Die Transgenerationale Weitergabe von Traumata, Erfahrungen, Verhaltensweisen ist ein weites und in der neueren Literatur eifrig beackertes Feld. Gerade die Erfahrungen von Frauen in und um den Zweiten Weltkrieg sind häufiges Thema. Dass man ihm immer noch neue Aspekte abgewinnen und herausragende Prosa daraus erschaffen kann, beweist die Theater- und Hörspielautorin Simone Kucher in ihrem Debütroman Die lichten Sommer. Weiterlesen „Simone Kucher – Die lichten Sommer“
Schlagwort: Autorinnen
Willa Cather – Lucy Gayheart
2024 ist ein Jahr der großen Jubiläen in der Literaturgeschichte. Franz Kafkas Todestag jährt sich zum 100. Mal, Vladimir Nabokov wäre im März 125, James Baldwin im August 100 Jahre alt geworden. Unlängst konnte man den 125. Geburtstag von Erich Kästner feiern, der genauso wie Immanuel Kant in diesem Jahr auch einen runden Todestag, den 50. hat (bei Kant handelt es sich um den 300. Geburts- und 220. Todestag). Dazu kommen noch große Jubiläen von Caspar David Friedrich (250. Geburtstag), Marco Polo (700. Todestag) und Anton Bruckner (200. Geburtstag). Bei so einer gesammelten Flut an anstehenden Feierlichkeiten ist im Dezember 2023 ein 150. Geburtstag mehr oder weniger untergegangen. Mit einer Neuausgabe des Spätwerks Lucy Gayheart hat der Manesse Verlag in seiner schönen, kleinformatigen Klassikerbibliothek der amerikanischen Schriftstellerin Willa Cather gedacht. Weiterlesen „Willa Cather – Lucy Gayheart“
Zadie Smith – Betrug
„So viele Bücher. Wozu braucht er die denn alle?“ Der Ausruf des Zimmermannburschen gleich in der ersten Szene des neuen Romans Betrug von Zadie Smith erheitert jeden Buchliebhaber, jede Buchliebhaberin – hat man einen solchen Spruch doch selbst in der einen oder anderen Variante schon x-mal gehört. Hier hat die stattliche Anzahl von Büchern der Bibliothek des Schriftstellers William Harrison Ainsworth den Boden ebendieser durchbrechen lassen und ein beträchtliches Loch in der Decke des darunterliegenden Salons hinterlassen. Der spöttisch-ironische Ton des ersten historischen Romans der englischen Erfolgsschriftstellerin ist damit vorgegeben. Weiterlesen „Zadie Smith – Betrug“
Valerie Bäuerlein – Die Unvollständige
Eine junge Frau – sie bleibt im gesamten Roman namenlos – streift durch Berlin, zu Fuß, im Bus, mit der S-Bahn. Grund für die Verunsicherung, die Ziellosigkeit ihrer Bewegung ist der Verlust einer Freundin, man erfährt es gleich im ersten Absatz. Tala, mit der die Absolventin der Filmakademie einen Film drehen wollte, Tochter eines griechischen Vaters und einer iranischen Mutter, faszinierende Zeitgenossin, rastlos Reisende. Valerie Bäuerlein lässt ihre Ich-Erzählerin in Die Unvollständige durch die Berliner Straßen wandern, nachdem sie vom schrecklichen Ende von Tala erfahren hat. Weiterlesen „Valerie Bäuerlein – Die Unvollständige“
Elisabeth Bronfen – Händler der Geheimnisse
Die Kultur- und Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen hat mit Händler der Geheimnisse ihren ersten Roman veröffentlicht. Darin geht es mit einigen autobiografischen Anklängen um die Theaterwissenschaftlerin Eva Bromfield, die nach dem überraschenden Tod ihres Vaters tief in die Familiengeschichte und besonders die Nachkriegszeit hineingezogen wird. Trotz einiger sprachlicher Schwächen liest sich das Buch bis zum Ende ungeheuer spannend. Weiterlesen „Elisabeth Bronfen – Händler der Geheimnisse“
Inger-Maria Mahlke – Unsereins
