Fernando Aramburu – Der Junge

Der alte Nicasio macht sich jeden Donnerstag auf den mühsamen Weg zum Friedhof von Ortuella, einer Kleinstadt unweit von Bilbao im Baskenland. Den Berg hinauf und zu den Grabnischen, in denen die Überreste der 50 Kinder ruhen, die am 23. Oktober 1980 bei einer Propangasexplosion in ihrer Schule ihr Leben verloren. 50 fünf- und sechsjährige Kinder, 50 Familien im Leid in der kleinen Stadt. Eine Tragödie, die ins kollektive Gedächtnis einging und die der baskische, in Deutschland lebende Autor Fernando Aramburu als Ausgangspunkt für seinen Roman Der Junge wählt.

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Arno Frank – Ginsterburg

Ginsterburg – eine ganz durchschnittliche (fiktive) Kleinstadt in Deutschland, mit einer romantischen Altstadt, einem Provinzschlösschen am Wasser, einer englischen Parkanlage und den typischen mittelständischen Fabriken. Eine deutsche Stadt, wie sie landauf, landab existierten und von denen viele während des Bombenkriegs in den Jahren 1940 bis 1945 zerstört wurden. Ginsterburg in den Jahren 1935, 1940 und 1945 und seine Bewohner:innen stehen im neuen, gleichnamigen Roman von Arno Frank im Mittelpunkt. Den Alltag im Nationalsozialismus, die Veränderung einer Gesellschaft unter einer menschenverachtenden Diktatur, die Schritte, die zum vollständigen, auch moralischen Zusammenbruch einer Nation der „Dichter und Denker“ führte, beleuchtet der Wiesbadener Autor in seinem genau recherchierten Roman. In der Villa Clementine erzählte er im Februar über den Entstehungsprozess. Weiterlesen „Arno Frank – Ginsterburg“

Anna Langfus – Gepäck aus Sand

Wie sehr es mich freut, wenn Romane von Autorinnen neu oder wiederentdeckt werden, die zu ihrer Entstehungszeit nicht ausreichend gewürdigt, verkannt oder erst gar nicht veröffentlicht wurden, habe ich schon oft geschrieben. Gerade in den letzten Jahren hat sich da sehr viel getan und so manche Perle wurde da entdeckt. Mit dem Roman Gepäck aus Sand der polnisch-französische Schriftstellerin Anna Langfus, der nun in neuer Übersetzung von Patricia Klobusiczky und edler Ausstattung in der Anderen Bibliothek erschienen ist, kann das deutschsprachige Lesepublikum nun erneut eine solche Perle entdecken. 1962 wurde der Roman in Frankreich mit dem Prix Goncourt geehrt. In Deutschland fand die Übersetzung wenig Beachtung. Es war wohl zu früh, man wollte nicht lesen, was Langfus zu erzählen hatte. Weiterlesen „Anna Langfus – Gepäck aus Sand“

Lektüre Februar 2025

 

Der zweite Monat im Jahr 2025 ist nun auch schon wieder Geschichte. Leider hat sich bei mir bezüglich meines Zeitmanagements auch noch nicht viel geändert. So gern ich wieder mehr Zeit für das Stöbern in anderen Blogs oder das sorgfältigere Bearbeiten meines Facebook-Accounts aufbringen würde – wie ich es zu Jahresanfang geplant hatte -, ich komme einfach nicht dazu. Das dringend nötige Redesign meines Blogs muss wohl auch noch eine Weile warten. Gelesen wird zumindest unvermindert weiter. Weswegen ich euch auch eine schöne Zusammenstellung meiner Lektüre im Februar 2025 präsentieren kann.

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Peter Kurzeck – Frankfurt Paris Frankfurt

Als Peter Kurzeck im November 2013 verstarb, war gerade mal der fünfte von geplanten zwölf Teilen seiner großen autobiografischen Romanreihe Das alte Jahrhundert im erschienen. Vorabend heißt der dicke Wälzer und Kurzeck stand damit 2011 auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis. Dieser über 1000seitige Roman erzählt in einer großen Rückblende vom mittelhessischen Staufenberg der 1950er und 60er Jahre, in dem die Familie Kurzeck nach ihrer Vertreibung aus dem Sudetenland wohnte. Ausgangspunkt für alle Bände sind stets die Jahre 1983 und 1984, kurz vor bzw. nach der Trennung von Freundin Sibylle, der Mutter seiner Tochter Carina. Von dort schweift die Erinnerung aber immer wieder auch nach Südfrankreich, wo Peter Kurzeck lange Zeit in Uzès lebte, und im jüngst erschienenen Band Frankfurt Paris Frankfurt in die französische Hauptstadt, wohin sie (u.a.) im Herbst 1977 reisten. Weiterlesen „Peter Kurzeck – Frankfurt Paris Frankfurt“

