Mia Raben – Unter Dojczen

„Unter Dojczen“ – mit polnischer Lautschrift betitelt die 1977 geborene Journalistin Mia Raben ihren Debütroman. Unter Deutschen befindet sich die 50jährige Polin Jola schon seit vielen Jahren. Sie ist eine der vielen Pflegekräfte, ohne die die Betreuung und Pflege alter Menschen hierzulande gar nicht mehr denkbar ist. Oft ihre eigenen Familien zurücklassend, auf langen Busfahrten Richtung Osten und Westen pendelnd, häufig – wenn auch zum Glück nicht mehr ganz so oft wie in der Anfangszeit der Neunziger Jahre – unversichert, gnadenlos unterbezahlt, windigen Vermittlungsagenturen ausgeliefert und mit ausbeuterischen Verträgen in deutschen Haushalten beschäftigt, leben geschätzt bis zu 300.000 vorwiegend Frauen aus Ost- und Südosteuropa hierzulande, nicht wenige in der rechtlichen Grauzone der 24 Stunden-Pflege. Menschen, ohne die die Gesellschaft kaum mehr denkbar wäre, die aber viel zu oft übersehen werden. Und denen folgerichtig auch in der Literatur wenig Raum gegeben wird. Weiterlesen „Mia Raben – Unter Dojczen“

Wolf Haas – Eigentum

Manchen Autor:innen vertraue ich nahezu blind. Der Österreicher Wolf Haas, bekannt geworden durch seine mittlerweile neun Brenner-„Krimis“ mit dem so typischen, genialen Sound, gehört sicher dazu und deswegen habe ich zu Beginn seines neuen Romans Eigentum nur ganz kurz gezaudert wegen des ziemlich flapsigen Tons, mit dem der Erzähler vom Sterben der Mutter Marianne Haas erzählt. Unangemessen? Respektlos? Keineswegs. Wolf Haas ist nicht nur Träger zahlreicher Krimipreise, sondern auch des angesehenen Wilhelm-Rabe-Literaturpreises. Der Mann kann Literatur, und wie. Und so schafft er hinter einem ganz eigenen, stark rhythmisierten und hochkomischen Ton ein von großem Respekt und Ernst durchdrungenes, sehr anrührendes Porträt einer nicht ganz einfachen Frau. Weiterlesen „Wolf Haas – Eigentum“

Sylvie Schenk – Maman

Bereits in Schnell, dein Leben und Eine gewöhnliche Familie hat uns Sylvie Schenk, 1944 in Chambéry, Frankreich, geboren, seit 1966 in Deutschland lebend und auf Deutsch schreibend, Einblicke in ihre Familie gegeben, jetzt hat sie sich mit Maman auf ihre Mutter konzentriert, mit der sie eine nicht leichte Beziehung verband.

„Unsere Mutter, die sprach nur mit der Wäsche und mit Babys.“

Unnahbar war diese Mutter, verschlossen und distanziert bis gleichgültig ihren Kindern gegenüber. Zärtlichkeiten und Vertrautheit gab es wenig und die Kinder, zumindest die kleine Sylvie, spürten schon bald, dass die Mutter nicht glücklich war, nicht in ihrer Ehe, nicht in ihrer Mutterrolle, nicht als doch recht gut situierte Zahnarztgattin in Lyon. Da gab es etwas, dass sie von ihrem Glück abhielt, über das sie aber beharrlich schwieg. Erst nach ihrem Tod erfahren Sylvie und ihre vier Geschwister, wer diese Frau eigentlich wirklich war, welche Gespenster aus der Vergangenheit ihr zeitlebens nachhingen. Weiterlesen „Sylvie Schenk – Maman“