wird diagnostiziert, und Carrère verbringt vier quälende Monate in der geschlossenen Psychiatrie, wo er versucht, seinen Geist mit Gedichten an die Leine zu legen. Entlassen und verlassen lernt er auf Leros in einer Gruppe minderjähriger Geflüchteter ganz anders Haltlose kennen. Zurück in Paris stirbt sein langjähriger Verleger – und doch gibt es am Ende auch wieder Licht. Denn Yoga ist die Erzählung vom mal beherrschten, mal entfesselten Schwanken zwischen den Gegensätzen. Durch schonungslose Selbstanalyse zwischen Autobiografie, Essay und journalistischer Chronik gelingt Carrère der Zugang zu einer tieferen Wahrheit: Was es heißt, ein in den Wahnsinn der Welt geworfener Mensch zu sein.

Nagel & Kimche

 

14. März 2022

Kseniya Melnik - SCHNEE IM MAIKseniya Melnik – SCHNEE IM MAI
Erzählungen
Aus dem Englischen von Hella Reese
Nagel und Kimche, 336 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, € 22,–

Magadan, im äußersten Nordosten Russlands: In neun miteinander verbundenen Erzählungen fängt Kseniya Melnik das Leben an der Peripherie ein. Eindringlich
und einfühlsam erzählt Kseniya Melnik etwa von der achtzehnjährigen Olga, die aus enttäuschter Liebe das südlich-warme Stawropol gegen die eisigen Winde von
Magadan eintauscht, von einem Pensionär im amerikanischen Exil, der sich nach dem unerwarteten Anruf seines einst besten Freundes die gemeinsame Vergangenheit
schönlügt, und von Sonja, deren Großvater ihr die Geschichte von der gefährlichen Freundschaft mit einem verfemten Sänger anvertraut, die ihn ins Gefängnis hätte bringen können. Sie erzählt von Tanja, die Ende der siebziger Jahre mit der reizvollen Möglichkeit spielt,auf ihrer Durchreise in Moskau einen Seitensprung mit einem italienischen Fußballspieler zu wagen – und an – gesichts der unverhofften Möglichkeit, ihrer Familie so etwas Exotisches wie Bananen mitbringen zu können, durch das Schlangestehen ihr Rendezvous versäumt. In einer anderen Geschichte erkennt die kleine Alina, die
wegen ihrer häufigen Migräneanfälle zu einer fragwürdigen Heilerin gebracht wird, dass nicht alles so ist, wie es scheint – und dass die vermeintlich böse Hexe auch nur mit Wasser kocht. Kseniya Melnik macht spürbar, wie sehr uns unserer Herkunft prägt und wie wenig zugleich die menschlichen Sehnsüchte an einen bestimmten Ort gebunden
sind. Changierend zwischen ironischer Distanz und mitfühlender Sympathie für ihre Charaktere fängt sie jene Momente des Lebens ein, in denen unverhofft Schönheit,
Lebensfreude, Hoffnung aufblühen.

 

Ann Petry · The NarrowsAnn Petry · The Narrows
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Pieke
Nagel und Kimche, 576 Seiten, Hardcover, € 29,00

Link Williams ist ein gutaussehender und brillanter Dartmouth-Absolvent, der mangels besserer Möglichkeiten für einen afroamerikanischen Mann in den USA der 1950er-Jahre in einer Bar jobbt. Durch den Zufall zusammengebracht, entsteht zwischen Link und »Camilo«, einer wohlhabenden, weißen, verheirateten Frau, eine Beziehung, die gegen die starren und kompromisslosen sozialen Codes ihrer Stadt und ihrer Zeit verstößt. Petry wirft ein hartes, wahrheitsgetreues Licht auf den Schaden, den »Rasse« und Klasse anrichten. Sie zeigt, wie prägend die Zuordnungen hinsichtlich Geschlechterrollen und »Rasse« sind, sie zeigt die zerstörerische Natur des Boulevardjournalismus und sozialer Stereotype, die bis zum heutigen Tag bestehen. »The Narrows« ist außerdem ein prägnantes Porträt einer Gegend, der Menschen in diesem Viertel: Ann Petry zeichnet unvergessliche, äußerst wichtige Nebenfiguren.

Orlanda

27. Februar 2022

Najat El Hachmi - Am Montag werden sie uns liebenNajat El Hachmi – Am Montag werden sie uns lieben
Aus dem Katalanischen von Michael Ebmeyer
Orlanda, 220 Seiten, Klappenbroschur, € 22,00

Ein junges Mädchen marokkanischer Herkunft wächst an der Peripherie von Barcelona auf. Inmitten der religiösen und kulturellen Zwänge ihres muslimisch geprägten Umfelds sehnt sie sich nach Freiheit. Doch die Ausgangsbedingungen sind kompliziert, sodass ihr Weg in die Freiheit nur gelingen wird, wenn sie einen hohen Preis dafür zahlt. Alles beginnt an dem Tag, an dem sie ein Mädchen kennenlernt, das aus einem freieren Elternhaus kommt und all das verkörpert, wonach sie sich sehnt. Ihre neue Freundin stellt sich den Herausforderungen ihres Lebens als Frau mit einer Energie, einem Enthusiasmus und einer Entschlossenheit, die sie faszinieren und dazu bringen werden, in ihre Fußstapfen zu treten … Najat El Hachmi lässt die Leser:innen auf eindrückliche Weise an den Erfahrungen von jungen Frauen aus Einwanderungsfamilien teilhaben und positioniert sich dabei mit starker Stimme gegen die Unterdrückung von Frauen, nicht nur in muslimischen Gemeinschaften.

