Alles neu macht der Mai! Das gilt auch für die Verlagsvorschauen, die schon einen Blick auf die Veröffentlichungen vom Herbst 2019 werfen.
Auch ich habe mich nun nach den ersten Vor-Vorschauen der Leipziger Buchmesse intensiver in die kommenden Buchankündigungen vertieft und kann schon einmal sagen: Da kommt wieder eine Menge Interessantes auf uns Buchliebhaber zu. Hier wie immer meine ganz subjektive Auswahl spannender Titel. Die grau gehaltenen Verlage machen es spannend und haben ihre neuen Programme noch nicht veröffentlicht. Ich werde meine Tipps daraus nachreichen. Durch die Vor-Vorschau weiß ich, dass gerade Rowohlt einige sehr spannende Titel bringen wird (Stewart O´Nan, Eugen Ruge, Davide Longo, James Wood). Stay tuned!
UPDATE: Die meisten Vorschauen sind nun online und besonders die Rowohlt Titel sind sehr vielversprechend. Am meisten freue ich mich in dieser Saison wohl auf Stewart O´Nans „Fortsetzung“ von Abschied von Chautauqua bzw. Emily allein. Hier kommt der verstorbene Henry zu Wort.
Auch Matthes & Seitz haben ein grandioses Herbstprogramm.
Auf einige der Neuerscheinungen freue ich mich natürlich ganz besonders. Einige Verlage haben ein mich besonders ansprechendes Programm in Aussicht. Das sind die Dauerbrenner Hanser und Suhrkamp, dieses Jahr aber auch wieder S. Fischer und DuMont. Andere Verlag, die ich sonst sehr schätze, wie beispielsweise KiWi, haben diesmal gar nichts für mich dabei. Dafür wartet der eher kleine Schöffling Verlag mit einem ganz wunderbaren Jubiläumsprogramm auf. 25 Jahre Schöffling & Co. Dafür wartet er auch mit »Im Mittelpunkt die Autoren« mit einer Chronik & Bibliographie auf. Besonders freut mich, dass Schöffling nun nach der Insolvenz des Frankfurter Stoemfeld Verlags im vergangenen Jahr das Werk von Peter Kurzeck übernimmt.
Ein Schwerpunkt wird in diesem Herbst das Gastland der Frankfurter Buchmesse, Norwegen, sein. Einige interessante Neuerscheinungen habe ich so gekenzeichnet.
Und nun viel Spaß beim Stöbern und Entdecken. Auf dass eure Leselisten wieder aus allen Nähten platzen 😉 Und wenn ihr noch Tipps habt, Titel, die ich übersehen oder missachtet habe – her damit!
Die Texte entstammen sämtlich den Verlagsankündigungen.
Alle Angaben ohne Gewähr.
———————————————————————-
*Werbung*
Argument Verlag/ARiadne
Juli 2019
Tawni O’Dell – Wenn Engel brennen gebunden, 320 Seiten, 21 €
Als Polizeichefin von dem Ort ihrer Kindheit, hat Dove Carnahan schon viel gesehen. Es ist keine kuschelige Gegend: Hier in Pennsylvania liegen vom Kohleabbau verwüstete Landstriche brach, Geisterstädte rotten vor sich hin, Menschen rackern sich ab oder haben sich längst aufgegeben, Träume blühen und welken. Oder sie verbrennen, wie das tote Mädchen in der vor Jahrzehnten geräumten Siedlung Campbell’s Run, das ein entsetzter Farmer in einer glühenden Erdspalte entdeckt. State Trooper Nolan reißt die Ermittlung sofort an sich, doch Chief Carnahan bleibt mit dran. Auf der Suche nach dem Hintergrund der Toten bekommen sie es mit der berüchtigten Truly-Familie zu tun. Kriminell oder arbeitslos, verschworen und zerstritten – die Trulys sind Redneck-Unterschicht der schlimmsten Spielart. Und verstärken in der Polizeichefin längst überwunden geglaubte Alpträume.
Atrium
23.08.2019
2 – Hideo Yokoyama gebunden, 166 Seiten, € 16,00
Zwei Fälle, zwei Ermittler, ein Schauplatz: Japan, Polizeipräsidium Präfektur D.
Fall 1: Inspektor Futawatari wird mit der personellen Umstrukturierung der Präfektur beauftragt, doch Kriminalpolizei-Legende Michio Osakabe weigert sich überraschend, in Ruhestand zu gehen. Osakabe wird zu einem Sandkorn im Getriebe der Polizeibürokratie – bis Futawatari darauf stößt, dass Osakabe nicht aufgehört hat, in einem grausamen Fall zu ermitteln, der nie gelöst wurde …
Fall 2: Abteilungsleiterin Tomoko Nanao wird benachrichtigt, als eine junge Polizistin plötzlich nicht mehr zur Arbeit erscheint. Nanao ist für alle weiblichen Polizeikräfte der Präfektur verantwortlich und hat einen dunklen Verdacht. Als Nanao im Polizistinnen-Wohnheim erfährt, dass die vermisste Frau von einem mysteriösen jungen Mann umworben wurde, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit.
Aufbau
13.09.2019
David Diop – Nachts ist unser Blut schwarz
Gebunden, 160 Seiten, 18,00 €
Alfa Ndiaye kämpft im Ersten Weltkrieg an der Seite der Franzosen gegen die Deutschen – ein „Schokosoldat“ wie die Kameraden ihn nennen. Als Alfas geliebter Kindheitsfreund in seinen Armen verblutet, wird er von Wut und Rache gepackt. Wie ein Wahnsinniger zieht er mit seiner Machete über das Schlachtfeld und kehrt jeden Abend mit einem Gewehr des Feindes samt abgetrennter Hand zurück. Erst bewundern ihn die anderen, dann fürchten sie den Wilden und wenden sich ab. David Diop hinterfragt die Menschlichkeit in unmenschlichen Zeiten und verlagert das Grauen des Krieges ins tiefste Innere. Die Stimme von Alfa Ndiaye betört und verstört. Ein archaischer Roman von unvergleichlicher literarischer Kraft.
08.11.2019
Louise Erdrich – Die Wunder von Little No Horse
Gebunden, 512 Seiten, 24,00 €
Mehr als ein halbes Jahrhundert hat Vater Damien Modeste sich ganz in den Dienst seines geliebten Stammes der Ojibwe im abgelegenen Reservat Little No Horse gestellt. Nun da sein Leben zu Ende geht, muss er fürchten, dass das große Geheimnis seines Lebens doch noch ans Licht kommen könnte: er ist in Wahrheit eine Frau.
In ihrem bislang nichts ins Deutsche übertragenen Meisterwerk erkundet Louise Erdrich das Wesen der Zeit und den Geist einer Frau, die sich gezwungen fühlte, sich selbst zu verleugnen, um ihrem Glauben dienen zu können. Ein Buch mit Herz, großartig erzählt.
Berenberg
27.08.2019
Carla Maliandi – Das deutsche Zimmer
160 Seiten, Halbleinen, fadengeheftet, € 24
Heidelberg, nur nach Heidelberg. Was genau sie aus Buenos Aires in die deutsche Hauptstadt der Romantik treibt, weiß die namenlose Erzählerin in diesem schnörkellosen und gleichzeitig verwunschenem Romandebüt auch nicht recht. Ganz sicher hat es
etwas damit zu tun, dass ihre Eltern vor der argentinischen Militärjunta dorthin geflohen waren, dass sie allerfrüheste Kindheitserinnerungen an die Gassen am Neckar hat, das Schloss, die Hügel, den Nebel. Doch das begleitet diese Geschichte allenfalls wie ein unterirdischer Fluss. An der Oberfläche findet und verliert die junge Frau alte und neue Freunde, probiert Lieben aus, sucht nach Unbestimmtem und traumwandelt durch die Stadt. Carla Maliandi erzählt eine Geschichte von Leben und Tod, in der die Magie kaum merklich die Wirklichkeit streift.
