Lluís Llach – Die Frauen von La Principal

Lluís Llach Die Frauen von La PrincipalDer Roman beginnt an einem Novembertag im Jahr 1940. Die alte Bedienstete Ursula ist allein auf dem Weingut „La Principal“ zurückgeblieben und versinkt in Erinnerungen an alte Zeiten, an frühere Herrschaften und deren Lebensgeschichten, die weit ins 19. Jahrhundert reichen. Mit 14 Jahren trat sie 1853 in den Dienst von Senyor Andreu Roderich und seiner Frau Blanca, empfing mit 17 Jahren ein Kind vom Hausherrn, durfte entgegen der üblichen Sitten aber im Haushalt verbleiben und wurde die Amme aller Nachkommen auf „La Principal“. Auch als 1893 die gefürchtete Reblaus fast alle Weinstöcke vernichtete und der Hausherr mit seinen vier Söhnen nach Barcelona übersiedelte, blieb Ursula mit der Tochter des Hauses, die die undankbare Aufgabe übertragen bekommen hatte, das wertlose Gut zu hüten und zu verwalten, zurück.
Nachdem Vater Andreu kurz danach überraschend starb, erwies sich dies als ungeheures Glück.
Wohl aus einem Rest an schlechtem Gewissen hatte er Tochter Maria als Erbin des Gutes eingesetzt. Das führte zwar zum Bruch mit ihren Brüdern, verschaffte ihr aber auch die Möglichkeit mit viel Mut und Schaffenskraft aus „La Principal“ erneut ein einträgliches, florierendes Gut zu machen und sich selbst zur einflussreichsten, reichsten und auch unabhängigsten Frau weit und breit. So unabhängig, dass sie, die alle Welt nur respektvoll „die Alte“ nannte, eine Liebesheirat mit Narcis Magi schließen konnte. Dieser war anders als alle anderen Männer, verträumt, belesen, gebildet. Das Glück schien mit der Geburt der kleinen Tochter Maria perfekt, aber nur wenige Monate später erkrankte Narcis und starb. Ein Schlag, von dem sich „die Alte“ nicht mehr erholen sollte, auch wenn sie die Geschäfte weiterhin erfolgreich führte. Als sie 1933 starb, über nahm wiederum ihre erst 23 jährige Tochter Maria die Geschäfte. Eine Dynastie starker Frauen also, deren Geschichten der Leser in Rückblicken erfährt, nach und nach, in den Tagträumereien der alten Ursula sowie in Berichten an den Kriminalinspektor Recader. Dieser klopft nämlich an jenem Novembertag 1940 an die Tür von „La Principal“ und erwartet Auskunft über einen grausigen Mord, der ihn bereits 1936 hierher geführt hatte, der aber nie aufgeklärt wurde. Der Vorarbeiter Ricard war damals auf grausige Weise ermordet und vor dem Gut abgelegt worden. Die Wirren des Spanischen Bürgerkriegs erschwerten die Aufklärung. Nun sitzen die Faschisten unter der Regierung Francos fest im Sattel und der regimetreue Inspektor erhofft sich Meriten bei der Aufklärung diese alten Falls. Nicht nur die Herrin Maria, auch ihr neuer Vorarbeiter (und wie bald herauskommt Geliebter) Llorenc geraten ins Visier. Der opulent und in epischer Breite erzählte Familienroman bekommt damit etwas Kriminalistisches. Nicht umsonst bewundert Recader Agatha Christie.
Die Auflösung des Verbrechens sei hier nicht verraten, sie fällt aber anders aus als vielleicht erwartet.
Lluis Llach erzählt einen wunderbaren Familienroman, ein Sittenbild aus Katalonien, das tief ins 19. Jahrhundert reicht und auch die dunklen Jahre des Faschismus nicht ausblendet, ohne allerdings Anklage zu erheben oder Schwarz-Weiss zu malen. Einzig die (recht kurzen) Abschnitte, die in die Gegenwart reichen und 2001 spielen – die dritte Generation Maria trifft sich mit ihrem Vater, in dem wir bald Llorenc erkennen, dieser wird zum Verfasser des bisher Gelesenen, das er wiederum seiner Tochter zum Lesen gibt – ist meiner Meinung nach dramaturgisch und auch sprachlich weniger gut gelungen. Diese rückblickenden Erläuterungen und dieses Buch-im-Buch-Kniffs hätte es nicht bedurft. Er stört sogar die Einheit dieser ansonsten schönen Geschichte, die von starken, entschlossenen Frauen, die auch in widrigen Zeiten um ihr Glück kämpfen, erzählt.

 

Lluís Llach – Die Frauen von La Principal

Insel Verlag März 2016, Gebunden, 368 Seiten, 19,95 € 

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