Das Jahr 1890, gediegene Bürgerhäuser, Tee- und Abendgesellschaften und „der kleinste Staat des Kaiserreichs“ – auch wenn Letzteres, die Autorin von Unsereins Inger-Maria Mahlke gibt es gerne zu, ein wenig gefuddelt ist. Jedem, der literarisch unterwegs ist, fällt da natürlich sofort Thomas Manns Nobelpreisroman Die Buddenbrooks ein. Und es kommt keine Buchbesprechung (natürlich auch diese nicht) ohne damit aus, das zu erwähnen. Der Roman bezieht sich auch expliziert auf den berühmten Gesellschaftsroman über das Lübecker Bürgertums am Ende des 19. Jahrhunderts, zitiert ihn, ironisiert ihn, spielt damit. Aber auch wenn die Autorin den Ton des frühen Thomas Mann wunderbar adaptiert, ist Unsereins ein moderner Roman und so viel mehr als nur eine Referenz auf die Geschichte der berühmten Kaufmannsfamilie. Weiterlesen „Inger-Maria Mahlke – Unsereins“
Alice Zeniter – Machtspiele
In ihrem Roman Die Kunst zu verlieren, der 2017 in die Endauswahl für den Prix Goncourt gelangte und den Prix Goncourt des lycéens gewann, schrieb Alice Zeniter autofiktiv über ihre Familie mit französischen und algerischen Wurzeln. Es ist ein sehr bewegendes Buch über das Schicksal der sogenannten Harkis, den Algeriern, die der Kolonialmacht Frankreich nahe standen und für sie auch in den Krieg zogen. Nach der Unabhängigkeit wurden sie verfolgt und mussten zum Teil nach Frankreich fliehen. Der neue Roman Machtspiele hat nun ein völlig anderes Thema und Alice Zeniter enthüllt die ebenfalls arabischen Wurzeln ihrer Protagonistin L. nur spät und en passant. Sie haben fast keine Bedeutung mehr. Weiterlesen „Alice Zeniter – Machtspiele“
Vigdis Hjorth – Die Wahrheiten meiner Mutter
Die Autorin Vigdis Hjorth zählt in ihrem Heimatland Norwegen zu den bekanntesten und mit fast 30 Veröffentlichungen auch zu den produktivsten literarischen Stimmen. In Deutschland gilt es die 1959 in Oslo geborene Schriftstellerin erst noch zu entdecken. Zwar sind einige ihrer Romane bereits ins Deutsche übersetzt in verschiedenen Verlagen erschienen, aber keiner davon wurde so richtig beachtet. Was vielleicht an den mit Verlaub ziemlich dämlichen deutschen Titeln gelegen haben könnte. Im Osburg Verlag fand sie dann ein Zuhause, das ihre Werke ernst nahm. Und nun sorgt hoffentlich der Wechsel in den renommierten S. Fischer Verlag dafür, dass sie auch einem breiteren Publikum bekannt wird. Hier erschien unlängst der neueste Roman von Vigdis Hjorth, Die Wahrheiten meiner Mutter. Er mor død (Ist Mutter tot?) heißt er im Original. Und um eine komplexe, schwierige Mutter-Tochter-Beziehung geht es. Weiterlesen „Vigdis Hjorth – Die Wahrheiten meiner Mutter“
Helga Flatland – Die Resonanzen
Als 2009 Alexander Rybak mit seiner Hardangerfiedel den ESC für Norwegen gewann, war dieses nordische Streichinstrument, das der Violine ähnelt, neben den vier Spielsaiten aber noch unter dem Griffbrett verlaufende Resonanzsaiten besitzt, hierzulande wenig bekannt. Für Norwegen ist es so etwas wie ein Nationalinstrument. Neben der Volksmusik, gibt es auch klassische Musik, die dafür komponiert wurde, so etwa auch Edward Grieg, dessen Peer Gynth-Suite ich im Sommer von der Geigerin Ragnhild Hemsing auf der Hardangerfiedel gespielt habe genießen können. Resonanzsaiten werden nicht direkt gespielt, sondern schwingen bei bestimmten Tonhöhen mit und variieren dadurch den Klang. „Etterklang“, der Nachhall, so ist der Roman von Helga Flatland im Original betitelt, Die Resonanzen trifft es in der deutschen Übersetzung von Ina Kronenberger und Elke Ranzinger aber auch ganz wunderbar. Resonanzen, die auch im menschlichen Miteinander entstehen, auch wenn sie nicht beabsichtigt waren. Weiterlesen „Helga Flatland – Die Resonanzen“
Djaïli Amadou Amal – Im Herzen des Sahel
2020 erhielt die aus Kamerun stammende Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Djaïli Amadou Amal für ihren Roman Die ungeduldigen Frauen den Prix Goncourt des lycéens. In ihm schilderte sie eindringlich die Lage junger Frauen in Kamerun zwischen Unterdrückung, Zwangsverheiratung und Sehnsucht nach einem freieren, moderneren Leben. Auch in Im Herzen des Sahel widmet sich Djaïli Amadou Amal diesem Themenkomplex. Weiterlesen „Djaïli Amadou Amal – Im Herzen des Sahel“