Berlin
10.09.2019
Margaret Atwood – Die Zeuginnen …………………………………….. 368 Seiten, Hardcover, € 25,00
»Und so steige ich hinauf, in die Dunkelheit dort drinnen oder ins Licht.« – Als am Ende vom »Report der Magd« die Tür des Lieferwagens und damit auch die Tür von Desfreds »Report« zuschlug, blieb ihr Schicksal für uns Leser ungewiss. Was erwartete sie: Freiheit? Gefängnis? Der Tod? Das Warten hat ein Ende! Mit »Die Zeuginnen« nimmt Margaret Atwoods den Faden der Erzählung fünfzehn Jahre später wieder auf, in Form dreier explosiver Zeugenaussagen von drei Erzählerinnen aus dem totalitären Schreckensstaat Gilead. »Liebe Leserinnen und Leser, die Inspiration zu diesem Buch war all das, was Sie mich zum Staat Gilead und seine Beschaffenheit gefragt haben. Naja, fast jedenfalls. Die andere Inspirationsquelle ist die Welt, in der wir leben.«
Der Report der Magd – Margaret Atwood
Graphic Novel von Renée Nault
256 Seiten, Hardcover, € 25,00
Blessing
Stephan Abarbanell – Das Licht jener Tage Hardcover, 320 Seiten, € 22,00
Robert Landauer, einst international geachteter Mediziner, wagt nach einem Pharmaskandal einen Neuanfang in Berlin. Als er einer ohnmächtigen jungen Frau hilft und sie nach Hause fährt, trifft er auf deren Vater, Fouad Tamimi. Es ist nicht die erste Begegnung zwischen den beiden Männern: Ihre gemeinsame Geschichte führt zurück ins Jahr 1982, in den kriegsgebeutelten Libanon; Tamimi hat Landauer damals das Leben gerettet, doch seine große Liebe Sahira verloren. Nach dem Massaker in den palästinensischen Flüchtlingslagern von Beirut fehlte von ihr jede Spur. Landauer lässt sich darauf ein, Tamimi bei der Suche nach Sahira zu helfen. Er macht sich auf den Weg in den Nahen Osten und stößt dabei nicht nur auf seine eigene Vergangenheit, sondern auch auf eine Geschichte von ungeahnten politischen Ausmaßen.
btb
12. August 2019
Kopano Matlwa – Du musst verrückt sein, wenn du trotzdem glücklich bist Hardcover, ca. 220 Seiten, € 20,00
Was heißt es, im gegenwärtigen Südafrika eine junge Frau zu sein? Machebe, früher ein wildes, rebellisches Mädchen, ist heute Assistenzärztin mitten in Johannesburg. Der Klinikalltag ist bestimmt vom unterversorgten Gesundheitssystem. Rassismus, Religiosität und Tradition treffen täglich auf die Gegenwart der jungen »Born Free«-Generation Südafrikas. Obwohl Machebe leidet und tiefen Schmerz in sich trägt, die »Bestie«, die alles verdunkelt, passt sie sich dem Alltag mit aller Kraft an. Doch eine Frage bleibt: Wofür lohnt es sich zu kämpfen? Für ein gerechteres System? Für ihre beste Freundin, die intelligente Nyasha aus Simbabwe? Für sich selbst und das eigene Glück?
C. Bertelsmann
14.10.2019
Salman Rushdie – Quichotte Hardcover mit Schutzumschlag, ca. 480 Seiten. € 25,00
Eine brillante Hommage an Cervantes und ein unverzichtbarer Kommentar zu unseren unsicheren Zeiten. Salman Rushdies Quichotte ist ein Reisender, der besessen ist von der »unwirklichen Wirklichkeit« des Fernsehens. Er will das Herz der Königin der Talkshows erobern und begibt sich auf eine Reise quer durch Amerika, um sich ihrer als würdig zu erweisen; auf dem Beifahrersitz, Sancho, der Sohn, den er sich immer gewünscht hat. Rushdie nimmt Quichottes Abenteuer mit in unsere verrückte Gegenwart. Er erzählt dabei auch von Vater-Sohn-Beziehungen, Geschwisterstreitigkeiten, unverzeihlichem Handeln, alltäglichem Rassismus, der Opioidkrise, Cyber-Spionen, Science Fiction, dem Leben des Mannes, der Quichotte geschaffen hat, und nicht zuletzt vom Ende der Welt.
C.H.Beck
18. Juli 2019
Roy Jacobsens – Die Unsichtbaren 613 S., mit 2 Karten, Hardcover, 28,00 €
Auf einer Insel mitten in der atemberaubenden Küstenlandschaft Norwegens wächst Ingrid Barrøy auf. Das raue Inselleben hat seine eigenen Gesetze, bestimmt von weiten Horizonten und vom Meer, von harten Wintern und leuchtenden Sommern. Ein Leben, das, wie die Landschaft selbst, durchwoben ist von einer fesselnden, spröden Schönheit, fernab der übrigen Welt. Eines Tages spült das Meer die große Geschichte an Barrøys Strände: Der Zweite Weltkrieg nimmt für Ingrid in dem jungen russischen Soldaten Alexander Gestalt an, der sich von einem sinkenden deutschen Gefangengenschiff auf die Insel retten kann. Zwischen den beiden entspannt sich eine kurze sprachlose Liebe, bevor die deutsche Besatzung Norwegens sie auseinandertreibt. Neun Monate später bekommt Ingrid eine Tochter. Mit Kaja vor den Bauch gebunden, folgt Ingrid Alexanders Spuren durch einen frischen Frieden, in einem Nachkriegs-Norwegen, das nichts anderes will als vergessen…
Roy Jacobsens Insel-Saga erzählt, auch vor dem Hintergrund deutscher Geschichte, mit außergewöhnlichem Sog vom Leben einer Familie in überwältigender Natur, von starken, eigenwilligen Frauen, von Schuld und Kollaboration.
Culturebooks
01.09.2019
Maria Kjos Fonn: Kinderwhore Hardcover, 256 Seiten. 20,00 Euro
»Kinderwhore« ist der Kleidungsstil der Grunge-Musikerin Courtney Love, und Charlottes Mutter liebt Courtney Love, weshalb sie sich ebenfalls so anzieht. Doch von der Protesthaltung, die eigentlich dahintersteht, weiß sie nichts. Charlottes Mutter lässt ihre Tochter oft allein, und wenn sie mal da ist, schläft sie die meiste Zeit, betäubt von starken Medikamenten. Wenn sie nicht schläft, schenkt sie ihrer Tochter neue Väter. Als Charlotte in der Pubertät ist, bekommt sie einen Vater, der die Nächte lieber bei ihr als bei ihrer Mutter verbringt. Was dabei geschieht, kann sie unmöglich begreifen. Sie beginnt, die Pillen ihrer Mutter zu schlucken und ist glücklich, als sie entdeckt, dass es Wege gibt, die eigenen Gefühle auszuschalten. So schafft sie eine Trennung zwischen Körper und Geist, die es ihr erlaubt, unterschiedliche sexuelle Rollen zu spielen. Sie glaubt, die Kontrolle zu haben, über sich und andere, doch das erweist sich als bitterer Trugschluss. Kann man mit derart destruktiven Mustern seine Jugend unbeschadet überstehen? Ein bewegender Roman, der rau und kraftvoll vom Erwachsenwerden unter Extrembedingungen erzählt und davon, das Leben trotz aller Widerstände in die eigenen Hände zu nehmen.
