Leipziger Buchmesse 2025 – Ein Rückblick – Preisverleihung und Gastland

Die Leipziger Buchmesse (LBM) 2025 ist nun auch schon wieder Geschichte und wegen meines sich daran fast nahtlos anschließenden Urlaubs folgt erst jetzt dazu ein Beitrag . Vier Tage drehte sich im März wieder alles um Bücher, Autoren, Leser:innen und Geschichten.

Seit Beginn meiner Blogger:innen-Zeit, also seit 2016 fahre ich alljährlich im März Richtung Osten. Das war nur in den beiden Corona-Jahren 2020 und 2021 nicht so. Bereits 2022 – die Leipziger Messe entschloss sich zu einer dritten Absage, aber ein Zusammenschluss unabhängiger Verlage veranstaltete eine Pop-Up-Messe im Werk 2 – nahm ich diese Tradition wieder auf. Das ist natürlich kurz im Vergleich zur Frankfurter Buchmesse, die ich seit den späten 1980er Jahren nahezu jedes Jahr besuche (zu Beginn als sehr junge Leser:in, die noch nichts von Blogs und Online-Literaturvermittlung ahnen konnte), aber die LBM ist aus meinem Leserinnen-Leben eigentlich auch nicht mehr wegzudenken.

Die Leipziger Buchmesse gilt weithin als Leser:innen-Messe, während Frankfurt als internationale Fachmesse bekannt ist. Obwohl letzteres auch etwas aufgeweicht wurde (Lesepublikum hat nun am Freitag ab 14 Uhr Einlass), ist sie schon eine Messe hauptsächlich für Fachpublikum. Was man als Mensch mit Zugang, beispielsweise als Blogger:in, sehr genießen kann. Zumindest Mittwoch und Donnertag sind herrlich entspannt, während es in Leipzig sofort voll wird.

2025 war für die Leipziger Buchmesse unter dem Motto „Worte bewegen Welten“ ein Rekordjahr: 296.00 Besucher:innen, so viele wie noch nie. Und das merkte man. Die Schlangen, die sich schon Stunden vor Öffnung bildeten (und die man als Pressebesucher:in elegant umschiffen konnte), waren beeindruckend (und abschreckend). Aber wie wunderbar andererseits, dass sich das Publikum derart für Bücher interessiert. Viele der Besucher:innen kommen auch für die integrierte Manga-Comic-Con, eine ganze Halle widmet sich dieser Kunst.

Ansonsten gab es 2.040 Aussteller aus 45 Ländern. Gastland war das wunderbare Norwegen unter dem Motto „Traum im Frühling“. Davon später mehr. Neben der Messe selbst lockten hochkarätige Veranstaltungen in der ganzen Stadt beim Lesefest Leipzig liest – 2025 bei über 2.800 Veranstaltungen an 330 Orten, viele davon auch so gut besucht, dass man nicht immer auch einen Platz bekommt. Eine wirkliche Feier der Literatur und des Buchs. Der Wunsch, sich zu zerteilen, um all die Veranstaltungen besuchen zu können, die interessieren, ist nie so groß wie hier. Begegnungen, Gespräche, Debatten und Entdeckungen an allen Ecken. Die nach der Corona-Zeit aufgekommenen Überlegungen ob dieses (für die Verlage teuren) Formates einer Vor-Ort-Messe überhaupt noch nötig ist oder wegrationalisiert werden kann, wurde mal wieder eindeutig widerlegt.

Auch für die gesellschaftliche Debattenkultur und letztendlich die Demokratie sind Buchmessen unverzichtbar. Ob die Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels im Herbst in Frankfurt oder hier in Leipziger der Buchpreis zur europäischen Verständigung – immer werden auch gesellschaftspolitische Akzente gesetzt. In diesem Jahr wurde in Leipzig der belarussische, im Exil lebenden Schriftsteller Alhierd Bacharevič für sein Buch „Europas Hunde“ ausgezeichnet. Die Laudatio hielt die Schweizer Literaturkritikerin und Autorin Sieglinde Geisel im Rahmen der offiziellen Eröffnung der Buchmesse im Gewandhaus.