 

1. März 2022

Djaïli Amadou Amal - Die ungeduldigen FrauenDjaïli Amadou Amal – Die ungeduldigen Frauen
Aus dem Französischen von Ela zum Winkel
Orlanda,  250 Seiten, Klappenbroschur, € 22,00

»Die Anweisungen, die ein Vater seiner Tochter zu ihrer Hochzeit und indirekt allen anwesenden Frauen gibt, kannten wir schon auswendig. Sie liefen auf eine einzige Empfehlung hinaus: Unterwerft euch!«

Drei Frauen, drei Geschichten, drei miteinander verbundene Schicksale. Dieser mehrstimmige Roman schildert das Leben von Ramla, Safira und Hindou, die im Norden Kameruns als muslimische Fulben aufwachsen. Die junge Ramla, die von einer Zukunft als gebildete Frau träumt, wird als Zweitfrau mit Safiras viel älterem, polygamen Mann zwangsverheiratet, während ihre Schwester Hindou gezwungen wird, ihren Cousin zu heiraten.

»Munyal! Geduld!«, ist der einzige Rat, den die drei Frauen immer wieder von ihrem Umfeld erhalten und der sich durch ihr Leben zieht. Doch sie sind ungeduldig und beginnen, jede auf ihre eigene Weise, sich gegen die Konventionen und die Gewalt, die sie erfahren, zu wehren.

Zwangsheirat, häusliche Gewalt und Polygamie: Dieser Roman ist das Zeugnis einer traurigen Realität. Amadou Amal bricht Tabus, indem sie nicht nur die Lage der Frauen in der Sahelzone anprangert, sondern ihre starke Stimme gegen das universelle Problem der Gewalt gegen Frauen erhebt. Ein wichtiger Beitrag für die Rechte von Frauen.

 

7. März 2022

Tete Loeper - Barfuß in DeutschlandTete Loeper – Barfuß in Deutschland
Orlanda, 190 Seiten, Klappenbroschur, € 16,00

»Ein Monat verging, ohne dass ich irgendetwas von dem sah, was ich mir von Deutschland erwartet hatte. Alles, was ich tat, war, meine Beine zu öffnen, zu schließen, zu weinen und das Ganze zu wiederholen.«
Mutoni, eine junge, gebildete Frau aus Ruanda, beschließt nach dem Tod ihrer Mutter auszuwandern. Über eine ehemalige Mitschülerin erhält sie das Angebot, nach Hamburg zu ziehen und dort einen Mann zu heiraten. Voller Zuversicht und Hoffnung auf ein besseres und wohlhabenderes Leben begibt sie sich auf den Weg nach Deutschland. Doch bereits kurz nach ihrer Ankunft zeigt sich, dass ihre Erwartungen nicht erfüllt werden: Ihre Unwissenheit führt sie in die Zwangsprostitution. Doch selbst als es ihr gelingt, dieser Gewalt zu entfliehen und in Süddeutschland neue Wege einzuschlagen, bleibt ihr Leben in der ungewohnten und fremden Umgebung voller Demütigungen und Herausforderungen. Die Erfahrungen, die sie als Schwarze Migrantin in Deutschland alltäglich macht, führen sie schließlich zu einer unerwarteten Entscheidung. Tete Loeper gelingt in ihrem Buch eine starke, und ergreifende Innensicht der Protagonistin, die verdeutlicht, wie schwer es ist, in Deutschland anzukommen und Fuß zu fassen. Dabei wird die Konfrontation mit Vorurteilen, die Negierung einer persönlichen Identität und die Enttäuschung eindrücklich nachvollziehbar, die viele Migrant*innen erleben, wenn ihre idealisierten Vorstellungen an der Realität scheitern. Darüber hinaus zeigt sie aus der Perspektive einer ruandischen Frau den Alltagsrassismus in Deutschland auf.

 

Osburg

 

22. Februar 2022

Felix Schmidt - Wie mein Vater Hitler den Krieg erklärteFelix Schmidt – Wie mein Vater Hitler den Krieg erklärte
Osburg, 160 Seiten, Gebunden, € 22,00

Der größte Teil des Lebens ist gelebt, die Tage sind gekommen, in denen die Lebensernte eingefahren wird. Vieles, was er sich vorgenommen hatte, hat er erreicht, manches, was er erreichen wollte, ist auf der Strecke geblieben. Eine Begebenheit hat in all dem Drunter und Drüber, das seinen Lebensweg so holprig machte, zeitlebens im Unterbewussten rumort. Der Vater, Küfermeister in einer südbadischen Kleinstadt, kehrt bereits im ersten Kriegsjahr schwer verwundet, kriegsuntauglich und desillusioniert zurück nach Hause. Er macht aus seiner Abneigung gegen den NS-Staat keinen Hehl. In der Werkstatt, am Wirtshaustisch sagt er, was er über Adolf Hitler und »seine Bande« denkt: »Die müssen wieder weg.« Der Ortsgruppenleiter verwarnt ihn, aber er lässt sich nicht mundtot machen und bringt mit seiner Renitenz sich und seine Familie in existenzbedrohende Schwierigkeiten und sich schließlich ins Gefängnis. Nach Kriegsende drängen auch jene wieder zur Geltung, die das Leben des Vaters beschädigt haben, der Lehrer zum Beispiel. Damit wird er nicht fertig. Er hält sich nun mehr und mehr im Wirtshaus auf, kommt ins
Saufen, zerstört die Familie. Der Sohn, der Ich-Erzähler des Romans, ist ein introvertiertes, leicht versponnenes, überängstliches Kind, das unter der Unbesonnenheit und gelegentlichen Brutalität des Vaters leidet und viele Stunden im Luftschutzkeller verbringt, auch wenn es keinen Fliegeralarm gibt. Die Großmutter tröstet ihn, wenn seine Angst vor dem Vater übermächtig wird. Oben in der Mansarde hört er, wenn der Vater betrunken nach Hause kommt und in der  Küche mit Geschirr um sich wirft.