Carl Nixon: Fish ’n’ Chip Shop Song. Storys Hardcover, 224 Seiten. 20,00 Euro
Zwischen den atemberaubenden Landschaften der Südinsel und den sich ausbreitenden Städten im Norden handeln Nixons Geschichten von verlorenen Söhnen und Vätern, von gefundener Liebe, die so wechselhaft ist wie das Wetter, von schmerzlichem Verlust, der tief in die Seele dringt, vom Blick zurück im Angesicht des Todes. Seine präzise komponierten und stilistisch glasklaren Geschichten stecken voller überraschender Wendungen, seine Charaktere sind so liebenswert wie beunruhigend, gleichzeitig vollkommen fremd und irritierend nah an uns selbst.
Diogenes
28.08.2019
Mick Herron – Dead Lions Ein Fall für Jackson Lamb Hardcover Leinen
480 Seiten, € 24,00
Zwei Agenten von Slough House, einem Abstellgleis des MI5, erhalten den Auftrag, einen russischen Oligarchen zu beschützen, den der britische Geheimdienst als Informanten gewinnen will. Gleichzeitig wird ein ehemaliger Spion aus kalten Kriegszeiten tot aufgefunden, angeblich infolge eines Schlaganfalls. Bei beiden Fällen spielen russische Schläfer eine wichtige Rolle: ›Dead Lions‹. Ausgerechnet die Agenten, denen keiner etwas zutraut, sind beim Erwachen der Löwen dabei.
DTV
23.08.2019
George Eliot – Middlemarch Überarbeitete Neuausgabe
aus dem Englischen von Rainer Zerbst, Hardcover, 1152 Seiten, € 28,00
Die Grenzen des Dorfes sind die Grenzen unserer Welt. Das akzeptieren vielleicht die restlichen Bewohner von Middlemarch, aber nicht Dorothea und Tertius. Wieso sollte einer jungen Frau der Zugang zu Wissen und Geist verschlossen bleiben, wenn die alten Männer damit nur Schindluder treiben? Und warum sollte ein junger Arzt nicht neue Methoden anwenden dürfen, wenn man dadurch Menschenleben retten kann? Neugier ist Pflicht für Dorothea und Tertius. Und um ihre Pflicht zu erfüllen, setzen sie vieles aufs Spiel.
Dumont
12.07.2019
Stig Sæterbakken – DURCH DIE NACHT
288 Seiten, gebunden, € 22,00
Karl Meyer ist Zahnarzt und führt ein durch und durch bürgerliches Leben. Doch als sein erst achtzehnjähriger Sohn Ole-Jakob Suizid begeht, droht es die Familie zu zerreißen. Karls Frau Eva steht unter Schock, die Tochter Stine verstummt. Auch Karl ist in seiner Trauer gefangen. Er denkt zurück an sein Kind, vor allem aber an das, was die Familie schon vor dessen Tod auf eine Belastungsprobe stellte: Karls Liebschaft mit der deutlich jüngeren Mona. Ist es diese Affäre, die Ole-Jakob in den Tod getrieben hat? Die Schuldfrage steht im Raum – und Karl läuft davon. Er begibt sich auf eine Reise in die Slowakei. Dort hofft er, Erlösung zu finden: in einem Haus, in dem man, so heißt es, mit seinen tiefsten Ängsten konfrontiert wird – und das man entweder gebrochen oder geheilt verlässt.
›Durch die Nacht‹ ist die Anatomie eines Trauerprozesses und ein Buch, das unter die Haut geht. Stig Sæterbakken schont seine
Leser nicht. Dieser so dringlich erzählte Roman schildert die Abgründe, die in uns allen lauern, und wie leicht wir die verletzen, die uns nahe stehen.
19.08.2019
Marius Hulpe – WILDE GRÜNE STADT oder Im Labyrinth des entwurzelten Lebens 400 Seiten, gebunden, € 24,00
Iran, 1960. Der junge Reza wird vom Schah-Regime als Spion nach Europa verschickt. Studieren soll er, sich ein Leben aufbauen, Wissen sammeln und es in die Heimat transferieren. Über Umwege verschlägt es ihn ins erzreligiöse Westfalen, wo er auf Clara trifft, die in ihrer Heimat fremdelt und gegen die ständige Angst ankämpft, zu enttäuschen. Auch Reza taumelt in der Fremde. In ihrem Wunsch nach Selbstbestimmung finden sie zueinander, doch die Fliehkräfte ihrer Geschichten torpedieren ein dauerhaftes Miteinander. Daran ändert auch die Geburt ihres Sohnes Niklas nichts, der sich schämt für die überbordende Liberalität seiner Eltern. Als Reza 1979 die Islamische Revolution live im Fernsehen verfolgt, begreift er, dass es kein Zurück gibt. Er kollabiert und gerät in Abhängigkeit – von einer Familie, deren Hoffnungen er selbst stets enttäuscht hat.
Fesselnd, sinnlich und einfühlsam dringt Marius Hulpe bis zum Kern dessen vor, was ein Familienleben heute bedeuten kann. Eindrucksvoll erzählt er davon, wie Ideologie und Repression, aber auch ein ungerichteter Freiheitsdrang ein Labyrinth ohne Ausweg bilden können. Ein souveränes, abgründiges, hellsichtiges Debüt. Ein Roman unserer Zeit.
14.10.2019
Meg Wolitzer – DIE ZEHNJAHRESPAUSE
448 Seiten, gebunden, € 24,00
Vier Freundinnen Anfang vierzig in New York: Amy, Roberta, Jill und Karen sind auf gute Colleges gegangen und gehören als Töchter überzeugter Feministinnen einer Generation an, die immer fest an die Vereinbarkeit von Kind und Karriere glaubte. Bis sie selbst Mütter wurden. Die Rückkehr in den Beruf hat sich für jede der vier als schwierig entpuppt: Seit zehn Jahren sind sie keine Karrierefrauen mehr, sondern Hausfrauen, Mütter. Und während ihre Kinder mit jedem Tag selbstständiger werden, wissen sie selbst immer weniger, wohin mit sich.
Amy ist von Geldsorgen geplagt, Jill sitzt einsam in der Vorstadt, Roberta, die früher mal Künstlerin war, begnügt sich mit Bastelnachmittagen in der Grundschule. Nur Karen geht gelegentlich zu Vorstellungsgesprächen, um im Training zu bleiben. Doch ihnen allen stehen Veränderungen ins Haus …
Meg Wolitzer widmet sich in diesem Roman der Frau in ihrer Rolle als Mutter – und vier Menschen, aus deren Leben nicht das geworden ist, was sie erwartet hatten. Gewohnt pointiert und unterhaltsam erzählt sie in ›Die Zehnjahrespause‹ von häuslichem Glück, Unglück und allem, was dazwischenliegt.
08.11.2019
Thomas Mullen – WEISSES FEUER (DARKTOWN 2)
480 Seiten, gebunden, € 24,00
Atlanta 1950: Auch nach zwei Jahren Dienstzeit wird die Arbeit der ersten schwarzen Polizisten Atlantas täglich von Rassismus bestimmt. Die Cops Lucius Boggs und Tommy Smith haben kaum Befugnisse, und um Ermittlungen durchzuführen, sind sie auf die Hilfe weißer Polizisten angewiesen, die ihre Arbeit aber zumeist durch Schikanen und Willkür behindern. Als schwarze Familien – darunter die von Smiths Schwester – in ein ehemals rein weißes Viertel ziehen, beginnen die Rassenkonflikte in der sich rasant verändernden Stadt zu brodeln. Ein unkontrolliertes Ausbrechen der Gewalt scheint jederzeit möglich. Ausgerechnet in dieser aufgeheizten Atmosphäre werden Boggs und Smith durch eine Festnahme auf die Revierkämpfe zweier Schmugglerbanden aufmerksam. Ihre Ermittlungen führen sie nicht nur zu weißen Drahtziehern, sondern auch ins eigene Umfeld. Bald sind beide persönlich so tief in den Fall verstrickt, dass nicht weniger als ihre moralische Integrität auf dem Spiel steht.
