Ein weiterer mit dem Nadal-Preis (2021) ausgezeichneter Roman stammt von der marrokanisch-spanischen Autorin Najat El Hachmi. Eindringlich und bewegend erzählt sie darin vom Aufwachsen junger Mädchen aus Migrantenfamilien weit vor den Toren Barcelonas. Zerrissen zwischen den autoritären Ansprüchen ihrer im unangetasteten Patriarchat sozialisierten Eltern und den modernen westlichen Lebensformen, die sie umgeben, suchen Naíma und ihre Freundinnen ihren Weg. Najat El Hachmi lässt sie hoffen, dass nach all den Anstrengungen, es richtig zu machen, sich selbst und sein Verhalten zu perfektionieren, dass dann endlich gilt Am Montag werden sie uns lieben.
Denn geliebt werden wollen sie, die zu Beginn gerade 15jährige Naíma und ihre etwas älteren Freundinnen Sam und die ohne Namen bleibende Adressatin des Textes, den wir Leser:innen in den Händen halten. Sie sind „Moros“, wie sie von ihrer Umgebung despektierlich genannt werden, sich aber auch selbst so bezeichnen. Ihre Eltern stammen aus Nordafrika und sind irgendwann der Arbeit wegen nach Katalonien gekommen. Die Familien folgten im Rahmen von Zusammenführungen, eine Staatbürgerschaft oder auch nur eine Arbeitserlaubnis sind damit nicht verbunden. Den Mädchen wird damit ihr Außenseiterstatus immer wieder deutlich, ignorante Lehrer:innen, ablehnende Vermieter:innen oder verächtliche Mitschüler:innen tun das Übrige.
Schwieriges Erwachsenwerden
Aber es ist nicht allein die Weiße Umwelt, die den Mädchen das Erwachsenwerden schwer macht. Die Anforderungen der muslimischen Eltern, die den Töchtern ab einem gewissen Alter sämtliche Freiheiten beschneiden, jede Körperlichkeit verdammen und sie mit ihren Konflikten allein lassen, sind noch belastender. Dass es auch in muslimischen Familien anders zugehen kann, zeigt Sam, deren Mutter sie ziemlich frei erzieht. Und auch die schon erwachsene Freundin, an die Naíma ihren Brief oder Monolog richtet, ist nach einer früh geschlossenen Ehe mit einem Cousin, die bald geschieden wurde, sehr frei und unabhängig unterwegs. Das beeindruckt die junge Verfasserin des Textes sehr, radikalisiert sich ihr Vater in seinen religiösen Anschauungen doch immer mehr, neigt zu Gewalt gegenüber der Mutter, die sich fast komplett unterwirft und das Haus nahezu gar nicht mehr verlassen darf. Auch von der heranwachsenden Naíma fordert er, dass sie sich verhüllt.
Aber auch der Weg der freieren Freundinnen läuft nicht ohne die typischen Klippen. Frühe Ehen mit vermeintlich aufgeklärten Muslimen folgen. Diese erweisen sich nach kurzer Zeit aber als die klassischen Machos, als die sie erzogen wurden. Haushalt und weitestgehend auch der Verdienst des Familienunterhalts verbleiben bei den jungen Frauen. Naímas Mann Javier entwickelt schließlich selbst radikal-islamische Neigungen. Kinder, die sehr bald folgen, erschweren die Selbstverwirklichung, wo Naíma doch eigentlich studieren wollte.
Brief an eine Freundin
Najat El Hachmi verfasst Am Montag werden sie uns lieben wie gesagt als einen langen Brief, einen Monolog, in dem sie sich immer wieder an ihre geliebte Freundin wendet. Die Leser:in ahnt schon bald, dass die Geschichte nicht gut enden wird. Dieses Ende ist dann tatsächlich aber der einzige Punkt, an dem mich der Roman etwas enttäuscht hat. Ansonsten schreibt die Autorin ein wirklich bewegendes Stück Literatur, vermeidet jegliche einseitigen Schuldzuweisungen, geht hart ins Gericht mit dem Patriarchat muslimischer Prägung, klagt aber auch das Stillschweigen und die mangelnde Unterstützung der Mütter an.
Solidarität sieht sie bei den jungen Frauen untereinander, die aber der Gefahr unterliegen, in die gleichen Fallen zu tappen wie die Generationen vor ihnen. Ihre Zerrissenheit zwischen dem Wunsch, von ihrer Familie akzeptiert und geliebt, gleichzeitig aber auch von ihrer Umwelt anerkannt und respektiert zu werden, Männern zu gefallen und dennoch ihre Freiheit zu behalten, ihre Fähigkeiten und Talente entfalten zu dürfen, Liebe und Sexualität ohne Angst und Schuldgefühle zu erleben – wie schwer diese eigentlich elementaren Rechte von den jungen Frauen in den Vororten nicht nur Barcelonas erstritten werden müssen, das zeigt uns Najat El Hachmi in Am Montag werden sie uns lieben auf auch literarisch überzeugende Weise.
Beitragsbild: Spiegelungen by Heinz-Eberhard Boden (CC BY-NC 2.0) via flicke
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Najat El Hachmi – Am Montag werden sie uns lieben
Aus dem Katalanischen und Spanischen von Michael Ebmeyer
Orlanda Februar 2022, 272 Seiten, Klappenbroschur, € 22,00