Die Büchnerpreisträgerin Terézia Mora war im Sommer mit ihrem aktuellen Roman Muna oder Die Hälfte des Lebens zu Gast beim diesjährigen Literaricum Lech, das sich dem Klassiker Lolita von Vladimir Nabokov widmete. Nach Parallelen zwischen beiden Romanen zu suchen, liegt deshalb auf der Hand. Auch darüber konnte ich mit Terézia Mora vor Ort sprechen. Weiterlesen „Terézia Mora – Muna oder Die Hälfte des Lebens“
Kategorie: Rezensionen
Verena Boos – Die Taucherin
Bereits in ihrem Debütroman Blutorangen (2015) waren Spanien, Valencia und die dunklen Jahre der franquistischen Diktatur ihre Themen. Nach einem Ausflug in den Schwarzwald mit dem Roman Kirchberg, kehrt Verena Boos in ihrem neuen Buch Die Taucherin wieder zu diesen zurück. Die geborene Rottweilerin lässt aber auch hier ihre Baden-Württembergische Heimat nicht ganz außen vor. So stammt die Hauptprotagonistin Amalia, durch deren Sicht wir die Geschichte erleben, von dort und befindet sich zu Beginn beim Klettern im Schwarzwald. Weiterlesen „Verena Boos – Die Taucherin“
Lektüre August 2024
Der August hat sich alle Mühe gegeben, das Fehlen eines richtigen Sommers in seinen beiden Vormonaten auszugleichen. Schöne Tage zuhauf und Temperaturen wie sie zu dieser Jahreszeit sein sollten. Ich weiß, da gibt es Uneinigkeit, für viele von euch war es vielleicht schon wieder zu heiß und zu trocken (für meinen Garten unbedingt), aber mich hat dieser Monat ein wenig mit dem Sommer 2024 versöhnt. Thema war dann auch: draußen lesen. Und die Lektüre im August war tatsächlich auch so gut wie schon länger nicht mehr in 2024. Monatshighlight war gewiss der wirklich sehr beklemmende, düstere Roman des Iren Paul Lynch, mit dem er 2023 dem Booker Prize gewann, Das Lied des Propheten. Selten hat mich ein Buch so durchgerüttelt. Trotzdem: große Klasse! Aber auch sonst waren noch sehr viele sehr gute Romane dabei. Seht selbst: Weiterlesen „Lektüre August 2024“
Jessica Lind – Kleine Monster
Das Thema Mutterschaft stand schon im Debütroman im Mittelpunkt – eine einsame Waldhütte war damals Schauplatz, um die Träume und Ängste, Überforderungen und die Selbstentfremdung einer Mutter in ein leicht surreales, märchenhaftes Setting zu verlegen und viele unterschiedliche Herangehensweisen und Interpretationen des Textes zuzulassen. Nach Mama hat Jessica Lind nun erneut eine Mutter (und am Rande, wie im Debüt, auch einen Vater) zur Hauptfigur ihres neuen Romans Kleine Monster gemacht. Weiterlesen „Jessica Lind – Kleine Monster“
Paul Lynch – Das Lied des Propheten
Noch selten habe ich ein Buch so körperlich gelesen wie Das Lied des Propheten von Paul Lynch. Beklemmend, intensiv, atemberaubend – Adjektive, die nicht nur so dahingesagt bzw. –geschrieben sind, sondern die während des Lesens absolut zutrafen und so manches Mal zum (kurzen) Unterbrechen der Lektüre zwangen. 2023 mit dem Booker Prize ausgezeichnet, heimst der Roman auch hierzulande höchstes Lob ein, etwa bei Markus Gasser in der Neuen Züricher Zeitung, der schreibt:
„So zieht uns «Das Lied des Propheten» existenziell in Mitleidenschaft wie kaum ein Werk dieser Zeit: Es hat nur einmal in einem Jahrhundert einen Franz Kafka gegeben; und in diesem gibt es nur einen Paul Lynch.“ Weiterlesen „Paul Lynch – Das Lied des Propheten“
Zora del Buono – Seinetwegen
Seinetwegen von der Architektin, Kulturredakteurin und Autorin Zora del Buono ist das Buch einer Recherche, einer Spurensuche nach dem im August 1963 bei einem Autounfall ums Leben gekommenen Vater Manfredi del Buono. Der aus Süditalien stammende Manfredi (del Buono hat in ihrem letzten Buch Die Marschallin über dessen slowenische Mutter geschrieben), ein 33jähriger Röntgen-Oberarzt am Kantonsspital Zürich war mit seinem Schwager in dessen VW-Käfer unterwegs, als in einer unübersichtlichen Rechtskurve ein überholender Chevrolet frontal in sie hineinkrachte. Schwager und Unfallverursacher überlebten leichtverletzt, Zora del Buonos Vater erlitt einen Genickbruch und starb. Weiterlesen „Zora del Buono – Seinetwegen“