Eisele Verlag
30.08.2019
Madeline Miller – Ich bin Circe Hardcover mit Schutzumschlag, 528 Seiten, € 24,00
Circe ist Tochter des mächtigen Sonnengotts Helios und der Nymphe Perse, doch sie ist ganz anders als ihre göttlichen Geschwister. Ihre Stimme klingt wie die einer Sterblichen, sie hat einen schwierigen Charakter und ein unabhängiges Temperament; sie ist empfänglich für das Leid der Menschen und fühlt sich in deren Gesellschaft wohler als bei den Göttern. Als sie wegen dieser Eigenschaften auf eine einsame Insel verbannt wird, kämpft sie alleine weiter. Sie studiert die Magie der Pflanzen, lernt wilde Tiere zu zähmen und wird zu einer mächtigen Zauberin. Vor allem aber ist Circe eine leidenschaftliche Frau: Liebe, Freundschaft, Rivalität, Angst, Zorn und Sehnsucht begleiten sie, als sie Daidalos, dem Minotauros, dem Ungeheuer Scylla, der tragischen Medea, dem klugen Odysseus und schließlich auch der geheimnisvollen Penelope begegnet. Am Ende muss sie sich als Magierin, liebende Frau und Mutter ein für alle Mal entscheiden, ob sie zu den Göttern gehören will, von denen sie abstammt, oder zu den Menschen – die sie lieben gelernt hat.
FVA
Ende August 2019
Claire Beyer – Revanche
240 Seiten, gebunden, € 20,00
Tobias Ristow lebt allein in einer komfortablen Terrassenhauswohnung, die er nach dem Abitur von seinem Vater, wie er dachte, generös zur Verfügung gestellt bekommen hat. Dabei war sein Vater ihm gegenüber immer abweisend, bevorzugte die beiden älteren Halbbrüder. Als Ristow damals Unterschriften unter einige Formulare und Verträge setzte, ahnte er nicht, dass dies weitreichende Folgen haben würde.
Anders als seine Halbbrüder muss er nicht gleich in der väterlichen Firma antreten, er genießt als »Träumer« der Familie Freiräume, die er weidlich nutzt, bevor er dann doch schließlich Arbeit beim Vater aufnimmt. Beziehungen zu Frauen scheitern an seiner Unentschlossenheit in Lebens- und Liebesdingen, bis er die attraktive, aber kapriziöse Lea Berner kennenlernt und sich eine neue Chance eröffnet. Doch die Sehnsucht nach seinem geliebten Onkel Fritz und die Suche nach den eigenen Wurzeln lässt ihn tiefer in die rätselhaften Verflechtungen der eigenen Familiengeschichte vordringen: Der Bruder seines Vaters verschwand spurlos im selben Moment, in dem seine Mutter bei einem mysteriösen Autounfall ums Leben kam; Ristow war damals sieben Jahre alt. Der Mutterverlust war schrecklich, man sperrte ihn weg in ein Internat, die Suche nach Onkel Fritz hat er dennoch nie aufgegeben. Jetzt, kurz vor seinem 50. Geburtstag, reist er an den Ort, an dem er den Onkel wähnt, um ihm die Frage zu stellen, die ihn seit Jahren umtreibt: War sein Vater sein leiblicher Vater, oder doch vielleicht Fritz?
Galiani
12.09.2019
Kat Menschik – Die Puppe im Grase Norwegische Märchen Gebunden, 80 Seiten, € 18,00
Kleine Puppen locken Königssöhne ins hohe Gras, Handwerker überlisten mithilfe von Nüssen den Teufel und ein Huhn rettet die Erde vor dem Vergehen. Eine Welt jenseits des Alltages wartet darauf, neu entdeckt zu werden.
Was Jacob und Wilhelm Grimm für Deutschland waren, waren Peter Christen Asbjørnsen und Jørgen Moe für Norwegen.
Die Seele eines Landes ist fest verankert in den Geschichten, die sich seine Bewohner über Generationen hinweg abends erzählten. Sie erweckten mit ihren Erzählungen eine phantastische und zugleich raue Welt zum Leben, die einerseits geprägt war von Moral und Sittenlehre und andererseits von Sehnsüchten und den Träumen der einfachen Menschen. Nördlich des Skagerraks entstand dabei ein Universum, mystisch, makaber, faszinierend und so reich an sprachgewaltigen Bildern, dass sie auch heute noch Lesende sofort in ihren Bann zu ziehen vermögen.
In diesem Werk gestaltet Kat Menschik für eine Auswahl ihrer Lieblingsmärchen einzigartige, wunderschöne Illustrationen. So entsteht eine Reise in die unweite Vergangenheit, die die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion für einen Augenblick aufhebt und den Leser Teil der Sagen eines entfernten und doch so nah wirkenden zauberhaften Kosmos sein lässt.
Hanser
03.06.2019
Colson Whitehead – Die Nickel Boys
224 Seiten, Fester Einband, 23,00 €
Florida, Anfang der sechziger Jahre. Der sechzehnjährige Elwood lebt mit seiner Großmutter im schwarzen Ghetto von Tallahassee und ist ein Bewunderer Martin Luther Kings. Als er einen Platz am College bekommt, scheint sein Traum von gesellschaftlicher Veränderung in Erfüllung zu gehen. Doch durch einen Zufall gerät er in ein gestohlenes Auto und wird ohne gerechtes Verfahren in die Besserungsanstalt Nickel Academy gesperrt. Dort werden die Jungen missbraucht, gepeinigt und ausgenutzt. Erneut bringt Whitehead den tief verwurzelten Rassismus und das nicht enden wollende Trauma der amerikanischen Geschichte zutage. Sein neuer Roman, der auf einer wahren Geschichte beruht, ist ein Schrei gegen die Ungerechtigkeit.
22.07.2019
Ocean Vuong – Auf Erden sind wir kurz grandios
Fester Einband, 240 Seiten, 22,00 €
„Lass mich von vorn anfangen. Ma …“ Der Brief eines Sohnes an die vietnamesische Mutter, die ihn nie lesen wird. Die Tochter eines amerikanischen Soldaten und eines vietnamesischen Bauernmädchens ist Analphabetin, kann kaum Englisch und arbeitet in einem Nagelstudio. Sie ist das Produkt eines vergessenen Krieges. Der Sohn, ein schmächtiger Außenseiter, erzählt – von der Schizophrenie der Großmutter, den geschundenen Händen der prügelnden Mutter und seiner tragischen ersten Liebe zu einem amerikanischen Jungen. Vuong schreibt mit alles durchdringender Klarheit von einem Leben, in dem Gewalt und Zartheit aufeinanderprallen. Das kraftvollste Debüt der letzten Jahre, geschrieben in einer Sprache von grandioser Schönheit.
23.07.2019
Eduardo Halfon – Duell
112 Seiten, Fester Einband, 18,00 €
„Er hieß Salomon. Er starb, als er fünf war, ertrunken im Amatitlán-See. So bekam ich es als Kind in Guatemala erzählt.“ Wie passt das zusammen mit dem Foto eines traurigen Jungen im Schnee von New York im Jahr 1940, dessen Kopf aussieht wie der eines Erwachsenen? Um die wahre Geschichte seines Onkel Salomons zu erfahren, fährt der Erzähler zum Haus seiner Großeltern am Amatitlán-See und befragt eine uralte Kräutersammlerin, die von unzähligen ertrunkenen Kindern weiß, doch nichts von Salomon. Was ist mit dem verschwundenen Onkel passiert und warum schweigt die Familie über sein Schicksal? Eduardo Halfons preisgekrönter Roman ist ein atemberaubendes Duell zwischen Erfindung und Wahrheit.
