Jörg Hartmann – Der Lärm des Lebens – Kurz vorgestellt

Nicht schon wieder ein Roman von einem Fußballer oder Schauspieler könnte man denken. Warum bleiben die nicht bei dem was sie wirklich können, könnte man denken. Aber abgesehen davon, dass Letztere meistens zumindest gut mit Sprache umgehen können, ist es wirklich erstaunlich, wieviele richtig tolle – meist autofiktionale – Bücher von Schauspielern erscheinen. Joachim Meyerhoff, Edgar Selge, Matthias Brandt und jetzt auch Jörg Hartmann, den man vom Dortmunder Tatort als grantigen Kommissar Faber kennt, mit seinem Roman Der Lärm des Lebens. Weiterlesen „Jörg Hartmann – Der Lärm des Lebens – Kurz vorgestellt“

Martin Mittelmeier – Heimweh im Paradies – Kurz vorgestellt

Einen ähnlichen Ansatz für eine erzählende Biografie wie Volker Weidermann mit Mann vom Meer und von diversen anderen Autoren wie beispielsweise Florian Illies oder Uwe Wittstock verfolgt auch der Literturwissenschaftler Martin Mittelmeier mit seinem Buch zum Thomas Mann-Jubiläumsjahr Heimweh im Paradies: anhand von locker zusammengefügten Episoden aus derem Leben, literarisch erzählt, umfassend recherchiert und in kleinen intimen Einblicken leicht fiktionalisiert wird ein thematisch und/oder zeitlich begrenztes Bild einer Person (oder einer Zeit) präsentiert.

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Volker Weidermann – Mann vom Meer

Am 6. Juni 2025 wird der 150. Geburtstag Thomas Manns gefeiert. Zusammen mit der 70. Wiederkehr seines Todestags im August wird das Jahr damit zum Thomas-Mann-Jahr – fleißig beworben und medienwirksam umgesetzt. Zumindest bei mir hat das verfangen und ich habe begonnen, mich mit dem Autor, der mich mit seinen Buddenbrooks vor vielen Jahren begeistert, danach aber mit seinem Zauberberg einigermaßen ratlos (und ehrlicherweise gelangweilt) zurückgelassen hat, erneut zu beschäftigen. Ich begann mit Deutsche Hörer!, den Reden, die Mann zwischen 1942 und 1945 an ein deutsches Publikum via BBC gerichtet hat. Und war überrascht und sehr angetan davon, wie politisch und leidenschaftlich-polemisch der von mir eher als steif und kühl empfundene Autor doch war. Auch das zweite Buch, das ich mir in diesem Kontext vorgenommen habe, Mann vom Meer Thomas Mann und die Liebe seines Lebens von Volker Weidermann zeichnete ein vom Üblichen abweichendes Bild und hat mich nicht nur gut unterhalten, sondern auch sehr interessante Einblicke geliefert. Weiterlesen „Volker Weidermann – Mann vom Meer“

Colum McCann – Twist

Ein Roman über einen Journalisten, der eine Reportage über die Reparatur von in der Tiefsee verlegten Glasfasern schreibt. Was am neuen Roman des irischen Autors Colum McCann vielleicht zunächst am interessantesten ist, ist, wie wenig sich der thematisch festlegen lässt und das auch mit seinem neuesten Werk Twist demonstriert. Weiterhin interessiert vielleicht, wie man als Autor auf ein derart ungewöhnliches Thema stößt. Aber das ist schnell erklärt. Die Corona-Pandemie spielt dabei eine Rolle und eine Zeitungsmeldung, die McCann zufällig entdeckte. Weiterlesen „Colum McCann – Twist“

József Debreczeni – Kaltes Krematorium, Bericht aus dem Land namens Auschwitz

Nun stehe ich also hier. Unter dem kunstvoll geschwungenen Band von „Arbeit macht frei“. Schaue entlang der Schienen auf das ikonisch gewordene Torhaus von Birkenau. Im Gepäck habe ich den Roman „Kaltes Krematorium, Bericht aus dem Land namens Auschwitz“ von József Debreczeni und geschätzt vierzig Jahre des Interesses, des Entsetzens, des ungläubigen Staunens darüber, zu welcher Grausamkeit der Mensch doch fähig ist. Ich kann mich noch sehr gut an den Tag in der Schule erinnern, als im Fach Geschichte eine Filmvorführung anstand. Filmvorführungen waren immer gut, waren Ausnahmen vom Frontalunterricht und außerdem bestanden immer gute Chancen, dass die Videorekorder-TV-Anbindung mal wieder nicht zu den Kernkompetenzen der Lehrkraft gehörte und die Stunde allein mit technischen Problemlösungen vorbeiging. Weiterlesen „József Debreczeni – Kaltes Krematorium, Bericht aus dem Land namens Auschwitz“

Liz Moore – Der Gott des Waldes – Kurz vorgestellt

In einem wilden Waldgebiet in den Adirondeck Mountains nördlich von New York besitzt die wohlhabende Familie Van Laar nicht nur eine prächtige Sommerresidenz, sondern betreibt in dem Naturpark seit Jahrzehnten auch ein Sommerlager für junge Menschen. In der Natur sollen die Kinder und Jugendlichen ihre Überlebensfähigkeiten trainieren, Gemeinschaft erleben und die langen Sommerferien überbrücken. Diese Lageraufenthalte gehören für Generationen von amerikanischen Kindern zum Sommer dazu – mal geliebt, mal gefürchtet und gehasst. Doch was Liz Moore in ihrem neuen spannenden Roman Der Gott des Waldes aus einem solchen Ferienaufenthalt macht, ist wahrlich nervenzerreibend, auch für die Lesenden.

