Teresa Präauer – Kochen im falschen Jahrhundert

Wie in einem Bühnenstück lässt die Österreicherin Teresa Präauer fünf bzw. sieben Protagonisten in ihrem fabelhaften Roman Kochen im falschen Jahrhundert zu einem Abendessen in der frisch renovierten und frisch bezogenen Altbauwohnung der Gastgeberin zusammentreffen. Eine Quiche soll es geben, dazu einen frischen Salat und reichlich perlenden Crémant d’Alsace. Für diese recht einfach gestrickte Menüfolge macht sie sich verblüffend viel Gedanken. Ja, man darf sogar von einer gewissen Angst vor diesem Abend, respektive vor seinem Scheitern, sprechen. Denn es sitzen ja nicht nur die Eingeladenen am Tisch, sondern all die Erwartungen, die gesellschaftlichen Normen, der zeitgeistige Kult ums Essen und der vielleicht unbewusste Wunsch, sich und die eigene Einstellung zur Welt und zum Leben durch dieses Abendessen quasi zu materialisieren.

Eingeladen sind neben dem Lebenspartner der Gastgeberin ein Ehepaar, das vor kurzem zu Eltern geworden ist, und ein Schweizer Freund, dessen Freundin nicht mitkommen konnte, da sie sich wegen ihrer Joblosigkeit in einer Krise befindet. Alle sind geschätzt um die 40, gebildet, kultiviert und gutsituiert und bleiben das ganze Buch hindurch namenlos und in ihren bfesten Rollen als eben Ehefrau, Ehemann oder „der Schweizer“. Das schafft eine gewisse Allgemeingültigkeit, denn natürlich wird und soll sich die Leserin und der Leser in bestimmten Aspekten (nicht immer zur eigenen Freude) wiederfinden. Ertappt!

Kochen im Zeitalter von Intagram

Diese fünf Protagonisten werden später durch zwei Amerikaner, die das Ehepaar beim „Vorglühen“ in einer Bar kennengelernt haben und die durch den Hashtag plus Ortskennzeichnung eines veröffentlichten Instagram-Posts der Ehefrau zur Wohnung gelockt werden, ergänzt. Social Media, vor allem Instagram spielen eine große Rolle in Kochen im falschen Jahrhundert. Foodporn, Lifestyle, Interieur – alles dient zur Selbstinszenierung und auch zur Selbstvergewisserung. Die entsprechenden Objekte in der Umgebung sind dafür unentbehrlich. Zwar sind die Umzugskisten noch nicht ausgepackt, aber der dänische Designer-Esstisch steht, die Iitalla-Gläser glänzen und das edle Geschirrtuch und die Kochschürze sind fast mehr ein Statement als Textilien.

via pexels

Mit großer Detailfreudigkeit, die vielleicht die bildende Künstlerin auszeichnet, die Teresa Präauer auch ist, beschreibt sie diese Objekte, die immer auch Distinktionszeichen sind und der Selbstdarstellung dienen. Die Autorin schreibt mit einem sehr schönen, klugen Witz und viel Ironie. Dreimal lässt sie die Abendeinladung beginnen. Jedes Mal sind Kleinigkeiten verschoben, ziehen sich die Gäste die Schuhe aus oder eben nicht, kommen sie pünktlich oder viel zu spät, ascht der Schweizer auf den Nachbarbalkon oder in den Aschenbecher. Dieser Beginn ist herrlich, gibt dem Erzählten etwas leicht Flirrendes und Vielschichtiges. Denn Teresa Präauer geht es natürlich nicht nur um die sanft ironische, unterhaltsame Geschichte einer Abendeinladung, als die man Kochen im falschen Jahrhundert ohne Probleme auch lesen kann.

Essen ist politisch

Ihr Essen ist auch politisch. Und es wimmelt von kleinen Anspielungen, wie dem auf dem Nachbarbalkon aufgeschlagenen Buch des französischen Soziologen Pierre Bourdieu, dem Entwickler des Habitus-Konzepts, nach dem Gewohnheiten, Güter und Lebensstil jemanden als Angehörigen einer bestimmten sozialen Gruppe kennzeichnen, und das sich angeblich, auch unter dem Einfluss der sozialen Medien, allmählich auflöst. Darüber kann man genauso sinnieren wie über sprachliche Entwicklungen. Dass plötzlich alles immer „kein Problem“ darstellt oder „alles gut“ ist, obwohl es doch vor Problemen nur so wimmelt und wenig gut ist auf der Welt. Oder Regionalismen, wir haben hier immerhin einen österreichischen Roman vorliegen, und einer der Besucher ist Schweizer. Auch Emanzipation spielt eine Rolle. Und sei es nur durch die unterschiedliche Verwendung einer Küchenschürze.

Das alles ist verspielt, vielschichtig, klug und sehr witzig. Kleine Zutatenlisten gliedern den Roman. Das geht von richtigen Rezeptlisten zu Beginn zu etwas schrägen wie „zu viel Senf“ oder „1 Problem oder kein Problem“. Wobei der Abend immer wilder wird, sich zuerst etliche Mikroaggressionen und Triebe entladen, es dann handfester wird. Alles wird begleitet durch eine exquisite Jazz-Playlist im Hintergrund. (Von wegen Distinktion) Eine Wendung am Ende lässt alles nochmals anders erscheinen. Pointierte Dialoge, die Einbeziehungen der Leser:innen durch Du-Ansprachen, absurde Situationen – wer keine Lust hat, zwischen den Zeilen zu lesen (sich dadurch allerdings um ein Riesenvergnügen bringt), wird auch auf der Oberfläche bestens unterhalten. Die feinen Noten, da ist es wie beim Essen, schmeckt nur der heraus, der sich dafür Zeit nimmt.

 

Beitragsbild via pxhere

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Teresa Präauer - Kochen im falschen Jahrhundert.

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Teresa Präauer – Kochen im falschen Jahrhundert
Wallstein Verlag März 2023, 198 S., gebunden, € 22,00

 

 

 

 

 

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