Hanser Berlin
19.08.2019
Nicolas Mathieu – Wie später ihre Kinder
464 Seiten, Fester Einband, 24,00 €
Ein Ort in der Provinz, im Osten Frankreichs. Stillgelegte Industrie. Unerträgliche Hitze. Eine Gruppe Jugendliche, ohne viel zu tun, die ihre Sexualität entdecken, Bier trinken, Moped fahren oder dealen. Langeweile. Konflikte mit und zwischen den Eltern. Die Sehnsucht nach einem anderen Leben. Nicolas Mathieu schreibt über die am Rande Liegengelassenen. Über vier Sommer begleitet Wie später ihre Kinder Anthony, Hacine und ihre Freunde beim Erwachsenwerden in einer Welt der Reihenhaussiedlungen und Durchschnittsstädte – einer Welt, in der ihnen nichts geschenkt wird und an der sie dennoch hängen. Ein großer Gesellschaftsroman über das vergessene Frankreich der 1990er, voller Leben und erzählerischer Kraft.
Tommy Orange – Dort dort
288 Seiten, Fester Einband, 22,00 €
Jacquie ist endlich nüchtern und will zu der Familie zurückkehren, die sie vor vielen Jahren verlassen hat. Dene sammelt mit einer alten Kamera Geschichten indianischen Lebens. Und Orvil will zum ersten Mal den Tanz der Vorfahren tanzen. Ihre Leben sind miteinander verwoben, und sie sind zum großen Powwow in Oakland gekommen, um ihre Traditionen zu feiern. Doch auch Tony ist dort, und Tony ist mit dunklen Absichten gekommen. „Dort Dort“ ist ein bahnbrechender Roman, der die Geschichte der Native Americans neu erzählt und ein Netz aufwühlend realer Figuren aufspannt, die alle an einem schicksalhaften Tag aufeinandertreffen. Man liest ihn gebannt von seiner Wucht und seiner Schönheit, bis hin zum unerbittlichen Finale.
Haymon
Christoph W. Bauer – Niemandskinder 184 Seiten, gebunden, € 19,90
Ein Buch über Kindheiten, Liebe und Verlust
Das Jahr 2015 ist wenige Tage alt, als Paris von einem Terroranschlag erschüttert wird, der die Seele der Stadt über Nacht verändert. Mittendrin ein junger Historiker, auf der Suche nach einer vergangenen Liebe. Es ist über zehn Jahre her, dass Samira und er getrennte Wege gegangen sind. Wohin er auch kommt, erfassen ihn Erinnerungen an die gemeinsame Zeit. Dabei ist es vordergründig eine andere Frau, der er auf der Spur ist – Marianne, Kind einer österreichischen Mutter und eines marokkanischen Vaters, aus demselben kleinen Ort in den Alpen wie er stammend, jedoch seit bald vier Jahrzehnten vermisst. Eine Zeitungsmeldung mit ihrem Bild hat ihn elektrisiert: Ihr Gesicht ähnelt dem Samiras frappierend … Das gegenwärtige Frankreich in atmosphärisch dichten Bildern
Es sind Niemandskinder ganz unterschiedlicher Art, denen Christoph W. Bauer in seinem Roman nachspürt – verdrängt aus der Ordnung der Welt, gebunden an eine fremde Vergangenheit, vergessen für eine lebenswerte Zukunft. Ein Reigen von Abwesenden, während im Hintergrund sich eine weitere Hauptfigur erhebt: ein Paris zwischen dem Glanz seines Zentrums und der Düsternis seiner Peripherie, gezeichnet von der Bedrohung des Terrors im Alltag.
Hoffmann und Campe
07.10.2019
Véronique Olmi – Bakhita
Pappband, 448 Seiten, € 24,00
Sieben Jahre alt ist Bakhita, als sie aus ihrem Dorf im Sudan entführt wird. Damals heißt sie noch anders, doch die Erinnerung an ihren Namen verblasst mit jedem Jahr, in dem sie verschiedenen Herren dienen muss. Die Freundschaft mit Binah ist ihr in dieser Zeit der größte Halt, obwohl das Mädchen nicht Bakhitas Sprache spricht. Als ein italienischer Konsul Bakhita kauft, erkennt die junge Frau ihre Chance, das Schicksal zu wenden: Sie setzt alles daran, mit ihm nach Italien zu kommen. Hier hört sie erstmals von Jesus Christus und beschließt, dem „gekreuzigten Sklaven“ als einzigem Herrn zu dienen. Doch selbst als die Menschen sich an den Anblick der schwarzen Nonne gewöhnen, stehen die Spuren der Vergangenheit Bakhita ein Leben lang auf den Körper geschrieben und erinnern sie an die Familie, die sie hinter sich lassen musste. Josephine Bakhita (1869–1947) wurde von Johannes Paul II. heiliggesprochen. Véronique Olmi zeichnet das ergreifende und zugleich erhebende Porträt einer Frau, der es gelingt, allen Härten zum Trotz ihr eigenes und das Leben anderer zu retten.
Kein&Aber
13. August 2019
Jamel Brinkley – Unverschämtes Glück
Hardcover, 352 Seiten, 22,00 EUR
Jamel Brinkley erkundet die aufgeladenen Beziehungen zwischen Männern, die sich im Spannungsfeld zwischen Pflicht und Verlangen bewegen. Auf ihrer Suche nach Momenten des Glücks und familiärer Geborgenheit spüren seine Figuren die Wucht und die Zärtlichkeit eines ambivalenten Umfelds. Zwei Studenten erscheinen auf einer Party, um dort Frauen zu treffen, werden aber mit der unangenehmen Wahrheit ihrer eigentlichen Wünsche konfrontiert. Ein kleiner Junge, dessen Vater vermisst wird, verbringt in rasender Wut über einen schlechten Haarschnitt die ganze Nacht draußen. Und bei einer Capoeira-Veranstaltung kämpfen zwei Brüder mit ihrer schmerzhaften Familiengeschichte.
Kiepenheuer & Witsch
22.08.2019
ERIK FOSNES HANSEN – Ein Hummerleben 384 Seiten, gebunden mit SU, 24,00 €
Ein Roman über den 13-jährigen Sedd, der in einem norwegischen Berghotel bei seinen Großeltern aufwächst. Eine Geschichte über Lügen und Geheimnisse, falsche Erwartungen und großelterliche Liebe. Ein Hotel hoch oben im norwegischen Fjell in den 1980er-Jahren. Sedd wächst bei seinen Großeltern auf. Über seinen Vater weiß er nicht viel, die Mutter ist verschollen. Liebevoll, aber bestimmt wird er von den Großeltern – der Großvater ist nebenbei Tierpräparator, die Großmutter stammt aus Wien – auf seine Rolle als künftiger Hotelerbe vorbereitet. Er hilft als Laufbursche, Küchenjunge und Tourenbetreuer aus und verinnerlicht den Leitsatz »Jeder einzelne Gast zählt« bereits im zarten Kindesalter. Zufluchtsort ist für ihn die Großküche des Hotels, in der der ehemalige Seefahrer Jim schaltet und waltet und für Sedd Vater, Mutter und Freund zugleich ist, wenn die Großeltern keine Zeit für ihn haben. Doch spätestens, als der Bankdirektor Berg bei einem Essen stirbt, zeigen sich erste Risse in der vermeintlichen Idylle.
