Taffy Brodesser Akner – Die Fletchers von Long Island

Die US-Literaturkritik sparte nicht mit Lob: Es sei „Der große amerikanische, reformjüdische Familienroman“, Vergleiche mit Philip Roth und Jonathan Franzen wurden angestellt. Und tatsächlich ist Die Fletchers von Long Island, der zweite Roman der 1975 geborenen Journalistin Taffy Brodesser-Akner, ein hochvergnügliches Leseerlebnis – mit kleinen Abstrichen. Weiterlesen „Taffy Brodesser Akner – Die Fletchers von Long Island“

Jessica Knoll – Bright young women

Wir kennen das von etlichen True Crime-Geschichten und blutigen Thrillern: ein genialischer, fast charismatischer Killer tötet serienweise vorzugsweise junge, hübsche Frauen, die vor ihrem Tod entsetzlich leiden müssen. Und auch wenn es meistens am Ende zur Ergreifung des Täters kommt, wird dieser doch oft genug mystifiziert und fasziniert Leser- und Zuschauer:innen auf die eine oder andere Weise. Auf jeden Fall liegt oft genug der Fokus auf ihm als Täter. Man denke da beispielsweise an den Killer in „Das Schweigen der Lämmer“. Tatsächlich soll der Serienmörder, der in Bright young women, dem an einen realen Fall angelehnten Roman von Jessica Knoll wütet, Thomas Harris, der die Romanvorlage zum Film schrieb, als Inspiration für seinen Killer „Buffalo Bill“ gedient haben. Weiterlesen „Jessica Knoll – Bright young women“

J Courtney Sullivan – Die Frauen von Maine

Ein altes lila Haus auf einer Klippe mit atemberaubender Sicht auf die Küste vor Maine. Lake Grove. Schon als Teenager, als sie es vom Hummerboot, auf dem sie gejobbt hatte, entdeckte, zog es Jane Flanagan magisch an, zum Lesen, Schule schwänzen, Träumen. Manchmal zusammen mit ihrer besten Freundin Allison, später mit Freund und späterem Ehemann David. Nun lässt J. Courtney Sullivan ihre Protagonistin in Die Frauen von Maine nach einer persönlichen Katastrophe in ihr Elternhaus in der kleinen Küstenstadt Awadapquit (fiktiv, erinnert aber angeblich sehr an Ogunquit) zurückkehren, um mit ihrer Schwester das Haus ihrer kürzlich verstorbenen Mutter zu verkaufen. Und es zieht sie erneut zu dem ehemals verlassenen Haus. Weiterlesen „J Courtney Sullivan – Die Frauen von Maine“

Anne Tyler – Drei Tage im Juni

Wenn ich richtig gezählt habe ist Drei Tage im Juni bereits der 25. Roman von Anne Tyler. In Deutschland werden die Werke der 1941 geborenen US-Amerikanerin oft ein wenig geringgeschätzt und allzu eifrig in die Unterhaltungsschublade gesteckt. Im englischsprachigen Raum, wo die Grenze zwischen E- und U-Literatur nicht ganz so eifersüchtig bewacht wird, hat Anne Tyler 1989 für ihren Roman Atemübungen den Pulitzer Prize erhalten und war 2015 mit Der leuchtend blaue Faden für den Booker Prize nominiert. Für mich ist sie mit ihren lebensklugen, warmherzigen und heiteren Romanen eine Lieblingsautorin, und das seit Jahrzehnten. Weiterlesen „Anne Tyler – Drei Tage im Juni“

Rita Bullwinkel – Schlaglicht

Es gibt weniges, das mich weniger interessiert als der Boxsport. Überhaupt kann ich mich für Sportthemen oder Sportromane selten begeistern. Wenn es einem Roman also gelingt, mich über mehr als 200 Seiten zu fesseln, obwohl ich keinerlei Interesse an seinem Hauptsujet besitze, dann spricht das sehr für dessen Qualität. Mir ist das tatsächlich vor längerer Zeit schon einmal passiert. Da ging es um Motorsport, tatsächlich etwas das ich noch abseitiger finde als Boxen. Der Roman hieß „Boxenstopp“ und war von Christiane Neudecker. Sie ist die Übersetzerin des hier zu besprechenden Romans Schlaglicht von Rita Bullwinkel. Zufall? Weiterlesen „Rita Bullwinkel – Schlaglicht“

Paul Harding – Sein Garten Eden

Der US-amerikanische Schriftsteller Paul Harding (*1967) erhielt bereits für seinen Debütroman Tinkers 2010 den Pulitzer Prize in der Sparte Fiction, und auch mit seinem neuesten Werk, Sein Garten Eden, stand er auf der Shortlist des Booker Prize. Harding ist also ein durchaus erfolgreicher und anerkannter Autor in der angloamerikanischen Literaturwelt, der es meiner Wahrnehmung nach aber in Deutschland eher schwer hat. Seine Geschichte einer multiethnischen Gemeinschaft, die auf einer kleinen Insel vor der Küste Maines seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts zusammenlebt, bevor sie von den Behörden von dort vertrieben wird, ist von den wahren Begebenheiten auf Malaga Island inspiriert. Weiterlesen „Paul Harding – Sein Garten Eden“

