Rückblick auf das Buchjahr 2021

Rückblick auf das Buchjahr 2021

Frohes neues Jahr Ihr Lieben! 

Ein weiteres dieser komischen C*jahre ist zu Ende gegangen. Vieles war wieder möglich – beispielsweise eine gut funktionierende Buchmesse in Frankfurt -, aber vieles haben wir uns noch 2020 anders vorgestellt.
Was ist wie immer, ist die Rückschau am Jahresende. Auf das Buchuniversum bezogen war es für mich ein ganz wunderbares Jahr, für das ich allen daran Beteiligten sehr danken möchte. Euch Leser:innen für euer Interesse, euch Autor:innen für eure großartigen Texte, euch Verlagsmenschen für euer Engagement und überhaupt allen, die die Literaturwelt am Laufen halten.
Bücher waren und sind immer auch Trost, Zuflucht, Anregung, Glücksquell.

Mein kleiner Rückblick auf 2021 beginnt mit den Debüts. Gelesen habe ich 16, bleiben durften 13. Ein guter Schnitt, allerdings habe ich bedauerlicherweise insgesamt nicht wirklich viele Debüts gelesen.
Seit 2017 darf ich als Jurymitglied beim Bloggerreis für Literatur Das Debüt dabeisein. Das ist immer ein Highlight des Jahres.

Das Debüt 2021Dieses Jahr nominiert auf der Shortlist stehen Jessica Lind mit Mama Sharon Dodua Otoo mit Adas Raum, Ariane Koch mit Die Aufdrängung, Stefanie vor Schulte mit Junge mit schwarzem Hahn und Thomas Arzt mit Die Gegenstimme. Ende Januar wird der/die Gewinner:in bekanntgegeben. Im Januar starte ich mit den Titeln, bisher gelesen habe ich nur Adas Raum.
Zwei „meiner“ Debüts waren für den Deutschen Buchpreis nominiert: Yulia Marfutova – Der Himmel vor hundert Jahren und mein Buchpreispatenkind Identitti von Mithu Sanyal

Nicht auf die Shortlist geschafft, aber dennoch sehr lesens- und erwähnenswert sind: Alem Grabovac mit Das achte Kind und vor allem Esther Becker mit Wie die Gorillas, das sicher eines meiner Lieblingsdebüts 2021 ist.

Internationale, empfehlenswerte Debüts waren auch dabei: Douglas Stuarts Shuggie Bain (Booker Preis 2020) und Brandon Taylor – Real life.
Vorsatz für 2022: mehr Debüts lesen!

Debüts in der Rückschau 2021

Ich wähle meine Lektüre nicht nach Geschlecht der Autorin/des Autors, schaue am Jahresende aber seit einiger Zeit immer auf meinen Anteil gelesener Autorinnen. Bisher ging es immer recht paritätisch aus, mit leichtem Frauenvorteil. So auch 2021. 97 Bücher insgesamt gelesen, davon 54 aus weiblicher Hand, entspricht 56 %.
Daraus zehn Lieblingsbücher herauszusuchen war gar nicht so leicht. Vater und ich von Dilek Güngör gehört sicher dazu, Wie die Gorillas, das Debüt von Esther Becker, natürlich Drei Kameradinnen von Shida Bazyar und Wohin ich immer gehe von Nadine Schneider.
Die essayistischen Botschaften an mich selbst von Emilie Pine haben mich durchgerüttelt, spannend wurde es mit Nadia Bozaks Der Junge und Ayelet Gundar-Goshens Wo der Wolf lauert. Die Unschärfe der Welt von Iris Wolff stammt noch aus 2020. Carole Fives hat mich mit Kleine Fluchten erwischt und Dorothy Wests Die Hochzeit ist eine großartige Wiederentdeckung.

Ein ganz besonderes Lesehighlight war 2021 die Jahreszeitentetralogie von Ali Smith. Bis auf Herbst habe ich alle dieses Jahr gelesen. Großartig!

Literaturpreistraegerinnen 2021 Drei Preisträgerinnen gab es dieses Jahr: beim Deutschen Buchpreis, beim aspekte-Preis und beim Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Bis auf den wunderbaren ersten Band der Tambu-Trilogie Aufbrechen von Tsitsi Dangaremba habe ich noch keines der Bücher gelesen. Das wird sich bald ändern, denn Die Aufdrängung steht auch auf der Shortlist zum Bloggerpreis Das Debüt.

Es gab aber natürlich auch noch andere Preisträger:innen.