DANA VON SUFFRIN – Otto 240 Seiten, gebunden mit SU, 20,00 €
In ihrem Romandebüt erzählt Dana von Suffrin, was es heißt, wenn ein starrköpfiger jüdischer Familienpatriarch zum Pflegefall wird. Und wie schwer es fällt, von einem Menschen Abschied zu nehmen, den man sein ganzes Leben eigentlich loswerden wollte. Für sein Umfeld war Otto, der pensionierte Ingenieur, schon immer eine Heimsuchung. Aber als er aus dem Krankenhaus zurückkehrt, ist alles noch viel schlimmer. Nach wie vor ist er aufbrausend, manipulativ, distanzlos und von wahnwitzigen Einfällen beseelt – aber jetzt ist er auch noch pflegebedürftig. Seinen erwachsenen Töchtern macht er unmissverständlich klar: Ich verlange, dass ihr für mich da seid. Und zwar immer! Für Timna und Babi beginnt ein Jahr voller unerwarteter Herausforderungen, aber auch der Begegnung mit der eigenen Vergangenheit und Familiengeschichte, die so schräg ist, dass Außenstehende nur den Kopf schütteln können. Klug, liebevoll und mit sehr viel schwarzem Humor erzählt Dana von Suffrin, wie Timna versucht, ihre dysfunktionale Familie zusammenzuhalten, ohne selbst vor die Hunde zu gehen. »Otto« ist Hommage und zugleich eine Abrechnung mit einem Mann, in dessen jüdischer Biografie sämtliche Abgründe des 20. Jahrhunderts aufscheinen.
Klett-Cotta
24.08.2019
Steve Sem-Sandberg – Der Sturm
272 Seiten, gebunden, € 22,00
Norwegen, Ende der 1990er: Andreas kehrt zurück auf die Insel, auf der er seine Kindheit verbrachte, um das Anwesen seines verstorbenen Adoptivvaters Johannes aufzulösen. Mitten im Durcheinander findet er Spuren, die auf die bewegte Vergangenheit der Insel hinweisen und mit seiner nicht begleichbaren Schuld im Zusammenhang stehen. »Der Sturm« von Sem-Sandberg besticht durch seine einnehmende, poetische, kristallklare Sprache
Kunstmann
11.09.2019
Valeria Luiselli – Archiv der verlorenen Kinder Hardcover, 400 Seiten, € 25,00
Eine Familie aus New York bricht zu einer Reise auf. Das Ziel ist Apacheria, das Land, in dem einst die Apachen zu Hause waren. Gleichzeitig sind Tausende von Kindern aus Südamerika auf dem Weg in den Norden. Meisterhaft verknüpft Archiv der verlorenen Kinder Reise und Flucht zu einem vielschichtigen Roman voller Echos und Reflektionen.
Liebeskind
26.08.2019
Alain Mabanckou – Petit Piment
von Hardcover, ca. 272 Seiten, € 20,00
Kongo, Anfang der Siebzigerjahre. Der dreizehnjährige Moses, genannt »Petit Piment« (nachdem er zwei Mitschülern Chilipulver ins Essen gemischt hat), wächst im Waisenhaus auf. Sein großes Vorbild ist Papa Moupelo, der jeden Samstag vorbeikommt, um die Bibelstunde abzuhalten. Doch dann wird die Sozialistische Revolution ausgerufen, der christliche Glaube gilt auf einmal als Opium fürs Volk und aus Moses soll ein vorbildlicher Pionier der Bewegung werden. Der Schulleiter Dieudonné Ngoulmoumako ergreift die Gelegenheit, Posten mit Parteikadern zu besetzen, die merkwürdigerweise allesamt aus seiner Familie stammen und fortan die Schüler terrorisieren. Zusammen mit zwei Kameraden nimmt Moses Reißaus. Er flieht nach Pointe-Noire, findet Unterschlupf in einem Freudenhaus und schließt sich einer Gang von Straßenkindern an. Von nun an sieht er sich als kongolesischer Robin Hood, der von den Reichen nimmt, um den Armen zu geben … Unnachahmlich wandelt Alain Mabanckou auf dem schmalen Grat zwischen Komik und Verzweiflung. In »Petit Piment« erzählt er von den Abenteuern eines Waisenjungen, der früh erfahren muss, dass nicht jeder Weg auf den Pfad der Tugend führt – und dass Gerechtigkeit fast immer das Recht des Stärkeren ist.
Luchterhand
02.09.2019
Peter Henning – Die Tüchtigen Hardcover mit Schutzumschlag, ca. 500 Seiten, € 24,00
Die erfolgreiche Unterhaltungsschriftstellerin Katharina Weskott wird fünfzig und sieht das mit gemischten Gefühlen. Wird sich ihr Leben, ihre Selbstwahrnehmung durch diesen Einschnitt verändern? Wie werden andere sie sehen? Um Abstand zu bekommen und gebührend zu feiern, lädt sie gemeinsam mit ihrem Mann drei befreundete Paare für ein Wochenende in ein Luxushotel im niederländischen Zandvoort ein. In rasant wechselnden Perspektiven entrollt der Roman die Geschichten von acht Menschen, die jeder für sich am Scheideweg angelangt sind, getrieben von der Frage: Was ist noch möglich? Können sie noch einmal durchstarten? Oder droht der gesellschaftliche Abstieg? Acht Menschen, deren Leben sich innerhalb von 72 Stunden für immer verändern – eingefangen in mitreißenden Geschichten, verdichtet zu einem Gesellschaftspanorama dieser Jahre.
19.08.2019
Christiane Neudecker – Der Gott der Stadt Hardcover mit Schutzumschlag, 672 Seiten, € 24,00
Am Anfang steht der Tod. Jemand ertrinkt zwischen geborstenen Eisschollen im Wannsee, eine Leiche baumelt von der Decke eines Theaters. Die Todesfälle liegen Jahrzehnte auseinander, doch es ist der gleiche Todestag: der 16. Januar. 1912 ertrank Georg Heym beim Schlittschuhlaufen, Mitte der 1990er Jahre werden an einer elitären Ost-Berliner Theaterhochschule im wiedervereinten Berlin die Novizen von ihrem Professor auf das verrätselte Faust-Fragment Heyms angesetzt. Dann wird ein Toter auf der Probebühne der Schule gefunden. War es Mord, Selbstmord oder doch ein Teufelspakt?
21.10.2019
Ali Smith – Herbst Hardcover mit Schutzumschlag, ca. 260 Seiten, € 22,00
Im Herbst 2016 ist Daniel ein Jahrhundert alt. Elisabeth, Anfang 30, kennt ihn von früher, der Nachbar hat sie als Kind mit der Kunst bekannt gemacht. Jetzt besucht sie ihn im Altersheim, liest ihm Bücher vor und fragt sich, was die Zukunft bringen mag. Denn England hat einen historischen Sommer hinter sich, die Nation ist gespalten, Angst macht sich breit. Der erste Roman aus Ali Smiths Jahreszeitenquartett erzählt von einer Welt, die immer abgeschotteter und exklusiver wird, über das Wesen von Reichtum und Wert, über die Bedeutung der Ernte. Und er erzählt vom Altern, von der Zeit und von der Liebe. Von uns.
