Margaret Laurence – Das Glutnest

Ich lernte die Bücher der Autorin Margaret Laurence erst 2020 im Rahmen einer Beschäftigung mit dem damaligen Gastland der Frankfurter Buchmesse Kanada kennen. In ihrem Heimatland gilt die 1926 geborene und 1987 verstorbene Laurence als Klassikerin. Ihr Roman Der steinerne Engel ist dort Schullektüre und war auch meine erste Begegnung mit ihr. Der großartig eigenwillig geschriebene Text um eine ebenso eigenwillige 90-Jährige hat mich absolut begeistert und es war toll zu hören, dass das Buch Teil 1 einer Reihe ist, Teil des fünfbändigen Manawaka-Zyklus. Nach Eine Laune Gottes (2022) hat der Eisele Verlag in Sachen Margaret Laurence nachgelegt und nun bereits den dritten Band veröffentlicht, Das Glutnest, wieder hervorragend übersetzt von Monika Baark. Und auch dieser ist wieder sehr überzeugend. Weiterlesen „Margaret Laurence – Das Glutnest“

Penelope Mortimer – Bevor der letzte Zug fährt

In der Literaturgeschichte lohnt das Graben nach Vergessenem und Übersehenem. Gerade im letzten Jahr habe ich viele großartige deutsche Erst- und Neuübersetzungen von Autor:innen (tatsächlich überwiegend weibliche) gelesen. Sehr verdient macht sich dabei u.a. der Schweizer Dörlemann Verlag, der seine Ausgaben zudem noch besonders schön gestaltet. Meine neueste Entdeckung ist Bevor der letzte Zug fährt von Penelope Mortimer, übersetzt von Kristine Kress. (Auch großes Lob an den Verlag dafür, dass die Übersetzerin prominent auf dem Titel erwähnt wird).

Dieser 1958 erschienene Roman liegt zum ersten Mal auf Deutsch vor. Und das erstaunt angesichts der literarischen Qualität sehr. Andererseits berührt der Text Themen, von denen man zur damaligen Zeit sicher nicht unbedingt lesen wollte. Die 1918 geborene Journalistin, zeitweise Kummerkastentante für die Daily Mail und sechsfache Mutter von Kindern unterschiedlicher Väter Penelope Mortimer spricht in Bevor der letzte Zug fährt ein in der damaligen Zeit stark mit Tabus behaftetes Thema an: die ungewollte Schwangerschaft und deren Beendigung. Erst 1967 wurden Abtreibungen in England legal. Weiterlesen „Penelope Mortimer – Bevor der letzte Zug fährt“

Maud Martha von Gwendolyn Brooks – Ein Interview

Ein Gespräch mit Manesse Verleger Dr. Horst Lauinger und Übersetzerin Andrea Ott zum einzigen Roman der ersten Schwarzen Pulitzerpreisträgerin Gwendolyn Brooks

Beim diesjährigen Literaricum in Lech am Arlberg drehte sich alles um den 1813 entstandenen Roman Stolz und Vorurteil von Jane Austen. Im Manesse Verlag erschien 2003 die viel gelobte Neuübersetzung von Andrea Ott. Auf der Bühne mit dem Verleger Dr. Horst Lauinger verriet Andrea Ott in einem sehr interessanten und kurzweiligen Gespräch einiges über die Schwierigkeiten beim Übersetzen eines 200 Jahre alten Textes. Im Anschluss durfte ich mich mit beiden über ein jüngst ebenfalls in der Übersetzung von Andrea Ott erschienenes Buch unterhalten, das mich persönlich sehr begeistert hat: Maud Martha von Gwendolyn Brooks. Weiterlesen „Maud Martha von Gwendolyn Brooks – Ein Interview“

Asta Nielsen – Im Paradies

Die Dänin Asta Nielsen war der weibliche Star des deutschen Stummfilms. Weniger bekannt ist, dass sie nach Beendigung ihrer Schauspielkarriere zahlreiche Erzählungen geschrieben hat. In der wunderbaren Reihe Lieblingsbücher von Kat Menschik illustriert erscheinen nun fünf kurze Texte in der gewohnt liebevoll-aufwendig gestalteten Aufmachung des Galiani Verlags: dreiseitiger silbriger Buchschnitt, Glanz-Prägung und in frischen Blau-Tönen gehaltene Illustrationen mit roten Akzenten. Weiterlesen „Asta Nielsen – Im Paradies“

Jean Malaquais – Planet ohne Visum

Es ist wirklich erstaunlich, welche Meisterwerke der Exilliteratur heute, achtzig Jahre später, noch neu entdeckt werden, bei denen man sich fragt, wie sie vergessen oder sogar ganz übergangen werden konnten. So wie Planet ohne Visum von Jean Malaquais, das nun, 75 Jahre nach seinem Erscheinen, endlich auf Deutsch veröffentlicht wird. Der Edition Nautilus und vor allem seiner Übersetzerin Nadine Püschel sei Dank! Weiterlesen „Jean Malaquais – Planet ohne Visum“