Penguin

 

28. Februar 2022

Dirk Kurbjuweit - Der AusflugDirk Kurbjuweit – Der Ausflug
Penguin, Hardcover mit Schutzumschlag, 192 Seiten, € 20,00

Amalia, Josef, Gero und Bodo, Freunde seit Kindheitstagen, haben sich zu einer sommerlichen Kanutour verabredet. Kaum sind sie an ihrem Ausflugsziel angekommen, verdichten sich die Anzeichen, dass sie hier nicht willkommen sind. Vor allem Josef, der Schwarz ist, bekommt die Ablehnung von Menschen zu spüren, die aus Prinzip gegen alles Fremd-Aussehende sind. Doch soll man sich von ein paar ewiggestrigen Provinzlern einschüchtern lassen? Einfach klein beigeben? – Amalia, Josef, Gero und Bodo entscheiden sich dafür, zu bleiben, und ab da gibt es kein Zurück mehr. Jeder Schritt weiter ist einer auf den Abgrund zu. Alle ahnen, dass dieser Ausflug kein gutes Ende nehmen wird. Doch keiner will es wahrhaben. Schon bald geht es nicht mehr um ein sommerliches Abenteuer, sondern nur noch darum, mit heiler Haut davonzukommen.

 

Piper

 

10. März 2022

Lin Hierse - Wovon wir träumten Lin Hierse – Wovon wir träumten 
Piper, 176 Seiten, Hardcover, € 18,00

Eine junge Frau steht auf einem Berg in Shaoxing. Sie ist gekommen, um ihre Großmutter zu beerdigen. Die Frage, wo sie selbst hingehört, möchte sie am liebsten beiseiteschieben. Hierhin oder nach Deutschland, wo sie geboren wurde. Ihre Mutter hat China vor Jahren verlassen, sie wollte ein anderes Leben. Die Träume der jungen Frau ähneln denen ihrer Ma. Und doch träumt man anders, wenn hier nicht hier ist und dort nicht dort – und die eigene Geschichte untrennbar verbunden mit den Frauen der eigenen Familie. Vom Tochtersein in unserer Gegenwart. Subtil, mutig und zutiefst berührend.

 

Rowohlt

 

22. März 2022

Stewart O′Nan - Ocean State Stewart O′Nan – Ocean State 
Übersetzt von: Thomas Gunkel
Rowohlt, gebunden, 272 Seiten, € 22,00

Über Schwestern, Mütter und Töchter – und die schrecklichen Dinge, zu denen uns die Liebe treibt: Westerly, eine heruntergekommene Arbeiterstadt in Rhode Island, dem kleinsten Bundesstaat der USA. Eine Highschool-Schülerin wird umgebracht; Birdy hatte sich in den falschen Mann verliebt. Die Mörderin: ihre Mitschülerin Angel. Täterin und Opfer verband die Liebe zu Myles, Sohn wohlhabender Mittelschichtseltern, und die Hoffnung, dem Elend ihrer Herkunft zu entkommen.
«Ocean State» erzählt die Vorgeschichte und die Folgen des Mordes aus wechselnden Perspektiven. Da ist Angel, die Täterin, Carol, ihre alleinerziehende Mutter, und Birdy, das Opfer – drei Menschen, deren Schicksale in einem ebenso tragischen wie unvermeidlichen Höhepunkt zusammenlaufen. Beobachterin bleibt Angels jüngere Schwester Marie.
Stewart O’Nan zeichnet ein einfühlsames Porträt dieser Mädchen und Frauen am unteren Ende der Gesellschaft. Tiefgründig und bewegend, ein mitreißender Roman über das Leben der Armen in einem System, das den Reichen dient.

 

12. April 2022

Khaled Khalifa - Keiner betete an ihren Gräbern Khaled Khalifa – Keiner betete an ihren Gräbern 
Übersetzt von: Larissa Bender
Rowohlt, gebunden, 368 Seiten, € 24,00

Über fast hundert Jahre lang beschreibt Khalifa die Entwicklung Syriens, indem er die Geschichten mehrerer Familien erzählt. Der Christ Hanna wächst am Ufer des Euphrat in einer muslimischen Familie  auf, gemeinsam mit deren Sohn Zakaria. In die Tochter Suad mit den schönen langen Wimpern verliebt er sich. Doch Hanna und Zakaria sehnen sich nach einem freien Leben, das der gläubigen Muslimin Suad nicht gefällt. Mit ihren besten Freunden, dem Juden Azar und dem Christ William, ziehen Hanna und Zakaria nach Aleppo und errichten ein Freudenhaus, zu dem nur auserwählte Persönlichkeiten Zugang haben. Dort befinden sie sich auch an dem Tag im Jahr 1907, als der Fluss aus den Ufern tritt. Viele ihrer Familenmitglieder ertrinken in den Fluten. Es ist eine Zeit, in der Christen und Muslime noch nebeneinander auf dem Dorffriedhof begraben werden. Aber mit der Hochwasserkatastrophe setzen Veränderungen ein, die nicht nur das Leben der vier Freunde betreffen, sondern das ganze Land erfassen.
Rückblenden und Erinnerungen brechen die chronologische Erzählweise auf, die Geschichten verzweigen sich,  Hier ist ein großer Erzähler am Werk, der den Bilderreichtum der arabischen Sprache gekonnt mit Reflexionen über Leben und Tod verbindet und an die bedeutende kulturelle Vergangenheit Syriens erinnert, die heute so weit weg scheint.