Clemens Setz erhielt den renommierten Georg Büchner Preis (ein Preis, bei dem es eine unfassbare Übermacht männlicher Autoren gibt, immer noch).

Der Preis der Leipziger Buchmesse in der Sparte Belletristik ging sehr überraschend an Iris Hanika mit Echos Kammern, den Österreichischen Buchpreis erhielt Raphaela Edelbauer für Dave, den Schweizer Martina Clavadetscher für Die Erfindung des Ungehorsams.

Weitere Preisträger:innen:

Hauptpreis des Ingeborg Bachmann Preises: Nava Ebrahimi – Der Cousin

Wilhelm Raabe Literaturpreis: Gert Loschütz – Besichtigung eines Unglücks

Der 13. Internationale Literaturpreis geht an Fatima Daas und Sina de Malafosse für den Roman Die jüngste Tochter und seine Übertragung aus dem Französischen.

Internationale Literaturpreise:

Booker Prize: Damon Galgut – Das Versprechen

Prix Goncourt: Mohamed Mbougar Sarr – La Plus Secrète Mémoire des hommes (Das Buch wird in der deutschen Übersetzung von Holger Fock und Sabine Müller voraussichtlich im Herbst 2022 unter dem Titel „Die geheimste Erinnerung der Menschen“ bei Hanser erscheinen)

National Book Awards: Jason Mott – Hell of a book

Pulitzer Prize for Fiction 2021: Louise Erdrich – Der Nachtwächter

Den Nobelpreis für Literatur schließlich erhielt Abdulrazak Gurnah. Sein Werk erscheint zukünftig im Penguin Verlag, als erster Roman Das verlorene Paradies.

Rückschau Buchjahr 2021 LiteraturpreiseWelche Themen begegneten mir in meinem Lesejahr 2021? Gab es überhaupt DIE Themen?
Ich habe den Eindruck, schon. Natürlich ist die Zuordnung eines Buchs zu einem Thema immer willkürlich. Kein wirklich gutes Buch hat nur ein einziges davon. Und Überschneidungen gibt es zuhauf. Dennoch habe ich mal geschaut, welche Themen bei „meinen“ Büchern 2021 am präsentesten waren und die für mich besten, empfehlenswertesten Titel zusammengesucht.

Dauerbrennerthema ist die Familie. Diesem Thema scheint nie die Luft auszugehen – zum Glück. Ich bin eine leidenschaftliche Familienroman-Leserin und dieses Jahr gab es da das eine oder andere Highlight. Sehr stark war der Dorfroman von Christoph Peters. Schon lange nicht mehr etwas so Gutes aus diesem Bereich gelesen. Aber auch die viel schmaleren, Vati, Vater und ich und Die Verlassenen von Matthias Jügler sind unbedingt lesenswert. Ebenso wie der für den Buchpreis nominierte Roman Mitgift von Henning Ahrens. Auch ein internationaler Roman gehört zu meinen besten Familienromanen: Wo der Wolf lauert von Ayelet Gundar-Goshen.

Tod und Sterben – große literarische Themen – sind mir in diesem Jahr auch öfter begegnet. Auch das alles dicke Leseempfehlungen, ob eher heiter-spannend wie bei Andreas Moster Kleine Paläste oder sehr persönlich wie bei Christian Dittloff oder Hanne Ørstavik – sehr berührend waren sie alle.

Die Stimmen von BIPOC und Migranten, meistens schon in zweiter oder dritter Generation, waren dieses Jahr sehr präsent. Es ging um Rassismus und Identität. Die meisten dazu von mir gelesenen Romane stammen aus den USA. Tsitsi Dangarembga ist eine wichtige Stimme Simbabwes. Und Shida Bazyar schrieb DEN deutschen Roman zum Thema.

Auch Autofiktionales Schreiben stand hoch im Kurs. Sehr direkt und überzeugend waren beispielsweise die Essays von Emilie Pine Botschaften an mich Selbst. Alem Grabovac und Dmitrij Kapitelman erzählten über ihre migrantischen Familien, Helga Schubert gewann bereits im Vorjahr den Bachmannpreis mit ihren Aufzeichnungen Vom Aufstehen. Und Douglas Stuart autofiktionaler Roman Shuggie Bain erhielt den Booker Prize 2020.

Es gab einige wichtige Wiederentdeckungen 2021. Der Guggolzverlag wirkte weiter an der Entdeckung des Norwegers Tarjei Versaas. Ebenso der Kröner Verlag mit Sigrid Undsets Kristin Lavransdotter. Und die Harlem Renaissance war bei mir gleich 3x vertreten: Seitenwechsel von Nella Larsen, The blacker the berry von Wallace Thurman und Die Hochzeit von Dorothy West.

