Margaret Laurence – Das Glutnest

Ich lernte die Bücher der Autorin Margaret Laurence erst 2020 im Rahmen einer Beschäftigung mit dem damaligen Gastland der Frankfurter Buchmesse Kanada kennen. In ihrem Heimatland gilt die 1926 geborene und 1987 verstorbene Laurence als Klassikerin. Ihr Roman Der steinerne Engel ist dort Schullektüre und war auch meine erste Begegnung mit ihr. Der großartig eigenwillig geschriebene Text um eine ebenso eigenwillige 90-Jährige hat mich absolut begeistert und es war toll zu hören, dass das Buch Teil 1 einer Reihe ist, Teil des fünfbändigen Manawaka-Zyklus. Nach Eine Laune Gottes (2022) hat der Eisele Verlag in Sachen Margaret Laurence nachgelegt und nun bereits den dritten Band veröffentlicht, Das Glutnest, wieder hervorragend übersetzt von Monika Baark. Und auch dieser ist wieder sehr überzeugend.

Schauplatz ist dieses Mal nicht das fiktive Örtchen Manawaka in der kanadischen Provinz Manitoba, das dem Zyklus seinen Namen gegeben hat und das Stacey, die Schwester von Rachel aus Eine Laune Gottes schon früh verließ, um in einer Stadt an der Küste zu arbeiten und zu heiraten. Die zurückgebliebene Schwester Rachel grollt, weil sie sie mit der Sorge um die besitzergreifende, verwitwete Mutter alleingelassen hat. Stacey steht hier nun im Mittelpunkt des Erzählten.

Im Kopf von Stacey MacAindra

Wir schlüpfen ganz tief in ihren Kopf hinein, folgen ihrem Bewusstseinsstrom, ihren inneren Monologen, ihren Dialogen mit den vier Kindern (wobei das jüngste, die Zweijährige Jen zur Bestürzung ihrer Mutter noch kein Wort spricht und das Gespräch mit ihrer pubertierenden Tochter Katie auch nicht immer ganz einfach ist) und ihren Nicht-Dialogen mit dem schweigsamen Ehemann Mac. Dieser ist maximal abwesend, sowohl körperlich als Handelsvertreter für Vitaminpillen als auch geistig als typischer Haushaltvorstand der damaligen Zeit. (Margaret Laurence veröffentlichte Das Glutnest erstmals 1969).

„Wie bin ich so geworden? Ich komm nicht dahinter. Wir geben uns aber auch weiß Gott wenig Mühe mit dem Dahinterkommen. Was ist mit uns los, dass wir nicht reden können? Wie soll man irgendwas erfahren, wenn Leute den Mund nicht aufmachen?“

 

„(…)können Sie sich das vorstellen, wie es ist, wenn man mit jemandem im selbsen Haus wohnt, der nicht redet oder reden kann oder reden will und ich einfach nicht weiß, warum das so ist?“

Hinzu kommen kurze Radionachrichten, Werbephrasen, (Alb)Traumsequenzen und Fantasien. Stacey hadert mit dem einst so ersehnten Dasein als Ehefrau und Mutter an der Seite eines erfolgreichen, charmanten Mannes, wirft sich andererseits dieses Hadern ständig selbst vor, sehnt sich nach mehr Freiheit und gibt bei ihrem spießigen Ehemann doch stets klein bei. Zwischenzeitlich gelingt ihr so etwas wie ein Ausbruch und das Familienleben wird mehrere Male kräftig durchgeschüttelt.

Wieder gelingt Margaret Laurence ein beeindruckendes und überzeugendes Frauenporträt und gleichzeitig das authentisch Gesellschaftsporträt einer kanadischen Kleinstadt der Sechziger Jahre, ihrer Enge, ihrer Borniertheit, ihrer Spießigkeit. Dass sich am Ende abzeichnet, dass ihre Schwester Rachel zusammen mit der Mutter in Staceys Nähe ziehen will, lässt für ihre Zukunft nicht das allerbeste erwarten. Vielleicht erfahren wir mehr darüber, wenn hoffentlich noch die beiden anderen Manawaka-Bücher auf Deutsch erscheinen werden. Zu hoffen ist jedenfalls, dass das deutsche Lesepublikum endlich vermehrt die Qualität der Romane von Margaret Laurence entdeckt.

 

Beitragsbild via pexels

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Margaret Laurence - Das Glutnest.

Margaret Laurence -Das Glutnest
Aus dem Englischen von Monika Baark
Eisele Verlag Oktober 2023, Hardcover mit Schutzumschlag, 368 Seiten, 25,00 €

 

 

 

 

 

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