Schöffling

 

1.Februar 2022

 

Seweryna Szmaglewska Die Unschuldigen in NürnbergSeweryna Szmaglewska – Die Unschuldigen in Nürnberg
Aus dem Polnischen von Marta Kijowska
Schöffling, 536 Seiten. Gebunden. Lesebändchen, € 28,00

In einem sturmgebeutelten Militärflugzeug reist Seweryna Szmaglewska aus den Trümmern Warschaus nach Nürnberg, wo die Überlebende des Frauenlagers Auschwitz­Birkenau am 27. Februar 1946 vor dem Internationalen Militärgerichtshof gegen die nationalsozialistischen Kriegsverbrecher aussagen wird. Sie ist eine von nur zwei Augenzeugen aus Polen, die vor dem Tribunal über das Erlittene sprechen dürfen. Im kriegszerstörten, vorfrühlingshaften Nürnberg fragt sich die junge Frau besorgt, wie sie den Albtraum der KZ-­Realität in Worte fassen und der enormen Verantwortung gegenüber ihrem zerstörten Heimatland gerecht werden soll. Untergebracht im Grand Hotel, wo sich die amerikanischen Offiziere – und mit ihnen die Zeugen, Verteidiger und Korrespondenten aus aller Welt – abends amüsieren, wird sie von dunklen Erinnerungen verfolgt: Sie misstraut der deutschen Bevölkerung, staunt angesichts der Ungerührtheit der Angeklagten, und bei Görings theatralischem Auftritt vor dem Gericht schaudert ihr. Wird es für ihre Generation Gerechtigkeit und eine Zukunft geben? In Die Unschuldigen in Nürnberg, halb Erlebnisbericht, halb Roman, schildert die später zu literarischem Ruhm gelangte Schriftstellerin Seweryna Szmaglewska aus erster Hand eindringlich, präzise und in bisher ungekanntem Detail einen der wichtigsten Prozesse der Nachkriegszeit.

 

Schruf & Stipetic

 

15. März 2022

kasper-behm-wo-die-henne-wasser-trinktKasper Behm – Wo die Henne Wasser trinkt
Schruf & Stipetic, Gebunden, 300 Seiten, € 24,90

„Wo die Henne Wasser trinkt“ ist die Geschichte von fünf Männern. Zwei Großvätern in zwei Kriegen. Einem Vater mit Kind und einem Vater ohne Kind. Das Bindeglied ist Bim Bam, dessen Mutter beschlossen hat, dass er der Sohn von Herbert ist, wobei auch vieles für den Gastarbeiter Hrvoje spricht. Doch der ist als Vater unerwünscht. Und so vergeht ein halbes Leben, bis er erfährt, dass er einen Sohn hat.
Mal melancholisch, mal skurril erzählt Kasper Behm von einem Gefangenenlager in Utah, der Sturmflut in Bremerhaven, von einem Hundefriseur in Jugoslawien, Marienerscheinungen und dem Massaker in Bleiburg. Aus dieser Collage schält sich heraus, dass die Frage „Woher kommst du?“ nach neuen Antworten verlangt.

 

15. Mai 2022

Jurica Pavicic Ein Tod für ein LebenJurica Pavicic – Ein Tod für ein Leben
Übersetzung: Blanka Stipetic
Schruf & Stipetic, Gebunden, 232 Seiten, € 21,90

Kleine Dinge sind es, die den Lebensplan eines Menschen zerstören – ein falscher Schritt, ein Wodka zu viel, ein scheinbar harmloser Flirt.
Brunas Plan war ein normales, langweiliges Leben mit Arbeit, Wohnung, Mann und Kindern. Stattdessen verbringt sie mehr als zehn Jahre ihres Lebens im Gefängnis und versucht herauszufinden, wann sie den ersten Fehler gemacht hat. Oder fing alles schon weit früher in einem anderen Leben an?

Septime

 

01. März 2022

Jan Kjaerstad - Mr. WoolfJan Kjaerstad – Mr. Woolf
übersetzt von Bernhard Strobel
Septime Verlag, Hardcover, 408 Seiten, gebunden, 25,00 EUR

Wie entsteht eine Idee, die für die gesamte Menschheit von Bedeutung ist? Eines Tages trifft William Abelson sich mit seinem Vater zum Lunch. William besitzt zwar einen Doktortitel in Physik, doch sein Leben hat einen Riss bekommen, er arbeitet seit mehreren Jahren als Barista in einem trendigen Café. Sein Vater ist der Betreiber des Spielwarenladens »Stjerneplassen Leker«, und William glaubt, es handle sich um ein gewöhnliches Mittagessen, bei dem sein Vater ihm von seinen finanziellen Sorgen berichtet. Doch der Vater hat etwas anderes auf dem Herzen: Elizabeth, Williams Schwester, ist verschwunden. Der Vater glaubt, es könnte ihr etwas zugestoßen sein. Dass sie in Gefahr ist. William erhält den Auftrag, nach Hongkong zu reisen, wo seine Schwester sich aller Wahrscheinlichkeit nach aufhält. Wie schwierig kann das schon sein?, denkt William. Ich brauche bloß meine Schwester zu finden und sie nach Hause zurückzubringen.
Am Flughafen in Hongkong erwartet ihn eine Überraschung: William wird mit einem Rolls-Royce abgeholt und ins Peninsula, eines der luxuriösesten Hotels der Stadt, gefahren. Völlig unvorbereitet macht er in den nächsten Tagen Bekanntschaft mit Menschen und einem Milieu, das alles auf den Kopf stellt und ihn auf die Fährte verblüffender Erkenntnisse führt.
Mr. Woolf ist ein Loblied auf alle durchschnittlichen Väter, die vielleicht gar nicht so durchschnittlich sind wie gedacht.