Canada 2020

Und dann waren da noch die vielen wunderbaren Romane aus Kanada, das Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse.

Und das sind sie nun, meine Bücher des Jahres 2021. Es ist mit tatsächlich ein bisschen schwer gefallen, dieses Jahr. Anders als in den vergangenen Jahren gab es nicht diese ein, zwei oder auch fünf Bücher, die von Anfang an den Status eines Lieblingsbuchs eroberten. Dafür viele sehr gute und gute Bücher, aus denen auszuwählen gar nicht leicht war.
Beim nochmaligen Durchgehen meiner Leselisten ergaben sich plötzlich Verschiebungen. Bücher, die ich beim Lesen sehr gemocht habe, hinterließen kaum noch Widerhall, andere, an denen ich das eine oder andere rumzumäkeln hatte, spuken mir noch heute im Kopf herum.
Deshalb sieht die Liste mit „meinen“ Büchern 2021 tatsächlich anders aus als sogar ich dachte. Alles tolle Bücher, die ich mit Freude gelesen habe, die mich aber auch darüber hinaus beschäftigt haben.

Veranstaltungen fanden dieses Jahr wieder vorwiegend online statt. Verlage und Autoren gaben sich dabei wirklich viel Mühe und es war schön, auch bei Veranstaltungen dabei sein zu können, auch wenn man die Distanz sonst nicht bewältigen könnte. Ein wirklicher Ersatz für persönliche Begegnungen und Präsenzveranstaltungen sind sie natürlich nicht. Aber eine tolle Ergänzung. Sehr engagiert ist der Diogenes Verlag, mit regelmäßigen Bloggertreffen, Programmvorstellungen und Autorenlesungen.  Susanne und Steffi sind da sehr rege, die Abende sind immer wunderbar.

Auch Penguin, Manesse, Rowohlt, Arche die wunderbare Kombination Verbrecher/Edition Nautilus meldeten sich mit Bloggertreffen und sorgten aufs Beste für gute Bloggerrelations. Die Literaturhäuser streamten was das Zeug hält, ich fand einen wunderbaren Lesekreis und auch Die Zeit schuf ein spannendes Online-Live-Format.

Dennoch: wie schön war die erste Literatur-Präsenzveranstaltung (Debütpreisverleihung in Essen), wie schön die erste Lesungen im September (Gert Loschütz in der Ev. Akademie Frankfurt und Douglas Stuart im Literaturhaus Frankfurt). Und – man wagte es kaum, zu hoffen – der Shortlistabend zum Deutschen Buchpreis fand tatsächlich vor Ort statt. Überhaupt der Buchpreis. da ich dieses Jahr offizieller Buchpreisblogger sein durfte, habe ich mich viel damit beschäftigt und mich mit den anderen Blogger:innen ausgetauscht. Und bei der Verleihung im Oktober im Frankfurter Römer einige davon kennengelernt. Ein wunderbarer Abend!

Die Frankfurter Messe war dann erst einmal die letzte Veranstaltung für dieses Jahr. Aber was für eine! Super Hygienekonzept, perfekte Planung und Organisation – ein Beispiel dafür, dass eine solche Großveranstaltung auch unter (gemäßigten) Pandemiebedingungen durchgeführt werden kann. Und hoffentlich Beispiel für die Leipziger Messe im März. Gerne teile ich einige Fotos von den Veranstaltungen de Jahres und der Messe, von mehr als zehn besuchten Lesungen und vielen wunderbaren Begegnungen mit anderen Buchmenschen. Ich hoffe sehr, dass wir diese tollen Tage im März in Leipzig wiederholen können.

 

6 Gedanken zu „Rückblick auf das Buchjahr 2021

  1. Frohes neues Jahr, liebe Petra.
    Einige der Bücher habe ich auch gelesen, einige fehlen noch.
    Leider habe ich nicht so viele Autoren gesehen und bedaure es immer noch, dass ich in Essen nicht dabei sein konnte. Vielleicht klappt es ja dieses Jahr, auch mit Leipzig.
    Viele liebe Grüße
    Silvia

    1. Die auch alles Gute fürs neue Jahr, Silvia! Ich bin eigentlich sehr optimistisch für 2022. Es werden sicher wieder mehr Begegnungen möglich sein. Ich freue mich darauf, dich wieder mal in „echt“ zu treffen. Bis dann, bleib gesund und wir treffen uns sicher demnächst mal wieder virtuell! LG Petra

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