Alem Grabovac – Die Gemeinheit der Diebe

Mit Die Gemeinheit der Diebe erzählt der Berliner Autor Alem Grabovac die Geschichte seines Debütromans Das achte Kind erneut, verlagert den Fokus ein wenig und schreitet zeitlich weiter voran, bis an die Entstehungszeit eben dieses Vorläuferromans. Es ist seine eigene Geschichte und die seiner Familie, die uns hier nur leicht fiktionalisiert begegnet. Und wieder vermag der Autor mit seiner sachlich-nüchternen Erzählweise tief zu berühren.

Lag der Schwerpunkt der Geschichte in Das achte Kind auf der sehr besonderen Kindheit des Erzählers, der als Sohn eines bosnischen Kleinkriminellen und einer schwer arbeitenden „Gastarbeiterin“ aus Kroatien in Würzburg geboren wurde und der mangels Betreuungsmöglichkeiten für seine alsbald alleinstehende, auf ihre Lohnarbeit angewiesene Mutter in einer deutschen Pflegefamilie als achtes Kind (daher der Name des Debütromans) aufwuchs, so verschiebt sich das im neuen Roman in Richtung Smilja, der Mutter.

Smilja

Ihre Abstammung aus ärmsten Verhältnissen, ihr Streben nach einem besseren Leben, das sie sich vom Anwerbeverfahren der Bundesrepublik für ausländische Arbeitskräfte erhoffte, und ihr Hang zu den stets falschen Männern stehen diesmal im Mittelpunkt. Die falschen Männer, das waren vor allem der Bosnier Emir, Alems Vater, den Smilja in einem Tanzlokal in Deutschland kennenlernte und der sein Geld durch Taschendiebstähle verdiente. Das wurde Smilja erst später klar und sie trennte sich von ihm. Das war aber auch Dušan, der zwar ein fleißiger Arbeiter, aber auch ein ebenso fleißiger Trinker war und dann regelmäßig gewalttätig wurde. Gegenüber Smilja, aber auch gegenüber von Alem, der seine Mutter weiterhin oft an den Wochenenden in Frankfurt besuchte, nachdem sie wegen besserer Arbeitsaussichten dorthin gezogen war.

Das schwierige Verhältnis von Alem und Dušan, bei dem Smilja selten die Partei ihres Sohnes ergriff, was diesen nachhaltig verletzte, stand auch im Mittelpunkt des Debütromans. In Die Gemeinheit der Diebe erfahren wir, dass sich Dušan durchaus verändern konnte, zum Guten. Trotz allem war er der Mutter eine Stütze. Nach seinem Tod bricht für Smilja eine Welt zusammen. Das Buch begleitet sie darüber hinaus. Sie wird etwas wunderlich, hört ihren verstorbenen Partner im Kleiderschrank klopfen, kann kaum noch schlafen und sucht Hilfe bei einem zwielichtigen Wunderheiler. Der Sohn vermutet eine Depression. Seine Erfolge als Schriftsteller trösten die Mutter ein wenig.

Lakonisch und berührend

Wieder in einem nüchtern-lakonischen Stil erzählt, vermag Die Gemeinheit der Diebe trotzdem oder vielleicht gerade deswegen sehr zu berühren. Die Ambivalenz des Erzählers seiner leiblichen Mutter gegenüber, die er liebt und wegen ihrer Resilienz und ihrem Streben nach etwas Besserem im Leben bewundert, der er aber die Abwesenheit in seiner Kindheit – auch wenn er ihre Bedingungen versteht – und vor allem das Im-Stich-Lassen bei den Gewalttätigkeiten von Dušan vorwirft, wird trotz der Reduziertheit sehr deutlich und greifbar.

Das Leben einer Migrantin, die von der deutschen Gesellschaft nur als Gastarbeiterin gedacht wurde und die in Deutschland trotz aller Widrigkeiten dauerhaft blieb, für die aber das Haus in der alten Heimat und auch der Grabplatz dort stets ein Trost blieb, Zeichen dafür, dass von einem wirklichen Ankommen, von neuer Heimat keine Rede sein kann, ist so beispielhaft für viele Migran:innen dieser ersten Generation. Lange Zeit gab es dazu kaum Stimmen. Emine Sevgi Özdamar schrieb darüber 1998 in Die Brücke vom Goldenen Horn, im letzten Jahr gewann Dinçer Güçyeter mit Unser Deutschlandmärchen den Preis der Leipziger Buchmesse. Gut, dass es diese Stimmen und Geschichten nun gibt.

 

Beitragsbild: Bundesarchiv, B 145 Bild-F013093-0001 / Unterberg, Rolf / CC-BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

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Alem Grabovac – Die Gemeinheit der Diebe
hanserblau Februar 2024, 240 Seiten, Hardcover, 24,00 € 

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