Kenneth Fearing – Die große Uhr

Kenneth Fearing. Nie gehört? Selbst eingefleischte Krimileser:innen wissen zu dem 1902 in Illinois geborenen und 1961 mit nur 59 Jahren verstorbenen Autor hierzulande wenig oder nichts zu sagen. Denn obwohl er in den USA und in anderen europäischen Ländern mit seiner Lyrik, seinen sieben Romanen und – was nicht unbeträchtlich zu seinem Lebensunterhalt beigetragen hat – seinen Geschichten für Pulp-Magazine durchaus erfolgreich war, wurde keiner seiner Texte bisher auf Deutsch veröffentlicht. Dabei ist zumindest sein vierter Thriller, Die große Uhr, ein Noir-Klassiker, taucht in vielen Bestenlisten auf, wurde zweimal verfilmt und brachte Kenneth Fearing sogar die Bewunderung von Raymond Chandler ein, der ansonsten mit Lob eher geizte. Im Elsinor Verlag ist nun endlich eine deutsche Ausgabe in der Übersetzung von Jakob Vendenberg, herausgegeben von Martin Compart, der auch ein informatives Nachwort beisteuerte, erschienen. Weiterlesen „Kenneth Fearing – Die große Uhr“

Sigrid Undset – Kristin Lavranstochter Die Frau

Nachdem Kristin Lavranstochter im ersten Teil der Trilogie, für die die Autorin 1928 den Literaturnobelpreis erhielt, als junge eigenwillige Frau ihre Ehe mit dem angebeteten Erlend Nikulaussohn durchgesetzt hat, führt Sigrid Undset die Geschichte in Die Frau fort. Gegen den Willen ihres geliebten Vaters Lavrans Bjørgulvssohn hat sich Kristin diese Ehe ertrotzt. Ihre voreheliche Schwangerschaft konnte dadurch gerade noch legitimiert werden. Der schlechte Ruf Erlends, der zuvor mit einer anderen Frau in unehelicher Gemeinschaft lebte, aus der zwei gemeinsame Kinder stammen, erholt sich durch Kristins sorgsames Haushalten und erfolgreiche Geschäfte ihres Mannes langsam. Weiterlesen „Sigrid Undset – Kristin Lavranstochter Die Frau“

Sommerlektüre – Von Räubern, einem Monat in Siena, Kunst und der Unschärfe der Welt

Kleiner Nachtrag zu meiner Sommerlektüre. Vor meinem Urlaub hatten sich zum Glück so einige Rezensionen aufgestaut, so dass ich in den 18 Tagen Italien tatsächlich nicht „arbeiten“ musste und bereits Fertiges veröffentlichen konnte. Gelesen habe ich natürlich dennoch und damit es nicht einen noch größeren „Nachurlaubsstau“ gibt, fasse ich meine Urlaubslektüre mal in einem Sammelbeitrag zusammen. Tolle Bücher, jedes hätte eigentlich einen eigenen langen Post verdient – alles uneingeschränkte Empfehlungen!

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Dorothy West – Die Hochzeit

Nur zwei Romane veröffentlichte die afroamerikanische Autorin Dorothy West neben zahlreichen Erzählungen in den 91 Jahren ihres Lebens. Der ersten, The living is easy, erschien 1948. Da war West 41 Jahre alt. Der Erfolg blieb aus, vielleicht weil das Publikum von einer Schwarzen Autorin etwas anderes erwartete. West, die aus einer der reichsten Familien Bostons stammte – der Vater wurde noch als Sklave geboren, kam dann aber mit Lebensmittelhandel zu Geld -, schrieb über das wohlhabende Schwarze Bürgertum. Chauffeure, Kricket-Turniere auf gepflegtem englischen Rasen, Ferien auf Martha´s Vineyard, das war nicht das, was man von Autor:innen der Harlem Renaissance erwartete. Dieser sozialen, kulturellen und künstlerischen Bewegung, die ein neues Selbstbewusstsein der Schwarzen Bevölkerung ausdrücken wollte, fühlte sich Dorothy West zugehörig. Allerdings war sie wenig politisch, die radikalen Black Panther und Malcolm X verachtete sie regelrecht. Erst die Überredungskünste einer Nachbarin auf Martha´s Vineyard, einer Lektorin namens Jackie Kennedy Onassis, ermutigten Dorothy West, ihren zweiten Roman Die Hochzeit zu vollenden. Er erschien 1995, drei Jahre vor Wests Tod und wurde, auch dank der Unterstützung von Oprah Winfrey, ein Erfolg und prominent verfilmt. Weiterlesen „Dorothy West – Die Hochzeit“

George Orwell – Farm der Tiere und 1984 – Neuübersetzungen

Im vergangenen Jahr jährte sich der Todestag von George Orwell zum 70. Mal. Der 1903 im damaligen Britisch-Indien geborene Eric Arthur Blair, der hinter dem Schriftsteller-Pseudonym steckte, starb 1950 erst sechsundvierzigjährig an den Folgen einer Lungentuberklose in London. Neben seinen weltberühmten Werken Farm der Tiere und 1984, die nun nach Beendigung des Urheberschutzes in zahlreichen Neuauflagen und Neuübersetzungen in verschiedenen Verlagen erscheinen, verfasste George Orwell drei weitere Romane, Sozialreportagen, Autobiographisches und Essays. Weiterlesen „George Orwell – Farm der Tiere und 1984 – Neuübersetzungen“