Samantha Harvey – Umlaufbahnen

400 Kilometer über der Erde schwebt die Raumstation auf ihrer Umlaufbahn, die den Planet jeden Erdentag lang sechzehn Mal mit einer Geschwindigkeit von 27.000km/h umkreist. In ihr leben, arbeiten, denken und beobachten zwei Astronautinnen, zwei Astronauten und zwei Kosmonauten. Ein einfaches Setting, das ideal für ein intensives Kammerspiel, so aber ziemlich neu für die literarische Welt ist. Denn es sind weder Science Fiction-Elemente, noch beklemmende Katastrophen- oder Endzeit-Szenarien, die die britische Autorin Samantha Harvey für ihren 2024 mit dem Booker Prize ausgezeichneten Roman Umlaufbahnen bemüht, sondern Alltagsszenen in der Raumstation und immer wieder ausgedehnte Beschreibungen von Erde und All, die im Mittelpunkt des Romans stehen. Weiterlesen „Samantha Harvey – Umlaufbahnen“

Jessica Knoll – Bright young women

Wir kennen das von etlichen True Crime-Geschichten und blutigen Thrillern: ein genialischer, fast charismatischer Killer tötet serienweise vorzugsweise junge, hübsche Frauen, die vor ihrem Tod entsetzlich leiden müssen. Und auch wenn es meistens am Ende zur Ergreifung des Täters kommt, wird dieser doch oft genug mystifiziert und fasziniert Leser- und Zuschauer:innen auf die eine oder andere Weise. Auf jeden Fall liegt oft genug der Fokus auf ihm als Täter. Man denke da beispielsweise an den Killer in „Das Schweigen der Lämmer“. Tatsächlich soll der Serienmörder, der in Bright young women, dem an einen realen Fall angelehnten Roman von Jessica Knoll wütet, Thomas Harris, der die Romanvorlage zum Film schrieb, als Inspiration für seinen Killer „Buffalo Bill“ gedient haben. Weiterlesen „Jessica Knoll – Bright young women“

J Courtney Sullivan – Die Frauen von Maine

Ein altes lila Haus auf einer Klippe mit atemberaubender Sicht auf die Küste vor Maine. Lake Grove. Schon als Teenager, als sie es vom Hummerboot, auf dem sie gejobbt hatte, entdeckte, zog es Jane Flanagan magisch an, zum Lesen, Schule schwänzen, Träumen. Manchmal zusammen mit ihrer besten Freundin Allison, später mit Freund und späterem Ehemann David. Nun lässt J. Courtney Sullivan ihre Protagonistin in Die Frauen von Maine nach einer persönlichen Katastrophe in ihr Elternhaus in der kleinen Küstenstadt Awadapquit (fiktiv, erinnert aber angeblich sehr an Ogunquit) zurückkehren, um mit ihrer Schwester das Haus ihrer kürzlich verstorbenen Mutter zu verkaufen. Und es zieht sie erneut zu dem ehemals verlassenen Haus. Weiterlesen „J Courtney Sullivan – Die Frauen von Maine“

Lektüre Januar 2025

Schon wieder ist ein Monat des neuen Jahres vergangen. Die Neuerscheinungen des Frühjahrs drängen auf die Lesestapel, letzte Must-Reads des vergangenen Jahres liegen noch bereit, etliche bisher nicht gelesene Bücher der vergangenen Jahre bitten um Aufmerksamkeit. Alles wie immer. Bevor ich mich aber meiner Lektüre im Januar dieses gerade gestateten Jahres 2025 widmen möchte, noch ein paar gute Vorsätze. Weiterlesen „Lektüre Januar 2025“

Monika Zeiner – Villa Sternbald oder Die Unschärfe der Jahre

Das Jahr 2024 habe ich mit einem Roman begonnen, der mich total begeistert hat und der dennoch bei den Nominierungen zu den „großen“ deutschen Buchpreisen völlig leer ausging. Absolut unverständlich, da Unsereins von Inger-Maria Mahlke wirklich von überragender Qualität war – klug, witzig, anspielungsreich, formal perfekt. Und auch 2025 habe ich mit einem Roman gestartet, der bisher noch nirgends nominiert war, obwohl er von ebenso großer Kunstfertigkeit ist – Monika Zeiner mit Villa Sternbald.

Auch sonst haben die beiden Romane etwas gemeinsam: sie erweisen dem Jubiläumsschriftsteller dieses Jahres, Thomas Mann, auf spielerische Weise ihre Referenz. Weiterlesen „Monika Zeiner – Villa Sternbald oder Die Unschärfe der Jahre“