Eva Reisinger – Männer töten

Unter dem herrlich zweideutigen Titel Männer töten veröffentlicht die österreichische Journalistin und Sachbuchautorin Eva Reisinger ihren ersten Roman und wurde dafür gerade für den Österreichischen Debütpreis 2023 nominiert. Interessant ist, welche Bedeutung des Titels sich beim ersten Augenschein bei der Leserin oder dem Leser nach vorne drängt. Tatsache ist, das macht die „Triggerwarnung“ gleich zu Beginn deutlich: Hier werden Männer getötet. Dabei geht es aber eigentlich um die unerträgliche Tatsache, dass Männer Frauen töten. Immer noch, immer wieder. Und immer noch schaut die Gesellschaft viel zu oft weg, bagatellisiert und ist auch die Rechtsprechung noch nicht so sensibilisiert, diese Femizide als solche gesondert zu behandeln. Bislang haben nur zwei Länder in Europa, nämlich Zypern und Malta, beschlossen, diese Femizide als eigenständige Verbrechen anzuerkennen.

2018 war bezogen auf die Zahl der begangenen Femizide ein besonders trauriges Jahr in Österreich. Ein Jahr, das die (auch) über Femizide berichtende Journalistin Eva Reisinger derart aufgewühlt hat, dass sie beschloss, darüber einen Roman zu schreiben. Weil die ständigen Berichte und Reportagen anscheinend nicht wirklich eine Veränderung bringen, suchte sie einen neuen Weg der Aufklärung, Bewusstmachung und Anklage. Männer töten ist ihre Antwort darauf. Sie ist wütend, konsequent und doch sehr unterhaltsam und österreichisch-humorig.

Ein oberösterreichisches Matriarchat

Protagonistin Anna-Maria kommt aus Wien eher zufällig in eine kleine oberösterreichische Gemeinde. Frisch getrennt und selbst Opfer männlicher Gewalt, hat es sie zusammen mit ihrem neuen Freund Hannes auf dessen Bauernhof verschlagen. Gleich zu Beginn hat sie das Gefühl, dass der Ort etwas anders tickt, als sie es gewohnt ist. Frauen sind hier deutlich in der Überzahl, nehmen ihre Geschicke beherzt und selbstbewusst in die Hand. Es scheint ein offeneres, friedvolleres Miteinander zu herrschen. Nach und nach enthüllt sich aber, dass dieses Engelhartskirchen ein nicht unbedingt harmloses Matriarchat beherbergt.

Eva Reisinger stellt mit ihrem Roman die Verhältnisse auf den Kopf und regt zum Überdenken der eigentlich untragbaren gesellschaftlichen Situation an, weltweit sind es laut Schätzungen der Vereinten Nationen 137 Femizide, die täglich verübt werden. Und auch in Österreich geschieht häufiger als alle zwei Wochen ein solcher geschlechtsbedingter Mord an einer Frau. Eva Reisinger schreibt darüber in Männer töten, ohne pädagogisch daherzukommen. Allein die Verschiebung zu Frauen als Täterinnen anstatt als Opfer, wie wir das in so vielen Krimis, Thrillern, Romanen gewohnt sind, schafft ein positives Aufmerken und Bewusstwerden.

Wichtiges Thema, leichte Umsetzung

Das ist zunächst lobenswert und dem Roman sind allein deswegen viele Leser:innen zu wünschen, gerade auch männliche. Und Bücher über gelebte Frauensolidarität und die Utopie einer Welt ohne Gewalt gegen Frauen und weiblich gelesene Menschen kann es gar nicht genug geben. Mir war die Geschichte im Verlauf aber dann leider doch ein wenig zu flach, die Charaktere wie beispielsweise das lesbische Brautpaar oder die couragierte (katholische!) Pfarrerin zu sehr Abziehbilder, als dass mich das Buch trotz der großen Sympathie dafür literarisch wirklich überzeugen konnte. Wer allerdings ein leichtes, heiteres Buch mit Substanz sucht, ist hier vielleicht genau richtig. Und den Österreichischen Debütpreis hat das Buch auf jeden Fall (schon allein wegen des Titels!) verdient. Ich drücke die Daumen.

Zu erwähnen ist unbedingt noch die wirklich sehr schöne Gestaltung des Leykam Verlags, die das Buch zu einem wirklichen Schmuckstück macht: poppig-buntes, grafisches Cover mit Golddruck und schwarz-weißer Buchschnittverzierung.

 

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Eva Reisinger - Männer töten.

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Eva Reisinger – Männer töten
Leykam Verlag august 2023, gebunden, 288 Seiten, € 24,00

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