Blogger:innen werden auf den Messen immer mehr anerkannt. Die Zeit, als man einigermaßen schief angeschaut wurde als Person, die nur Eintrittskarten und Bücher schnorren will, sind zum Glück vorbei. Im Leipzig wurde der neue BloggerRoom BL:OOM mit einem eigenen  Literaturprogramm zu einem weiteren Treffpunkt und damit eine Möglichkeit zum Netzwerken geschaffen. Verlage bieten immer häufiger eigene Blogger:innenveranstaltungen mit Lesungen und Programmvorstellungen an. Überall spürt man eine große Wertschätzung, auch durch viele Autor:innen. Das ist sehr schön und ermutigend.

 

Preis der Leipziger Buchmesse 2025

 

Preis der Leipziger Buchmesse 2025 - Die Preisträger
Preis der Leipziger Buchmesse 2025: Die Preisträger:innen (v.l.n.r.): Irina Rastorgueva, Thomas Weiler, Kristine Bilkau
Quelle: Leipziger Messe GmbH / Tom Schulze

Wer mich ein wenig kennt, weiß, dass ich sehr intensiv das Buchpreis-Geschehen verfolge. Selbst war ich für viele Jahre Teil der Bloggerjury für den Preis „Das Debüt“. Den im Herbst verliehenen Deutschen Buchpreis und den Preis der Leipziger Buchmesse verfolge ich jedes Jahr aufmerksam. Bei den Preisverleihungen in Leipzig dabeisein zu können, ist ein eindeutiger Pluspunkt für die LBM. Sogar 2022, als die eigentliche Messe abgesagt wurde, konnte ich in der Glashalle – die nur mit den Gästen der Verleihung völlig ungewohnt und ein wenig gespenstisch leer war – teilnehmen. Natürlich war ich auch dieses Jahr vor Ort.

Preisträger:innen waren Irina Rastorgueva in der Kategorie Sachbuch für „Pop-up-Propaganda. Epikrise der russischen Selbstvergiftung“ (Matthes & Seitz Berlin), einer Analyse zu russischen Propaganda-Narrativen, Thomas Weiler in der Kategorie Übersetzung für die Übertragung von „Feuerdörfer. Wehrmachtsverbrechen in Belarus – Zeitzeugen berichten“ der Autor:innen Ales Adamowitsch, Janka Bryl, Uladsimir Kalesnik (Aufbau) aus dem Belarussischen, und in der Kategorie Belletristik Kristine Bilkau, für ihren wunderbaren Roman „Halbinsel“ (Luchterhand), einem Mutter-Tochter-Roman, der laut Jury-Laudation „beunruhigt mit seinen leisen und lauten Fragen an unsere Gesellschaft“.

Aber achduje, damit hat ja schon wieder eine Frau in der Königsdisziplin Belletristik gewonnen. Ähnlich wie bei der Gewinnerin des Deutschen Buchpreis im Oktober 2024, Martina Hefter, erhoben sofort wieder Feuilleton-Männer ihre Stimme. Nicht nur „überraschend“ fanden es die Kritiker der Zeit, sondern eine „wirklich große und seltsame Überraschung“. Denn – nochmal Überraschung! – es waren doch auch zwei Männer nominiert (Christian Kracht und Wolf Haas) – und deren Bücher wären nun wirklich „unterhaltsam“ und gleichzeitig „experimentierfreudig“ und ein „pures Lesevergnügen“. Die anderen beiden nominierten Autorinnen (Esther Dischereit und Cemile Sahin) wurden gar nicht weiter erwähnt.

Was nun ein „pures Lesevergnügen“ ist, ist sicher diskussionsfähig. Und wird sicher nicht von irgendwelchen Feuilleton-Männern bestimmt. Auch wenn es die Literaturkritik nicht gerne hört: Auch Literaturgeschmack ist subjektiv. Und nicht nur ich bin es leid, dass nun bei jedem weiblichen Preisgewinn das Geschrei losgeht, ein auch nominierter Mann wäre besser gewesen. Das große Ego von Nicht-Gewinner Clemens Meyer im Oktober, dem vom Feuilleton viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde als der Siegerin Martina Hefter (der angeblichen „Konsensentscheidung“) ist mir noch in lebhafter, unangenehmer Erinnerung. Aber Jungs: vielleicht geht es ja gar nicht ums Geschlecht. Vielleicht wollen große Teile des Lesepublikums (und der Kritiker:innen) einfach nicht mehr (oder zumindest nicht bevorzugt) die von euch so bejubelten Kerls-Romane lesen. Diese möglichst zumindest ein wenig unzugänglichen, gerne um sich selbst oder andere Kerle kreisenden Texte, „Lebenswerke“, „Geniestreiche“ von zumindest ein wenig schwierigen, kapriziösen, eher weniger sympathischen Typen. (Wovon ich Wolf Haas unbedingt ausnehme. Der ist so sympathisch wie seine Romane großartig)

