Djaïli Amadou Amal – Im Herzen des Sahel

2020 erhielt die aus Kamerun stammende Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Djaïli Amadou Amal für ihren Roman Die ungeduldigen Frauen den Prix Goncourt des lycéens. In ihm schilderte sie eindringlich die Lage junger Frauen in Kamerun zwischen Unterdrückung, Zwangsverheiratung und Sehnsucht nach einem freieren, moderneren Leben. Auch in Im Herzen des Sahel widmet sich Djaïli Amadou Amal diesem Themenkomplex.

Kondem und Faydé sind die zwei Frauen, die im Mittelpunkt der Geschichte stehen. Mutter und Tochter, zwei Generationen. Dabei ist Mutter Kondem selbst erst dreißig Jahre alt, das jüngste ihrer vier Kinder ist noch ein Baby. Ihr Mann ist seit längerer Zeit verschwunden. Dass er sie verlassen hat, glaubt sie nicht. Was ihm passiert ist, kann sie höchstens ahnen und fürchten. Denn ihr Dorf liegt im Norden Kameruns. Die Grenzen zum Tschad und zu Nigeria sind nah. Von dort drohen immer wieder Übergriffe der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram. Menschen werden entführt oder umgebracht, Dörfer verwüstet und niedergebrannt. Kondem und Faydé und ihr Dorf sind besonders gefährdet, da sie Christ:innen sind.

 

Kein Wunder, dass viele junge Leute von dort fort wollen. Die Zukunftsperspektiven auf dem Land sind trostlos, wenige der Mädchen erhalten mehr als ein paar Jahre Schulbildung und die Sicherheitslage ist durch Boko Haram sehr schwierig. Schon sehr junge Frauen, so wie Faydé, gehen in die Stadt, um dort als Dienstmädchen zu arbeiten. Faydés Freundinnen Srafata, Danna und Bintou bringen von ihren Anstellungen Geld und schöne Geschenke mit, erzählen von einem freieren Leben. Kondem, die selbst lange Jahre als Dienstmädchen einer muslimischen Großfamilie in der Stadt Mourara gearbeitet hat, verbietet ihrer Tochter das zunächst, kann ihr aber weder einen Schulbesuch noch sonstige Perspektiven bieten, jetzt wo der Vater fehlt, und muss sie ziehen lassen.

Die fünfzehnjährige Faydé ist glücklich, als Dienstmädchen in einer concession, einer der typischen großen Hofanlagen bei einer vermögenden muslimischen Familie unterzukommen. Nun kann sie ihre Familie  finanziell unterstützen. Sie erlebt aber auch die täglichen Erniedrigungen durch die verschiedenen Ehefrauen des Hausherren, die sie als „schmutzige kaado“ verachten, und sieht sich als Christin von den Männern der islamischen Gesellschaft als Freiwild betrachtet. Ein wenig freundet sie sich mit den Töchtern der Familie an, merkt aber bald, dass das keineswegs gleichberechtigte, verlässliche Freundschaften sind. Als sie sich in einen reichen Muslim verliebt, bricht ihr mühsam aufgebautes Kartenhaus zusammen. Aber sie gibt nicht auf, macht eine Ausbildung zur Krankenpflegerin und begegnet viele Jahre später ihrem geliebten Boukar erneut.

Mit den Themen islamistische Gewalt durch Boko Haram, Klimawandel und soziale Ungleichheit spricht Djaïli Amadou Amal wichtige Themen an und bietet einen sachkundigen, empathischen Einblick in eine doch recht unbekannte Welt. Die Autorin setzt sich als muslimische Angehörige der Oberschicht Kameruns für die emanzipatorischen Bemühungen afrikanischer Frauen ein und gründete 2012 die Vereinigung „Femmes du Sahel“, die sich für Mädchenbildung und gegen Gewalt gegen Frauen einsetzt. Ein wenig „belehrend“ ist ihr Roman, der auch für junge Frauen und Mädchen sehr geeignet ist, schon. Ein Happy End deutet sich zumindest an. Auch sprachlich ist er eher schlicht. Dafür bietet er einen eindrucksvollen Einblick in das schwierige Leben vieler Frauen im ländlichen Kamerun, ist engagiert und relevant. Und deshalb unbedingt lesenswert.

 

Beitragsbild: Carsten ten Brink (CC BY-NC-ND 2.0) via flickr

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Amadou Amal - Im Herzen des Sahel.

Djaïli Amadou Amal – Im Herzen des Sahel
Aus dem Französischen von Ela zum Winkel
Orlanda September 2023, 256 Seiten, Klappenbroschur,€ 22,00

 

 

 

 

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