Mare Verlag
20.08.2019
Line Madsen Simenstad – Königin-Maud-Land ist geheim Storys
Hardcover, 128 Seiten, € 18,00
Auf einem sommerlichen Steg in den Schären teilen zwei Schwestern ihre Geheimnisse, kurz bevor eine von ihnen die Insel der gemeinsamen Kindheit verlässt. Ein Vater liegt im Sterben wie ein roter Riesenstern vor der Implosion, während seine Tochter neben ihm wacht. Eine Mutter beschützt ihr Kind vor der trüben Welt, vor der sie selbst am meisten Schutz bedürfte. Eine Tochter und ihre Hündin sind der einzige Anker des Vaters in einer dunklen Silvesternacht. Eine junge Frau vertraut sich bei einer nächtlichen Taxifahrt durch Oslo einem Fremden an.
Unbestechlich nüchtern und zugleich voll melancholischer Poesie schreibt Line Madsen Simenstad in den fünf Storys ihres in Norwegen hochgelobten Debüts über die Distanz zwischen Menschen, über ihre Träume und Albträume, über ihre Sehnsucht nach Nähe und Momente voller Schmerz.
Matthes & Seitz
02.08.2019
Yevgenia Belorusets – Glückliche Fälle 160 Seiten, Gebunden, 20,00 €
Gespräche und Begegnungen sind das Material, mit dem Yevgenia Belorusets in einer eindringlichen Sprache und mit fotografischem Blick das Bild eines Landes einfängt, in dem Krieg herrscht und die unverwüstliche Alltagsroutine zur Groteske verkommt. Sie heißen Swetlana, Lena oder Xenia. Sie arbeiten im Nagelstudio, plaudern im Café oder bereiten die Revolution vor. Das Leben von Belorusets ukrai- nischen Protagonistinnen geht seinen Gang, in den Städten wie auf dem Land. Nur selten, schemenhaft, schieben sie sich in die äußeren Winkel des vom Alltag ausgefüllten Blickfelds – die Bürgerwehren, die Soldaten, das Blut. Die Realität des seit Jahren in der Ostukraine schwelenden Kriegs sickert langsam, aber stetig in das Leben der Menschen, an dem uns Belorusets’ in teils hyperrealistisch detaillierten, teils traumartigen und oft absurden Szenen teilhaben lässt. So eröffnet sich das Panorama einer Gesellschaft, die den Ausnahmezustand als Normalität akzeptiert hat.
30.08.2019
Sandra Newman – Ice Cream Star 700 Seiten, Gebunden, 28,00 €
Auf der Suche nach einem Gegenmittel für eine Grippeepidemie, die sie durch die Reste einer vergangenen Zivilisation führt, erlebt eine unerschrockene Heldin Fanatismus, Gier und sinnlose Gewalt genauso wie Loyalität, Güte und Hoffnung. Eine sprachmächtige Irrfahrt durch die höchsten Höhen und finstersten Abgründe des Menschseins. In einer nicht allzu fernen Zukunft sorgt eine Pandemie dafür, dass in Amerika die Weißen vollständig aussterben, während die Schwarzen höchstens 18 Jahre alt werden. Die Welt von Ice Cream Star ist eine Welt der Kinder, die mit Findigkeit und Witz die Ruinen der heutigen Welt umdeuten und für ihre Zwecke nutzen. Mit 15 Jahren gehört Ice Cream schon zur älteren Generation, als sie zur Anführerin berufen wird, um über das Schicksal ihrer Leute zu entscheiden. Fest entschlossen, ein Heilmittel zu finden, führt ihr Weg sie von den Wäldern Massachusetts’ bis nach New York, wo katholische Extremisten ein korruptes Regime errichtet haben, an dessen Spitze sie sich bald befindet. Doch der Preis für diesen unverhofften Auf- stieg ist hoch: Ihr treuer Begleiter Pascha – ein Weißer, der behauptet, 30 Jahre alt zu sein – soll am Kreuz sterben, wie alle anderen weißen Männer auf den Darstellungen der Passion Christi. Es folgt eine Odyssee, an der nicht nur ihre Freundschaft, sondern auch Ice Creams sonst unerschütter- licher Optimismus zu zerbrechen drohen.
Merethe Lindstrøm – Tage in der Geschichte der Stille 250 Seiten, Gebunden, 22,00 €
Eva und Simon haben ein schönes und erfülltes Leben: ein großes Haus, drei erwachsene Töchter, verdienter Ruhestand nach erfolgreichen Karrieren als Lehrerin und Arzt. Doch als Simon aufhört zu sprechen, beginnt die Vergangenheit an Eva zu nagen. Bedingt durch die Stille, die mit Simons Rückzug entsteht, macht sie sich auf die Suche im Gespräch mit sich selbst nach den verschwiegenen Flecken in ihren beiden Leben. Sie versucht sich zu öffnen, sich der Isolation und Stille zu entziehen, in der sie schon viel länger leben, als sie es sich eingeste- hen will. Sie sucht das Gespräch mit dem örtlichen Priester, arbeitet allein an ihrer Erinnerung und plötzlich tauchen einzelne Bilder auf, werden für sie wieder greifbar: der mysteriöse Einbrecher damals, als die Kinder noch klein waren, die jähe Entlassung der ehemaligen Hausangestellten, die ihnen doch beiden so nah stand. Doch während Eva ihrer eigenen Lebensgeschichte näher kommt, verschwindet Simon in sich selbst, verstummt zusehends, bis er fast kein Wort mehr herausbringt. Eva beginnt zu verstehen, dass seine Erinnerungen andere sind als ihre. Ein für die Poetik seiner Sprache mit dem Kritikerprisen 2011 und dem Literaturpreis des Nordischen Rates 2012 ausgezeichneter Roman, der zwischen Erinnerung und Vergessen oszilliert. Ein Buch über das Schweigen und die Liebe zweier Menschen, die sich am Ende eingestehen müssen, dass es Dinge gibt, die vielleicht immer unaussprechlich bleiben.
27.09.2019
Tomas Espedal – Das Jahr 199 Seiten, Gebunden, 22,00 €
Tomas Espedals neues Buch beginnt an einem 6. April, dem Tag, an dem Petrarca seine Laura zum ersten Mal sah. Ausgehend von dieser unerfüllten Liebe, der Quelle für Petrarcas Liebesgedichte, geht Espedal der Frage nach, ob eine solch große, einzigartige Liebe, die alle Zeiten überdauert, heute noch möglich ist, ob sie überhaupt jemals möglich war. Gemeinsam mit seinem gebrechlichen Vater unternimmt er eine Kreuzfahrt durchs Mittelmeer und bemerkt erst dort, als der Vater aufzublühen scheint, dass er auch ihn bald verlieren wird. In der Liebe seines Vaters für seine verstorbene Mutter wie auch in seiner eigenen Liebe für Janne, die ihn bereits vor Jahren verlassen hat, erkennt Tomas etwas ähnlich Bedingungsloses und Andauerndes wie bei Petrarca. Am Ende waren sie dennoch alle allein. Nicht nur die Erfahrung einer so tiefen Liebe ist lebensverändernd, sondern auch deren Verlust. Wie ist es möglich, angesichts einer so umfassenden Erfahrung weiterzuleben wie bisher? Das Jahr ist Tomas Espedals bisher poetischstes Buch. Es handelt von den großen und einschneidenden Erfahrungen: Liebe, Verlust, Krieg, Tod, von Altern und Verzweiflung, von Stagnation und der ewigen Wiederholung des Immergleichen. Und von der Kraft der Literatur, die es vermag, uns durch die dunkelsten Zeiten zu retten.