 

Salih Jamal - Blinder SpiegelSalih Jamal – Blinder Spiegel
Septime Verlag , Hardcover, 120 Seiten, € 18,00

Paris. Sie und er. Elle und Lui. Sie begegnen sich in einem Café. Lui ist Fluglotse. Er wechselt die Städte und Flughäfen immer dann, wenn ihm das Leben zu eng wird. Sie ist die Frau eines Unternehmers, der in die Politik drängt und sie zu oft über lange Zeit allein zurücklässt. In einer obsessiven Affäre flüchten sie in Tagträume und halten sich gegenseitig in ihrer abgründigen Verlorenheit. Um etwas zu fühlen, suchen sie den Schmerz. Lui, indem er nach Nähe strebt, um dann vor ihr zu flüchten, und Elle in ihrer masochistischen Neigung, die ihr Mann an ihr ausnutzt. Beide ahnen, dass es für sie kein glückliches Ende geben wird, bis ihnen die Realität eine Entscheidung abverlangt.Salih Jamal zeichnet mit zärtlicher, poetischer und schonungslos ehrlicher Sprache eine tragische Liebe in fünf Akten. Erzählt wird sie von Lui, der im Gefängnis die Geschichte aufschreibt.
Existenziell, grausam und schön. Eine Geschichte, die sich anfühlt wie ein französischer Film.

 

Lydia Steinbacher - WolgalandLydia Steinbacher – Wolgaland
Septime Verlag , Hardcover, ca. 240 Seiten, € 22,90

Das Leben in einer wolgadeutschen Kolonie, die Deportation der Familie nach Sibirien in den Vierzigerjahren und die Suche nach einem Ort, der eine neue Heimat werden könnte – all das kennt Alexandr aus eigener Erfahrung und aus den Erzählungen seines Vaters über die Vergangenheit. Tagein, tagaus begleitet ihn die Erinnerung an früher. Doch auch nach der Übersiedlung in die »Urheimat«, aus der einst die Vorfahren ausgewandert waren, fühlt Alexandr, nun schon im fortgeschrittenen Alter, sich fremd und unverstanden. Selbst die Musik, die ihn sein Leben lang begleitet hat, bringt ihm keinen Trost mehr. Als das Gefühl, verfolgt zu werden, immer stärker wird, fasst er einen Plan. Lana, die Tierärztin, die aushilfsweise im Dorfgasthof kellnert, ist Alexandr in stiller Sympathie verbunden. Sie wahrt nach allen Seiten hin ihre Unabhängigkeit und wird dabei doch aufgerieben zwischen dem ratlosen Bemühen um eine tiefere Beziehung zu ihrem Sohn, der weit entfernt bei seinem Vater lebt, und den mütterlichen Gefühlen, die sie für die Tochter ihres Freundes hegt. Als eines Tages eine weitere russlanddeutsche Familie ins Dorf zieht, weckt das zunächst kaum Interesse. Nur Jonathans Welt wird auf den Kopf gestellt. Der junge Mann, der, von künstlerischen Ambitionen getrieben, in der Enge des Dorflebens zu ersticken droht, sieht im Sohn der Familie schon bald seine Rettung. Doch die faszinierenden Ähnlichkeiten, die er zwischen sich und dem Neuankömmling zu entdecken glaubt, stürzen ihn in einen seelischen Taumel, der ihm zum Verhängnis wird.
Wolgaland ist ein komplexes Geflecht aus den Erlebnissen, Gedankenwelten und inneren Verwerfungen der Figuren. Deren Lebensbahnen verknüpfen sich zu einem verschlungenen Labyrinth, in dem mögliche Auswege aufscheinen, das jedoch auch Sackgassen kennt. Und dort, an den Abbruchkanten des Daseins, gilt es für alle, sich in ein neues Leben hinüberzuretten.

 

Steidl

 

28. Februar 2022

Annika Büsing - NordstadtAnnika Büsing – Nordstadt 
Steidl, 128 Seiten, Fester Einband, € 20.00

Im Norden der Stadt hängen die Hoffnungen so tief wie der Novemberhimmel. Wer hier liebt, rechnet nicht mit einem Happy End. Schon gar nicht Nene, Anfang Zwanzig und Bademeisterin, die für das Unglück eine ganz eigene Maßeinheit hat. Ihre Überlebensstrategie: Bahnen ziehen, versuchen zu vergessen, pragmatisch sein. Dann lernt sie im Schwimmbad Boris kennen, der Puma-Augen hat und ihr nicht sofort an die Wäsche will. Boris, der an Kinderlähmung erkrankt war, für den es keine Jobs gibt, nur Schimpfwörter oder Mitleid. Der Schmerzen hat und die Welt mit Verachtung behandelt. Ihr erstes Date wird prompt zum Debakel, aber Nene zeckt sich in Boris’ Herz, und er sich in ihres. Er kapituliert vor ihrer Direktheit und ihrem Lebenswillen, sie vor seinem Entschluss, sein Mädchen glücklich zu machen. Boris wird für Nene die Geschichtsschreibung ändern, er wird sie anlügen, er wird sie hängenlassen. Ihre Liebe ist wie jede Liebe: nicht perfekt. Aber sie berührt beide auf eine Weise, die sie vergessen oder nie gekannt haben. Annika Büsing erzählt in ihrem Debüt eine herzzerreißende und gleichzeitig berauschend lebensbejahende Geschichte über alte Narben und den Mut, neue hinzuzufügen.

