Der Oktober – für alle Literaturmenschen natürlich in erster Linie der Buchmessenmonat. Auch ich habe auf die erste „richtige“ Messe seit Beginn der Corona-Pandemie hingefiebert. Zwar war die besondere Messe im vergangenen Jahr ohne viele Veranstaltungen, ohne Stand-Partys und Bloggertreffen, mit viel weniger Menschen und viel, viel Platz in den Hallen auch sehr schön (da man viel mehr Zeit hatte) und sogar die reine Presse-Messe 2020 hatte ihren Reiz, aber natürlich war diese Messe 2022 ein großes Fest. So viele Wiedersehen, so viele Einladungen, so viel Input wie lange nicht mehr. Ich möchte mich bei allen bedanken, die dazu beigetragen haben. Es folgt sicher auch noch ein Messe-Rückblick, aber ich muss mich immer noch sortieren. Die Lektüre fiel deshalb in diesem Oktober 2022 vielleicht ein bisschen weniger üppig aus als sonst, ich bin aber dennoch sehr zufrieden.Und diese Bücher standen im Oktober 2022 zur Lektüre an:
Javier Cercas – Die Erpressung. Terra alta
Der zweite Teil der Krimiserie um den von Barcelona in die katalonische Provinz versetzten Polizeibeamten Melchor Marin, der nach tragischem persönlichen Verlust im ersten Teil und gnadenlos durchgeführter Rache nun bei den Ermittlungen zu Erpressungsversuchen an der Bürgermeisterin von Barcelona erneut mit seiner dunklen Vergangenheit konfrontiert wird.
Düster, brachial, spannend und politisch!
Antonio Munoz Molina – Tage ohne Cecilia
Ein Mann hat nach der Katastrophe von 9/11 New York den Rücken gekehrt und wartet nun in Lissabon auf seine Frau Cecilia. Diese ist Neurowissenschaftlerin und forscht darüber, wo die Empfindung „Angst“ im Hirn zu lokalisieren ist. Die Wissenschaft führt sie zu Tagungen und Kongressen weltweit. Aber sind die der einzige Grund, warum ihre Ankunft ausbleibt? Stilistisch großartig und spannend bis zum leicht enttäuschenden Ende.
Vicente Valero – Die Fremden – Übergänge – Schachnovellen
Drei schmale Bücher mit autobiografischen Texten des ibizenkischen Autors, dessen Krankenbesuche mich im letzten Monat so begeistert haben. Kleine, oft humorvolle Miniaturen über Familienmitglieder, den Tod, das Ende der Franco-Diktatur und Schach.
Für mich eine großartige Entdeckung!
Anne Serre – Im Herzen eines goldenen Sommers
Das schmale Buch mit dreiunddreißig Kürzestgeschichten der französischen Autorin Anne Serre wurde 2020 mit dem Prix Goncourt de la Nouvelle ausgezeichnet. Und es verwundert, dass diese großartige Erzählerin, von der in Frankreich 16 Romane und Kurzgeschichtensammlungen vorliegen, in Deutschland bisher nicht veröffentlicht wurde. Nun liegen beim Berenberg Verlag diese von Patricia Klobusiczky in ein schönes Deutsch übersetzte Miniaturen vor, die laut Verlag ein „raffiniertes, spielerisch leichtes Selbstportrait“ darstellen. Wegen der vielen verschiedenen erzählenden Ichs habe ich das Buch so nicht gelesen, aber nach dem vorangestellten Pessoa-Zitat – „Jeder von uns ist mehrere, ist viele, ist ein Übermaß an Selbsten.“ – kann man es durchaus auch so rezipieren.
Wie auch immer, tagebuchartigen Aufzeichnungen, Träume, Erinnerungen und Fantasien sind wunderbar leicht, heiter, nachdenklich, spielerisch. Viele der kurzen Kapitel verwenden erste Sätze von bekannten Autoren, z.B. aus Heinrich Bölls „Ansichten eines Clowns“, aber auch vom „Kopfkissenbuch“ von Sei Shonagon, und verweben sie zu persönlichen Texten. Mir haben diese kurzen Texte sehr gefallen und ich hoffe auf weitere Übersetzungen von Anne Serre.
Viktor Funk – Wir verstehen nicht, was geschieht
Der Historiker und Politikredakteur Viktor Funk fiktionalisiert die Erlebnisse von Lew und Swetlana Mischtschenko, die er 2004/2005 zu ihren Erlebnissen während des Zweiten Weltkriegs und in der Stalinzeit befragen konnte.
Der Physiker Lew war einer jener Russen, die zunächst in deutscher Lagerhaft, dann nach Kriegsende als Verräter in einem stalinistischen Arbeitslager interniert wurden und dort unsägliches Leid erfuhren. Swetlana wartete auf ihren Mann, der erst nach Stalins Tod 1954 frei kam. „Dieses Buch will an die Menschen erinnern, die jene schrecklichen Jahre erlebt haben.“ Außerdem möchte es daran erinnern, dass die die Recherchen der Menschenrechtsorganisation Memorial, die diese Zeit in der Sowjetunion aufarbeitete, schon vor Jahren des russischen Angriffkrieges verboten wurde. „Die dunklen Kapitel der sowjetischen Geschichte werden wieder verschwiegen, Dabei ist das heutige Russland ohne das Wissen über das Terrorregime nicht zu verstehen.“
Eine ausführliche Rezension folgt.
Liebe Petra,
Wir haben uns in Göttingen kennengelernt. Jetzt stöbere ich in Deinem Blog – und finde durchaus Bücher wieder, die ich selbst gelesen habe. Du hast aber auch interessante Tips jenseits des Mainstreams für mich. Über Linden Hills hatten wir gesprochen, das besorge ich mir auf jeden Fall. Und auch bei Vicente Valero hast Du mich neugierig gemacht. Die vorangestellten Fotos finde ich ausdrucksstark, sie sehen erfreulich wenig nach Stock-Bildern aus.
Am Rande noch ein User-Feedback zur Homepage: Im Pano-View wird als erstes ein Post vom Mai 2022 angezeigt. Das vermittelt den Eindruck, dass dies der aktuellste Eintrag ist – was ja nicht der Fall ist.
Ich kann auch nicht genau erkennen, was sich hinter den einzelnen Menüpunkten verbirgt. Rezensionen gibt es ja direkt auf der Startseite und dann nochmal unter „Rezensionen“. Bei der Navigation habe ich mich etwas verloren gefühlt.
Jedesmal, wenn ich zu den Menüpunkt gewechselt habe, musste ich auch wieder die Cookies abwählen. Das kenne ich von anderen Blogs so nicht.
Ich freue mich auf jeden Fall auf die nächsten Rezensionen und habe gleich mal meine Mail-Adresse hinterlassen.
Dir und Deiner Familie wünsche ich ein schönes Wochenende.
Liebe Grüße aus Springe
Anke