1975 – Barbara, die 13-jährige Tochter der Van Laars, nimmt auf eigenen Wunsch und gegen den Willen der Eltern erstmals auch am Lagersommer teil. Barbara ist ein schwieriger Teenager, kleidet sich entgegen der Mode der 70er punkig, eckt an, verträgt sich besonders mit ihrer Mutter nicht. In der Campleiterin T.J. Hewitt, von den Kindern respektiert und angehimmelt, hat sie schon lange eine schwesterliche Freundin, kennen die beiden sich doch schon lange, da T.J.s Vater zuvor schon in Diensten der Van Laars. In letzter Zeit wurde er ein wenig wunderlich und hat die Leitung des Camps an seine Tochter übertragen. Auch Barbaras Bettnachbarin Tracy wird sehr bald zu einer guten Freundin. Doch eines Morgens ist Barbaras Bett leer und das Mädchen spurlos verschwunden. Eine fieberhafte Suche beginnt.

Wechselnde Perspektiven und Zeitebenen

Die Betreuerin Louise und ihre Assistentin Annabel verlassen hin und wieder nachts ihre Betten, um sich auch ein wenig Vergnügen zu gönnen. In dieser Nacht waren beide unterwegs und sagen nicht die ganze Wahrheit. Aber auch Tracy und T.J. scheinen etwas zu verschweigen. Und die ganze Familie Van Laar benimmt sich merkwürdig. Vor vierzehn Jahren verschwand bereits der fünfjährige Sohn Bear aus dem Sommercamp und tauchte nie wieder auf. Auch damals gab es viele Fragen und Unstimmigkeiten. Ein Dorfbewohner starb an einem Herzanfall. Danach wurde er verdächtigt. Und was hat der unlängst aus der Haft geflohene „Schlitzer“, der sich Gerüchten nach in der Nähe aufhält, mit der Sache zu tun? Mit der jungen Ermittlerin Judyta, schaltet sich auch die Polizei ein.

In ständig wechselnden Perspektiven und auf verschiedenen Zeitebenen von 1950 bis 1975 beobachten wir das Geschehen, alle Protagonist:innen haben ein etwas anderes Wissen, das erst langsam enthüllt wird. Mit vielen gelungenen Cliffhangern hält Liz Moore die Leser:innen von Der Gott des Waldes über die nicht unbedeutende Lesestrecke bei der Stange. Es geht ihr dabei nicht nur um die Vermisstenfälle, sondern auch um ungute Familiendynamiken, Lieblosigkeit, Misogynie, soziale Ungleichheiten und Coming of age. Das ist sehr gut konstruiert und geschrieben. Und auch wenn das Ende mich nicht völlig überrascht hat und gern noch etwas offener hätte sein dürfen, schließt es die fast 600 Seiten zufriedenstellend ab. Ein Krimi, der weit mehr als nur das ist, oder aber genau das ist, was einen guten Krimi ausmacht: ein scharfes, genaues Gesellschaftsbild.

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Liz Moore - Der Gott des Waldesx

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Liz Moore – Der Gott des Waldes
Aus dem Englischen von Cornelius Hartz.
C.H.Beck Februar 2025, 590 Seiten, Hardcover, € 26,00

Vigdis Hjorth – Wiederholung

Vigdis Hjorth zählt in Norwegen seit Langem zu den wichtigsten und erfolgreichsten Schriftsteller:innen des Landes. Ihre Romane wurden zwar schon zeitig ins Deutsche übersetzt, erschienen aber in einem kleinen Verlag und erlangten nicht so wirklich viel Aufmerksamkeit bei uns. Das hat sich seit dem Gastlandauftritt Norwegens auf der Frankfurter Buchmesse 2019 zum Glück geändert und mittlerweile kümmert sich der S. Fischer Verlag sehr erfolgreich um ihre Werke. Auch der neueste, recht schmale Roman von Vigdis Hjoth, Die Wiederholung, liegt hier nun vor.

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Penelope Lively – Nachtglimmen

Claudia Hampton war in ihren jungen Jahren Kriegsberichterstatterin in Ägypten, eine der ersten weiblichen, schrieb später populärwissenschaftliche Geschichtsbücher und ist nun Mitte Siebzig, leidet an Darmkrebs und liegt in einer englischen Klinik im Sterben. Eine „Geschichte der Welt“ mit ihr als Helden schwebt ihr durch den Kopf. Und wie so oft sind es Kindheitserinnerungen, mit denen Penelope Lively ihren 1987 mit dem renommierten Booker Prize ausgezeichneten Roman Nachtglimmern beginnt. Weiterlesen „Penelope Lively – Nachtglimmen“

Kristine Bilkau – Halbinsel

Kristine Bilkau ist mit ihrem Roman Halbinsel die diesjährige Gewinnerin des Preises der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik. Mit ihrer einfühlsamen, unaufgeregten Geschichte über eine Mutter-Tochter-Beziehung erzählt sie ganz dicht an der Zeit und doch universell. Ganz große Leseempfehlung! Weiterlesen „Kristine Bilkau – Halbinsel“

Katharina Hagena – Flusslinien

Er ist wieder da, dieser besondere Ton – ruhig, entschleunigend, heiter und dennoch melancholisch -, den Katharina Hagena bereits 2008 in ihrem sehr erfolgreichen Debütroman Der Geschmack von Apfelkernen anschlug und den sie auch in ihrem vierten, nun erschienenen Buch Flusslinien beibehält. Zwei Frauen, die eine alt, die andere sehr jung und ein junger Mann stehen darin im Mittelpunkt. Das eigentliche Zentrum aber ist die Elbe. Und in den zwölf Abschnitten, die zwölf Tagen entsprechen, werden sehr viele Geschichten erzählt. Weiterlesen „Katharina Hagena – Flusslinien“