 

31. März 2022Claire Keegan - Kleine dinge wie diese

Claire Keegan – Kleine Dinge wie diese
Übersetzung: Hans-Christian Oeser
Steidl, Gebunden, 112 Seiten, € 24,00

Wer etwas auf sich hält in New Ross, County Wicklow, und es sich leisten kann, lässt seine Wäsche im Kloster waschen. Doch was sich dort hinter den glänzenden Fenstern und dicken Mauern ereignet, will in der Kleinstadt niemand so genau wissen. Denn es gibt Gerüchte. Dass es moralisch fragwürdige Mädchen sind, die zur Buße Schmutzflecken aus den Laken waschen. Dass sie von früh bis spät arbeiten müssen und daran zugrunde gehen. Dass ihre neugeborenen Babys ins Ausland verkauft werden. Der Kohlenhändler Billy Furlong hat kein Interesse an Klatsch und Tratsch. Es sind harte Zeiten in Irland 1985, er hat Frau und fünf Töchter zu versorgen, und die Nonnen zahlen pünktlich. Eines Morgens ist Billy zu früh dran mit seiner Auslieferung. Und macht im Kohlenschuppen des Klosters eine Entdeckung, die ihn zutiefst verstört. Er muss eine Entscheidung treffen: als Familienvater, als Christ, als Mensch.
Mit wenigen Worten erschafft Claire Keegan eine ganze Welt. Auf unnachahmliche Weise erzählt Kleine Dinge wie diese von Komplizenschaft und Mitschuld, davon, wie Menschen das Grauen in ihrer Mitte ignorieren, um in ihrem Alltag fortfahren zu können – davon, dass es möglich ist, das Richtige zu tun.

 

Suhrkamp

 

14. Februar 2022

Esther Kinsky - RomboEsther Kinsky – Rombo
Suhrkamp, 267 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag, € 24,–

Im Mai und im September 1976 erschüttern zwei schwere Erdbeben eine Landschaft und ihre Bevölkerung im nordöstlichen Italien. An die tausend Menschen sterben unter den Trümmern, Zehntausende sind ohne Obdach, viele werden ihre Heimat, das Friaul, für immer verlassen. Die Materialverschiebungen infolge der Beben sind gewaltig, sie bilden neues Gelände, an denen sich die Wucht des Eingriffs ablesen und in die Begriffe der Naturkunde fassen lässt. Doch für das menschliche Trauma, für die Erfahrung der plötzlich zersprengten Existenz, lässt sich die Sprache nicht so einfach finden.
In Esther Kinskys neuem, noch vor Erscheinen preisgekröntem Roman berichten sieben Bewohner eines abgelegenen Bergdorfs, Männer und Frauen, von ihrem Leben, in dem das Erdbeben tiefe Spuren hinterlassen hat, die sie langsam zu benennen lernen. Von der gemeinsamen Erfahrung von Angst und Verlust spleißen sich bald die Fäden individueller Erinnerung ab und werden zu eindringlichen und berührenden Erzählungen tiefer, älterer Versehrung.

 

Natasha Brown ZusammenkunftNatasha Brown – Zusammenkunft
Aus dem Englischen von Jackie Thomae
Suhrkamp, 128 Seiten. Gebunden mit Schutzumschlag, € 20,–

Nach oben kommen. Das war immer der Plan. Seit Jahrhunderten. Dafür hat sie, dafür haben alle vor ihr gekämpft. Und als Schwarze Frau stand ihr letztlich nur ein Weg offen: Völlige Verausgabung, Oxbridge, Londoner Hochfinanz, ein Freund mit Geld so alt und dreckig wie das Empire. Doch als sie endlich eingeladen wird, Mitglied einer Familie, Angehörige einer Klasse, Teil eines Landes zu werden, muss sie am eigenen Körper erfahren, dass die erlittenen Ungerechtigkeiten tiefere Wurzeln geschlagen haben. Wie kann sie sich retten? Wie mit dem Erbe der Geschichte leben? Mit Zusammenkunft ist Natasha Brown die literarische Sensation gelungen: ein virtuoser, verdichteter Roman über die Anstrengungen der Gegenwart und die toxische Wirkung der Vergangenheit in unseren Worten, Werten, Besitztümern. Natasha Brown stürzt Schuld und Schönheit und Menschlichkeit ununterscheidbar ineinander, mit elektrisierenden Folgen.

 

7. März 2022

Lea Ypi - FreiLea Ypi – Frei
Erwachsenwerden am Ende der Geschichte
Aus dem Englischen von Eva Bonné
Suhrkamp, Fester Einband mit Schutzumschlag, 336 Seiten, € 28,00

Albanien 1989: Der letzte stalinistische Außenposten in Europa, ein isoliertes Land, das man nur schwer besuchen und noch schwerer verlassen kann. Es herrschen Mangelwirtschaft, Geheimpolizei und das Proletariat. Der Kommunismus hat den Platz der Religion übernommen. Für die zehnjährige Lea Ypi ist dieses Land ihr Zuhause: ein Ort der Geborgenheit, des Lernens, der Hoffnung und der Freiheit. Alles ändert sich, als in Berlin die Mauer fällt und in Tirana Enver Hoxhas Statue vom Sockel stürzt. Jetzt können die Menschen wählen, wen sie wollen, sich kleiden, wie sie wollen, anbeten, was sie wollen. Aber die neue Zeit zeigt bald ihr unfreundliches Gesicht: Skrupellose Geschäftemacher ruinieren die Wirtschaft, die Aussicht auf eine bessere Zukunft löst sich auf in Arbeitslosigkeit und Massenflucht. Als das Land im Chaos zu versinken droht und in ihrer Familie Geheimnisse ans Licht kommen, beginnt Lea sich zu fragen, was das eigentlich ist: Freiheit. In hinreißender Prosa erzählt Lea Ypi von ihrem Erwachsenwerden im poststalinistischen Albanien und in einer schillernden Familie, deren Geschichte eng mit der des Landes verwoben ist. Frei ist ein fesselndes Memoir und eine scharfsinnige Reflexion über die Grenzen des Fortschritts und die Last der Vergangenheit, über glänzende Ideale und harte Realitäten. Vor allem aber über die Leben von Menschen, die vom Sturm der Geschichte erfasst werden.