Ich jedenfalls habe mich sehr sowohl über den Preis an Martina Hefter als auch über den an Kristine Bilkau gefreut und war keineswegs überrascht. Was für ein Blödsinn auch, als hätte Kristine Bilkau nicht bereits 2022 mit „Nebenan“ auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises gestanden. Als hätte sie nicht bereits mit diesem Roman, mit „Die Glücklichen„, „Eine Liebe in Gedanken“ und auch mit „Wasserzeiten“ nicht schon großartige, begeisternde Romane geschrieben. Übrigens hat die Literaturkritikerin Miriam Zeh (Deutschlandradio) bereits vor der Preisverleihung auf Kristine Bilkau als Favoritin getippt. Keine Überraschung also. Höchstens für ein paar im Ego gekränkte Feuilleton-Männer.

 

„Traum im Frühling“ – der Gastlandauftritt Norwegens

 

 

Fast 50 Autor:innen und rund 75 Veranstaltungen bot das Gastland Norwegen in Leipzig an. Der Gastlandauftritt wurde wieder so perfekt und sympathisch wie bereits in Frankfurt 2019 organisiert von NORLA (Norwegian Literature Abroad). Damals habe ich mich intensiv mit der mir zuvor nur oberflächlich bekannten norwegischen Literatur beschäftigt und einige Beiträge dazu geschrieben, die ihr noch nachlesen könnt. Einige Autor:innen sind mir dabei besonders ans Herz gewachsen. Zwei davon konnte ich in Leipzig live erleben: Vigdis Hjorth und Hanne Ørstavik. Besonders letztere hat nicht nur wunderbare Bücher geschrieben (Roman Milano oder Ti amo beispielsweise), sondern ist auch ein so herzlicher, zugewandter Mensch. Ich lege sie euch als Autorin wirklich sehr ans Herz.

Ich begann die Messe am Mittwochabend mit der Langen Nach der norwegischen Literatur im Haus des Buches in Leipzig. Moderiert von Thomas Böhm und Katharina Teutsch stellten Tomas Espedal, Vigdis Hjorth, Kjersti Anfinnsen, Trude Teige, Erik Fosnes Hansen und Matias Feldbakken ihre neuesten Romane vor. Kjersti Anfinnsen, die auch als DJ Saunasatan bekannt ist, legte Musik auf. Ein wunderbarer Einstieg in die Messe, der auch restlos ausverkauft war. Von den vielen andern Auftritten norwegischer Autor:innen, ein Schwerpunkt war die Schaubühne Lichtenfels, habe ich leider nicht mehr viel mitbekommen. Leider kann man sich ja doch nicht aufteilen.

Um noch einen kleinen Überblick über meine Tage auf der Leipziger Buchmesse 2025 zu bekommen, stelle ich euch hier ein kurzes Video ein, das ich für Instagram aufgenommen habe. Viel Spaß damit!

 

 

 

 

2 Gedanken zu „Leipziger Buchmesse 2025 – Ein Rückblick – Preisverleihung und Gastland

  1. Vielen Dank für den schönen und informativen Beitrag! Und ein paar gute Lesetipps gab es auch noch dazu. 🙂
    Ich kann nur zustimmen: Der Preis an „Halbinsel“ ist verdient. Man kann wirklich nur den Kopf schütteln über das Verhalten mancher (weißer alter …?) Männer, die anscheinend immer noch glauben, allein ihre Meinung sei ausschlaggebend und richtig. Immerhin: Auch Denis Scheck hat vorab auf Kristine Bilkau getippt.

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