Javier Zamora – Solito
Es ist eine erschütternde Geschichte, die leider so oder ähnlich tagtäglich irgendwo auf der Welt passiert – das UNHCR spricht aktuell von fast 120 Millionen Vertriebenen weltweit, 47 Millionen davon sind Kinder, viele davon sogenannte unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Aber ist es auch „Eine wahre Geschichte“, wie der Verlag auf dem Buchcover verkündet, die der 1990 in El Salvador geborene und nun in den USA lebende Lyriker Javier Zamora in seinem ersten Prosawerk Solito erzählt? In der Kritik wurde das schon bemängelt, denn wir „wahr“ kann eine Geschichte sein, die auf über 20 Jahre zurückliegenden Erlebnissen eines Kindes beruhen? Bitteren, bestürzenden, traumatisierenden Erlebnissen, die Zamora erst nach einer Psychotherapie zu Papier bringen konnte. Ich denke, dieser Einwand ist ein wenig müßig. Im Original wird Solito ein „memoir“ genannt. Eine zwischen Autobiografie und Autofiktion changierende Gattungsbezeichnung. Und jeder weiß ja, wie Erinnerungen beim Erzählen und Rekapitulieren immer wieder umgeformt werden. Und deshalb nicht weniger wahr werden. Weiterlesen „Javier Zamora – Solito“
Saša Stanišić – Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne
Wenn man nicht wüsste, was für ein verschmitzter, kluger Autor Saša Stanišić ist, könnte man sich fast ein wenig ärgern, über den unangenehm langen, prätentiösen Titel – Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne. Marketingtechnisch war er wohl ein Erfolg, wurde doch schon bald kundgetan „längster Buchtitel der Literaturgeschichte“ und wurden doch gleich etliche Challenges in den sozialen Medien gestartet, „Wer kann den Titel auswendig ohne Fehler aufsagen?“ Aber da Saša Stanišić eben ein verschmitzter, kluger und verspielter Autor ist, könnte es gut sein, dass er auch darüber grinst und sich freut. Sein Buch aber hat diesen aufsehenerregenden Titel nicht nötig – es ist bereits inhaltlich und sprachlich grandios. Weiterlesen „Saša Stanišić – Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne“
Sara Klatt – Das Land, das ich dir zeigen will
Sara Klatt, die Autorin von Das Land, das ich dir zeigen will, ist 1990 in Hamburg geboren und dort aufgewachsen. Ihr Großvater wanderte nach dem Krieg von Berlin nach Israel aus, wurde dort aber nicht heimisch. Schon früh erzählte er seiner Enkelin von dort. Sie stellt ein Motto aus der Bibel ihrem Roman voran, der unverhohlen Autobiografisches erzählt.
„Und der Herr sprach zu Abraham:
Gehe aus deinem Vaterland und von deiner
Freundschaft und aus deines Vaters Hause
in ein Land, das ich dir zeigen will.“
Weiterlesen „Sara Klatt – Das Land, das ich dir zeigen will“
Jhumpa Lahiri – Das Wiedersehen
Jhumpa Lahiri wurde 1967 als Tochter bengalischer Eltern in London geboren und wuchs in Rhode Island auf. Bereits ihr literarisches Debüt, die Kurzgeschichtensammlung Melancholie der Ankunft, wurde ein großer Erfolg und wurde 2000 mit dem Pulitzer Prize ausgezeichnet. Lahiri lebte mit ihrer Familie einige Zeit in Rom und bezeichnet das Italienische als ihre Wahlsprache, in der sie bereits den letzten Roman Wo ich mich finde verfasst hat. Nun hat Jhumpa Lahiri auch die Römischen Geschichten in Das Wiedersehen auf Italienisch geschrieben, die von Julika Brandestini ins Deutsche übersetzt wurden. Weiterlesen „Jhumpa Lahiri – Das Wiedersehen“