 

16. Mai 2022

Rachel Cusk - CoventryRachel Cusk – Coventry
Essays
Aus dem Englischen von Eva Bonné
BS 1531, 120 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag, € 21,–

Was passiert mit uns, wenn unsere eigenen Eltern plötzlich aufhören, mit uns zu reden? Warum scheint sich Grobschlächtigkeit weltweit öffentlich durchzusetzen? Kann man ein Haus bauen, ohne den Verstand zu verlieren? Warum regredieren wir beim Autofahren so spektakulär? (Sollten unsere SUVs die Airbags nicht besser außen haben?) Und wie kann es gelingen, gleichzeitig Mutter, Tochter, Ehefrau, Staatsbürgerin, Künstlerin und breadwinner für die ganze Familie zu sein? (Achtung, Spoiler: schwierig!) Rachel Cusk ist eine unerbittlich humorvolle Selbsterforscherin und eine Poetin der gespaltenen Gefühle. Coventry versammelt eine Reihe ihrer glänzenden Essays, hochaufgelöste, tiefenscharfe Meisterstücke. Sie zu lesen bedeutet, sich den weitreichenden Ungewissheiten zu stellen, die wir alltags lieber nicht beachten.

 

Trabantenverlag

 

01. März 2022

Irene Sola - Singe ich, tanzen die BergeIrene Solà – Singe ich, tanzen die Berge
Aus dem Katalanischen übersetzt von Petra Zickmann
Trabantenverlag, Hardcover, ca. 220 Seiten, € 22,00

Gewitterwolken schürfen über den Rücken der Pyrenäen und ein Blitz schlägt mitten in den Bauerndichter Domènec ein, dessen junge Frau Sió mit ihrem starrköpfigen Schwiegervater Ton und ihren Kindern Mia und Hilari allein zurückbleibt. Doch das Leben in den Bergen geht weiter. Teilnahmslos beobachten sie das Werden und Vergehen derer, die dort leben.
Irene Solà, die für diesen Roman 2020 mit dem Europäischen Literaturpreis ausgezeichnet wurde, erschafft und belebt eine vielstimmige und poetische Welt, erzählt durch mystische Stimmen der Großeltern, der Eltern, der Kinder, der Tiere, der Gespenster, des Waldes und der Wolken. Sie alle bilden diese Geschichte, die auf eine schöne und magische, aber auch tragische Art und Weise miteinander verbunden sind. Alle vereint im
Kreislauf von Geburt, Leben und Tod. Es ist die Geschichte der Berge, die die Erinnerung an Jahrhunderte, an geologische Epochen, politische Konflikte und die Verbindung mit der Natur umfasst.

 

15. Mai 2022

Elisa Levi - Anderes kenne ich nichtElisa Levi – Anderes kenne ich nicht
übersetzt aus dem spanischen von Kirsten Brandt
Trabantenverlag, Hardcover, 180 Seiten, € 22,00

Lea ist 19 Jahre alt, hat ein Brennen im Bauch und ihr ganzes Leben in einem Dorf verbracht. Einem Dorf mit vier Straßen, einer Kirche, einem Lebensmittelladen und einem Wald, den sie nie durchquert hat. Im Schatten sitzend, sieht sie einen Mann auftauchen, der seinen Hund verloren hat, und in der Zeit, die sie für eine Zigarette braucht, erzählt
sie ihm, warum die Welt gestern unterging. Lea hat eine Schwester mit einem leeren Kopf, eine Mutter, die ebenfalls Lea heißt, und einen Vater, der nur weiß, wie man auf dem Feld arbeitet. Sie hat Javier, der nicht weiß, wie man über Liebe spricht, Catalina, ihre beste Freundin, die weint und weint und weint, und sie hat Marco, der ihr Geschenke auf der Fußmatte hinterlässt. Lea hat einen ländlichen Blick und ist Fremden gegenüber
misstrauisch. Lea weiß nichts über andere Dinge, aber was sie weiß, kann sie überall gebrauchen.

 

Tropen

 

21. Mai 2022

Anna Burns - AmeliaAnna Burns – Amelia
Aus dem Englischen von Anna-Nina Kroll
Tropen, 384 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag, 25,00 EUR

1969 begannen in Irland die Troubles. Doch das kümmert Amelia Boyd Lovett erst einmal wenig. Noch klettert sie jede Nacht und jeden Tag in ihr Versteck, um sich ihre Schätze anzugucken: ein kleines Plastikschaf, ein Groschen mit einem eingeprägten Gebet, eine Tube Glitzer. Und siebenundreißig Gummigeschosse. Eins für jeden Tag, seitdem die britische Armee angefangen hat, damit zu schießen. Amelia ist ein Buch über Gefühle, Familie und Irland während der Troubles. Aber erzählen Sie das nicht der achtjährigen Amelia. Immerhin ist sie es, die in einer verrückten Familie, in einer verrückten Gesellschaft aufwachsen muss und vergessen will, was um sie herum passiert. Denn das ist so einiges: Schülerinnen, die bewaffnet herumspazieren; Babies, die Bomben sein könnten oder auch nicht; Achtjährige, die merkwürdige Dinge sammeln. Wenn Amelia überleben soll, muss sie ihren eigenen Weg finden. Aber kann sie das an einem Ort, an dem die Menschen weder auf sich selbst noch andere Acht geben?

