Grit Krüger – Tunnel

Die junge alleinerziehende Mascha Heerdmann lebt mit ihrer Tochter Tinka von Hartz IV. Auch wenn es ihre Sachbearbeiterin im Jobcenter noch vergleichsweise gut mit ihr meint, sind die Gänge dorthin erniedrigend und lästig. Doch Kürzungen der Leistungen kann sich Mascha nicht erlauben, das Geld reicht auch so kaum fürs Essen (Nudeln mit Butter, ein bisschen Toast), für den Schulausflug, den Hort. Und jetzt ist die Heizung kaputt. Wie soll sie das bezahlen? Die Armut ist im Debütroman von Grit Krüger wie ein dunkler Tunnel, in den man hineingezogen wird und an dessen Ende man kein Licht sieht. Ja noch nicht einmal das Ende ist zu erkennen.

Enders, der „Tröster“, bietet Mascha vielleicht ein paar schönere Stunden, aber sein Leben hat er auch nicht im Griff, sucht selbst viel zu oft Trost beim Alkohol. Das Zimmer hinter Grunjas Kneipe, in dem er seit einer Weile schläft, muss er bald räumen. Und die kleine Tinka fehlt viel zu oft in der Schule, das kann so nicht weitergehen. Vielleicht ist die Arbeit im Pflegeheim eine vorübergehende Lösung. Geld fürs Nötigste und dazu noch Kost und Logis für sich und das Kind. Mascha geht widerwillig zur Bewerbung.

Zuflucht im Pflegeheim

Dort angekommen merkt sie aber, dass ihr der Umgang mit den Alten leicht fällt, dass sie ein Händchen dafür hat, auch für die „schwierigen Fälle“, wie den mürrischen Tomsonov, die schmerzgeplagte Frau Küff und die alte Schmieding. Und sie kann für Enders heimlich ein leerstehendes Zimmer bereitstellen. Trotzdem, es ist für Mascha ein enges, ein bedrückendes Leben. Als sie eines Tages Tomsonov im Keller überrascht, wie dieser einen Tunnel ins Erdreich zu graben beginnt, schließt sie sich diesem verrückten Vorhaben an.

Grit Krüger baut in ihre Erzählung, die abwechselnd die personalen Perspektiven von Mascha, Tinka, Enders und Tomsonov einnimmt, auch Liedpassagen, lyrische Abschnitte und Wortwechsel ein. Auch eine Art Chor übernimmt immer mal wieder, z.B. wenn es auf dem Amt heißt: „Was machen wir mit der jungen Heerdmann?“ Wie auch die Bewohner des Heimes sind Mascha und Enders sehr facettenreich beschrieben. Das schafft einen abwechslungsreichen, lebendigen und interessanten Text, der mir aber den Zugang zu den Personen und ihren doch etwas merkwürdigen Verhaltensweisen nicht immer leicht gemacht hat. Am besten gefallen hat mir die Perspektive von Tinka, die sehr authentisch beschrieben ist. Dabei sind Kinderperspektiven meist ein wenig heikel. Grit Krüger gelingt sie in ihrem Debütroman grandios.

 

Beitragsbild von Franz Bachinger auf Pixabay CC0

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Grit Krüger - Tunnel.

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Grit Krüger – Tunnel
Kanon Verlag März 2023, 220 Seiten, Gebunden, € 23,00

 

 

 

 

 

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