Die Propheten – wuchtig, erdig und bedeutungsschwer kommt der Debütroman von Robert Jones jr. daher, mit dem der 1951 geborene New Yorker Autor gleich auf der Shortlist des National Book Award 2021 landete. Als „Son of Baldwin“ bloggt und twittert er über Blackness und Queerness und engagiert sich für Anti-Diskriminierung. Natürlich ist der Name eine Verbeugung vor dem großen Autor James Baldwin, den er neben Toni Morrison als sein Vorbild bezeichnet. Mit Die Propheten erzählt er eine Schwarze, queere Liebesgeschichte aus der Sklaverei des 19. Jahrhunderts. Es ist für ihn das Buch, über das Morrison sagte: „Wenn es ein Buch gibt, das Sie lesen möchten, aber es noch nicht geschrieben wurde, dann müssen Sie es schreiben.“
Die Propheten spielt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf einer Baumwollplantage in Mississippi. Isaiah und Samuel wurden bereits als Babys ihren Müttern von den Sklavenhaltern entrissen und sind von klein auf unzertrennlich. Als junge Burschen arbeiten und leben sie nun in der Scheune der Plantage und kümmern sich um das Vieh. Plantagenbesitzer Paul Halifax hat allerdings noch etwas anderes mit ihnen vor. Groß, stattlich, gesund und muskulös wie sie sind, sollen sie mit geeigneten Frauen neue Arbeitssklaven zeugen. Dafür gibt es eine speziell angelegte „Fickhütte“. Dem Plan entgegen steht, dass sich beide nicht zu Frauen hingezogen fühlen, sondern zueinander. Die Liebe, die sie füreinander empfinden, die Sexualität, die sie versteckt ausleben, bleiben allerdings nicht lange verborgen. Auch unter den Sklaven kommen Neid, Missgunst und Hass auf. Allerdings auch Liebe und Unterstützung.
Mutliperspektivität
Es sind vor allem die Frauen, die Köchin Maggie, die jungen Mädchen Essie und Puah, die auf der Seite von Isaiah und Samuel stehen. Ihnen sind genauso wie dem Prediger Amos, dem Kutscher Adam, seinerseits von Halifax mit einer Sklavin gezeugt, dem Aufseher James, der Herrin Ruth Halifax und dem Sohn Timothy Kapitel gewidmet. Dieser eher weiche Sohn, der im Norden bei den Abolitionisten studiert und für seine Malerei lebt, löst mit der Entdeckung seiner Homosexualität und der fatalen Neigung zu den beiden jungen Sklaven schließlich einen wahren Blut- und Feuerrausch aus, dem zahlreiche Protagonisten zum Opfer fallen.
Kapitelüberschriften, die neben den Namen der Protagonisten die von Büchern des Alten Testaments tragen, passen zur Wucht des Textes. Sprachgewaltig, mit nicht immer überzeugenden Metaphern und eingeschobenen mystischen Stimmen, die Totenstimmen sein könnten oder aber die der biblischen Propheten, entfaltet der Roman von Robert Jones jr. eine tragische Geschichte von Leid, Gewalt, unerbittlicher Brutalität, wie man sie von ähnlichen Sklavengeschichten kennt. Im Mittelpunkt steht hier aber die queere Liebe der beiden Männer, die für sie eine gewisse Freiheit bedeutet, wenn auch nur auf Zeit, und die Zerstörung jeder Form von Familienzugehörigkeit, von Abstammung und Tradition durch die Sklavenhalter. Den Schwarzen Menschen wurde damit ihre Geschichte geraubt.
Rückblenden
Das wird im Text durch Rückblenden in die vorkoloniale Zeit Afrikas verdeutlicht. Hier platzen in das Reich der Königin Akusa, in der auch gleichgeschlechtliche Ehen selbstverständlich waren, weiße Missionare und Sklavenhändler, die die Traditionen brutal zerstören. Zwei Afrikaner, Kosii und Elewa, die versklavt und mit dem Schiff nach Amerika verbracht werden, gehen den beiden Protagonisten Isaiah und Samuel dabei quasi voran.
Robert Jones jr. kann streckenweise enorm fesseln, packt aber vielleicht ein wenig sehr viel Dramatik, alttestamentarische Wucht und biblische Querverweise in seinen Text. Dadurch wird das Buch manchmal allzu wuchtig. Übersetzerin Simone Jakob belässt nach Absprache mit dem Autor die N*-Wörter, was historisch passend ist und auch zur Verneigung vor James Baldwin passt, sicher aber den einen oder die andere Leser:in stören könnte.
Eine weitere Besprechung findet ihr bei Constanze Zeichen und Zeiten.
Beitragsbild via Library of Congress CC0
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Robert Jones jr. – Die Propheten
Übersetzt von Simone Jakob
dtv April 2022, gebunden, 544 Seiten, € 26,00