Verbrecher Verlag

 

08. März 2022

Bettina Wilpert - HerumtreiberinnenBettina Wilpert – Herumtreiberinnen
Verbrecher, Hardcover, 400 Seiten, 25,00 €

Manja ist 17 Jahre alt und lebt im Leipzig der 1980er Jahre. Ihre beste Freundin Maxie und sie schwänzen die Schule, brechen in Schrebergärten ein und treffen sich im Freibad oder auf dem Rummel mit Jungs, bis Manja im Zimmer des Vertragsarbeiters Manuel von der Volkspolizei erwischt wird und auf die Venerologische Station für Frauen mit Geschlechtskrankheiten kommt. Eingewoben in den Roman sind auch Erlebnisse von Lilo, die in den 1940er Jahren an diesem Ort festgehalten wurde, da sie mit ihrem Vater für den kommunistischen Widerstand gearbeitet hat, und der Sozialarbeiterin Robin, die in den 2010er Jahren in diesem Haus – nun eine Unterkunft für Geflüchtete – tätig ist. Der Roman »Herumtreiberinnen« erzählt die Geschichten von drei jungen Frauen aus verschiedenen Zeiten und stellt die Frage, welchen Einfluss diese Zeit und die jeweilige Staatsform auf ihre Leben hatten. Ein Haus in der Leipziger Lerchenstraße ist das verbindende Element der drei Erzählstränge.

 

Verlag Freies Geistesleben

 

16. März 2022

Patrick McGuinness -Den Wölfen zum Fraß
übersetzt aus dem Englischen von Dieter Fuchs
Freies Geistesleben, Hardcover, 422 Seiten, 28,00 EUR

Die Leiche einer jungen Frau wird am Flussufer gefunden und ein Nachbar, ein pensionierter Lehrer des Chapleton College, verhaftet. Der exzentrische Einzelgänger ist der perfekte Kandidat für eine Hetzjagd der Medien. In der Untersuchungshaft trifft Michael Wolphram auf zwei Polizisten: den umsichtigen Ander und dessen ›Gegenspieler‹ Gary. Ander ist besonders wachsam, denn der Mann auf der anderen Seite des Tisches ist jemand, den er kennt. Jemand, den er seit fast dreißig Jahren nicht mehr gesehen hat. Entschlossen, die Wahrheit herauszufinden, muss Ander sich auch seiner eigenen Geschichte stellen, die Jahrzehnte zurückliegt, aus seiner Zeit als Chapleton-Schüler. Mit dem Schwung eines klassischen Krimis erzählt ›Den Wölfen zum Fraß‹ von der mediengesättigten Gegenwart einerseits und einem tyrannischen, elitären englischen Schulsystem andererseits.

 

Zsolnay 

 

24. Januar 2022

Gerda Blees - Wir sind das LichtGerda Blees – Wir sind das Licht
übersetzt aus dem Niederländischen von Lisa Mensing
Zsolnay. 240 Seiten, Fester Einband, 23,00 €

Die Geschichte einer stillen Radikalisierung: Eine Wohnung, drei Frauen, ein Mann. Eine der Frauen ist tot. Als der Notarzt eintrifft, herrscht eine ruhige, ja unheimliche Atmosphäre, und er stellt fest: Elisabeth ist – vor den Augen ihrer Mitbewohner – verhungert. Muriel, Petrus und Elisabeth haben, jeder auf eigene Art, den Halt im Leben verloren. Elisabeths Schwester Melodie und der Verzicht auf Nahrung scheinen diese Lücke zu füllen. Was sich von innen – bis in den Tod – richtig anfühlt, ist von außen nur sehr schwer zu fassen. Gerda Blees erzählt aus ganz unterschiedlichen Perspektiven, auch die Eltern, die Polizei oder der Tatort selbst kommen zu Wort. Für ihren herausragend modernen Debütroman erhielt sie zahlreiche Preise.

 

Wie ich finde, wieder viele interessante Titel. Mal schauen, welche es auf meine Leseliste schaffen. Oder auf eure. Gegebenenfalls wird die Liste aktualisiert. Gerne nehme ich auch Hinweise auf „vergessene“ Titel entgegen. 😉

Und wer noch mal bei den Herbstneuerscheinungen 2021 nachschauen möchte, da geht es hier lang.. märz 

3 Gedanken zu „Verlagsvorschauen Frühjahr 2022 – Neuerscheinungen

  1. Liebe Petra,

    vielen Dank für diese wunderbare Auslese der Vorschauen. Ich weiß, wieviel Arbeit das jedes Mal macht und habe aus Zeitgründen die letzten anderthalb Jahren bei mir darauf verzichtet – obwohl gerade diese Beiträge auch in der kriminellen Gasse auf hohes Interesse stoßen. Allerdings wollte ich da immer noch eine persönliche Einschätzung zu abgeben. Und das ist bei der Menge an Titeln einfach auf Strecke nicht machbar. Wenn es Dir recht ist, würde ich Dein Konzept mal klauen – und dann im Anschluss meine heiß erwarteten Titel aufführen.

    Dank Dir bin ich jetzt jedenfalls auf Bücher (z.B. „Den Wölfen zum Fraß“) gestoßen, die bei mir komplett unter dem Radar geflogen sind. Dasselbe gilt für ein paar Verlage, welche ich – Schande über mein Haupt – immer aus dem Blickfeld verliere oder beim Vorschausichten nicht berücksichtige.

    Nochmals Kompliment. Für mich ist Deine Liste schon längst zur Institution geworden!
    Komm gut durch die Woche
    LG Stefan

    1. Lieber Stefan, das höre ich natürlich supergerne. Klauen ist erlaubt, ich nenne es mal „inspirieren“ 😉 Ja, eine persönliche Einschätzung würde ich auch gern hinzufügen (habe das bei den ersten ausgaben auch gemacht), zumal nicht alle Titel dann auch auf meiner Leseliste landen werden. Ist aber tatsächlich angesichts der Fülle von mir nicht leistbar. Freut mich aber immer wieder, dass sie auf so viel Interesse stößt. Sind eigentlich seit Jahren (abgesehen vom Abiturstoff Unter der Drachenwand 🙂 ) die weitaus am häufigsten geklickten Beiträge. Und das über lange Zeit. Liebe Grüße und Danke für Deine lieben Kommentare. Sind immer wieder sehr aufbauend! Petra

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