James Baldwin – Die Romane und Essays

Zum ersten Mal begegnete ich James Baldwin im Radio. Auf SWR2 lief ein Feature über einen afro-amerikanischen Schriftsteller, der Anfang der 1950er Jahre in einem kleinen Dorf im Schweizer Kanton Wallis auftauchte und die dort lebenden Menschen in einiges Staunen versetzte. „Wie ein Schaf in der Wüste: Als Baldwin die Schweiz besuchte“nannten die Autoren Rolf Hermann und Michael Stauffer ihren Beitrag von 2011. Damals begann die Wiederentdeckung eines der wichtigsten US-amerikanischen Autoren, der in seinem Heimatland zwar ein Klassiker, aber doch ein wenig vergessen war. Nicht zuletzt die Wahl von Barack Obama, der James Baldwin als eine seiner Leitfiguren nannte, aber auch das Wiedererstarken der Bürgerrechtsbewegung in Zuge von „Black lives matter“ verschaffte seinem Werk erneut Aufmerksamkeit. Auch in Deutschland war die auf dem unvollendeten Manuskript „Remember This House“ beruhende filmische Collage von Raoul Peck (2017), in der er dem weißen Rassismus in der amerikanischen Gesellschaft nachspürt, ein großer Erfolg. „I´m not your negro wurde vielfach ausgezeichnet und Oscar nominiert. Seit 2018 erscheinen bei DTV hervorragende Neuübersetzungen der Werke von James Baldwin, die Romane und Essays, zuletzt „Giovannis Zimmer“.

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Javier Zamora – Solito

Es ist eine erschütternde Geschichte, die leider so oder ähnlich tagtäglich irgendwo auf der Welt passiert – das UNHCR spricht aktuell von fast 120 Millionen Vertriebenen weltweit, 47 Millionen davon sind Kinder, viele davon sogenannte unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Aber ist es auch „Eine wahre Geschichte“, wie der Verlag auf dem Buchcover verkündet, die der 1990 in El Salvador geborene und nun in den USA lebende Lyriker Javier Zamora in seinem ersten Prosawerk Solito erzählt? In der Kritik wurde das schon bemängelt, denn wir „wahr“ kann eine Geschichte sein, die auf über 20 Jahre zurückliegenden Erlebnissen eines Kindes beruhen? Bitteren, bestürzenden, traumatisierenden Erlebnissen, die Zamora erst nach einer Psychotherapie zu Papier bringen konnte. Ich denke, dieser Einwand ist ein wenig müßig. Im Original wird Solito ein „memoir“ genannt. Eine zwischen Autobiografie und Autofiktion changierende Gattungsbezeichnung. Und jeder weiß ja, wie Erinnerungen beim Erzählen und Rekapitulieren immer wieder umgeformt werden. Und deshalb nicht weniger wahr werden. Weiterlesen „Javier Zamora – Solito“

Jhumpa Lahiri – Das Wiedersehen

Jhumpa Lahiri wurde 1967 als Tochter bengalischer Eltern in London geboren und wuchs in Rhode Island auf. Bereits ihr literarisches Debüt, die Kurzgeschichtensammlung Melancholie der Ankunft, wurde ein großer Erfolg und wurde 2000 mit dem Pulitzer Prize ausgezeichnet. Lahiri lebte mit ihrer Familie einige Zeit in Rom und bezeichnet das Italienische als ihre Wahlsprache, in der sie bereits den letzten Roman Wo ich mich finde verfasst hat. Nun hat Jhumpa Lahiri auch die Römischen Geschichten in Das Wiedersehen auf Italienisch geschrieben, die von Julika Brandestini ins Deutsche übersetzt wurden. Weiterlesen „Jhumpa Lahiri – Das Wiedersehen“

Margaret Atwood, Douglas Preston (Hrsg.) – Vierzehn Tage

Die Kanadische Autorin Margaret Atwood und der US-amerikanische Thriller-Autor Douglas Preston haben ein ganz besonderes Buch über eine ganz besondere Zeit herausgegeben – Vierzehn Tage ist ein Gemeinschaftsroman von 36 Autor:innen aus den USA und Kanada über zwei Frühjahrswochen in New York im Jahr 2020. Sehr fern erscheint uns heute diese doch eigentlich noch so nahe liegende Zeit, hinweggefegt durch sich ständig überschlagende Ereignisse: Russlands Angriffskrieg, der 7. Oktober 2023, das Leid in Gaza, der Antisemitismus, der Rechtsruck. Gefühlt begann diese unruhige, beängstigende Zeit im Februar/März 2020 mit der Corona-Pandemie. Weiterlesen „Margaret Atwood, Douglas Preston (Hrsg.) – Vierzehn Tage“