Penguin
23.09.2019
Tommi Kinnunen – Das Licht in deinen Augen Hardcover, 368 Seiten, €22,00
Die dunklen Jahre des Zweiten Weltkriegs sind vorbei, und die Menschen in dem abgelegenen Städtchen im hohen Norden Finnlands beginnen wieder an die Erfüllung ihrer Sehnsüchte zu glauben. So auch Helenas Eltern, die dem Mädchen, das früh das Augenlicht verloren hat, ein selbstständiges Leben ermöglichen wollen. Sie schicken das Kind auf eine Blindenschule im tausend Kilometer entfernten Helsinki. Dort findet Helena zur Musik. Als junge Frau nimmt sie all ihren Mut zusammen, bewirbt sich am Sibelius-Institut, und Schritt für Schritt geht sie ihrer Eigenständigkeit entgegen. So wie Tuomas, Helenas Neffe, vier Jahrzehnte später. Auch er lässt seine Familie zurück und damit all die Erwartungen an ihn, die der schwule junge Mann nicht erfüllen will. Kunstvoll verwebt Tommi Kinnunen in diesem fulminanten Familienroman die Schicksale zweier Außenseiter, die hoffen, dass die Menschen eines Tages die Unterschiede nicht mehr sehen, sondern nur noch die Gemeinsamkeiten. Eine ergreifende Geschichte, die vom Mut erzählt, anders zu sein.
Piper
05.08.2019
Edgar Rai – Im Licht der Zeit 352 Seiten, Hardcover, € 22,00
02.09.2019
Giuseppe Tomasi di Lampedusa – Der Leopard
368 Seiten, Hardcover , € 24,00
»Der Leopard« gehört schon bald nach seinem Erscheinen 1958 zur Weltliteratur. Inspiriert von der eigenen Familiengeschichte, gelingt Giuseppe Tomasi di Lampedusa der größte Italienroman unserer Zeit und eine schillernde Hommage an das Europa des 19. Jahrhunderts. Mit melancholischer Ironie schildert er den Niedergang des sizilianischen Adelsgeschlechts um Don Fabrizio, Fürst Salina. Die alte Ordnung ist in Gefahr: Tancredi, der Neffe und Ziehsohn des Fürsten, heiratet die bürgerliche, aber verführerische Angelica – das Ende der Feudalherrschaft kündigt sich an.
Genau sechzig Jahre nach seinem ersten Erscheinen in Deutschland hat »Der Leopard« nichts von seiner Aktualität verloren und zieht die Leser noch immer in seinen Bann.
Residenz
24.09.2019
Abubakar Adam Ibrahim – WO WIR STOLPERN UND WO WIR FALLEN gebunden, 320 Seiten, € 24,00
In kräftigen Farben und zarten Tönen erzählt Ibrahim von einer verbotenen Liebe in Zeiten politischen Aufruhrs. Für den Drogendealer Reza ist der Einbruch in das Vorstadthäuschen der Witwe Binta Zubairu bloß die Routine eines heißen Vormittags. Einen Herzschlag später wissen beide: Das, was hier geschieht, dürfte nicht sein. Die Anziehungskraft, die sie erfasst, das Begehren, das ihnen selbst ein Rätsel bleibt, verstößt gegen alle Regeln der traditionellen muslimischen Gesellschaft der Stadt Jos. Und doch: Vor dem Hintergrund der politischen und religiösen Gewalt in Nigeria entfaltet sich die sinnliche, kämpferische und verzweifelt unmögliche Liebesgeschichte zwischen einer alternden Frau, die ihren Sohn verloren hat, und dem um 30 Jahre jüngeren Anführer der Gang des Viertels. Ein üppig erzählter Roman, das lebendige Porträt einer zwischen Tradition und Moderne zerrissenen Gesellschaft – und ein Tabubruch.
Rowohlt
20.08.2019
Steffen Kopetzky – Propaganda Rowohlt Berlin, gebunden, € 25,00, 496 Seiten
John Glueck ist im Krieg. Tief in Deutschland, im dunklen Hürtgenwald in der Eifel, 1944. Vor kurzem noch war er Student in New York, voller Liebe zur deutschen Kultur seiner Vorfahren; dann, als Offizier bei Sykewar, der Propaganda-Abteilung der US-Army, traf Glueck in Frankreich sein Idol Ernest Hemingway. Für ihn zieht Glueck in den scheinbar unbedeutenden, doch von der Wehrmacht eisern verteidigten Hürtgenwald bei Aachen. Er entdeckt das Geheimnis des Waldes, als eine der größten Katastrophen des Zweiten Weltkriegs beginnt: die «Allerseelenschlacht» mit über 15 000 Toten. Was kann John Glueck noch retten? Sein Kamerad Van, der waldkundige Seneca-Indianer? Seine halsbrecherischen Deutschkenntnisse? Ein Wunder?
Niemand trat unverändert wieder aus dem «Blutwald» heraus, den die Ignoranz der Generäle zu einem Menetekel auch folgender Kriege machte. Zwanzig Jahre später, in Vietnam, erfährt John Glueck: Die Politik ist zynisch und verlogen wie eh und je. Er wird handeln, und sein Weg führt von der vergessenen Waldschlacht direkt zu den Pentagon-Papers.
Steffen Kopetzkys großer Roman spannt einen gewaltigen Bogen vom Zweiten Weltkrieg bis hin zu Vietnam. Ungeheuer spannend erzählt er von Krieg und Lüge, und von einem Mann, der alle falsche Wahrheit hinter sich lässt.
08.10.2019
Eugen Ruge – Metropol gebunden, 432 Seiten, € 24,00
Nach dem internationalen Erfolg von „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ kehrt Eugen Ruge zurück zur Geschichte seiner Familie – in einem herausragenden zeitgeschichtlichen Roman.
Moskau, 1936. Die deutsche Kommunistin Charlotte ist der Verfolgung durch die Nationalsozialisten gerade noch entkommen. Im Spätsommer bricht sie mit ihrem Mann und der jungen Britin Jill auf zu einer mehrwöchigen Reise durch die neue Heimat Sowjetunion. Die Hitze ist überwältigend, Stalins Strände sind schmal und steinig und die Reisenden bald beherrscht von einer Spannung, die beinahe körperlich greifbar wird. Es verbindet sie mehr, als sich auf den ersten Blick erschließt: Sie sind Mitarbeiter des Nachrichtendienstes der Komintern, wo Kommunisten aller Länder beschäftigt sind. Umso schwerer wiegt, dass unter den „Volksfeinden“, denen gerade in Moskau der Prozess gemacht wird, einer ist, den Lotte besser kennt, als ihr lieb sein kann.
„Metropol“ folgt drei Menschen auf dem schmalen Grat zwischen Überzeugung und Wissen, Loyalität und Gehorsam, Verdächtigung und Verrat. Ungeheuerlich ist der politische Terror der 1930er Jahre, aber mehr noch: was Menschen zu glauben imstande sind. „Die wahrscheinlichen Details sind erfunden“, schreibt Eugen Ruge, „die unwahrscheinlichsten aber sind wahr.“ Und die Frau mit dem Decknamen Lotte Germaine, die am Ende jenes Sommers im berühmten Hotel Metropol einem ungewissen Schicksal entgegensieht, war seine Großmutter.
15.10.2019
Stewart O’Nan – Henry persönlich gebunden, 528 Seiten, € 24,00
Stewart O’Nan zeigt sich als ein Meister darin, das Leben eines gar nicht so besonderen Mannes und Ehemannes auf eine zärtliche, einfühlsame Weise zu beschreiben.
Seit fast fünfzig Jahren ist Henry Maxwell verheiratet – mit Emily, die wir schon aus O’Nans hinreißendem Bestseller „Emily, allein“ kennen. Da ist sie achtzig und schon Jahre verwitwet, führt in ihrem schönen, überschaubaren Routine-Universum ein ziemlich gleichförmiges Leben, allein mit Rufus, ihrem Hund. Nun hat O’Nan die Zeit zurückgedreht und Henry, dem Ehemann, ein eigenes Buch gewidmet, vielmehr ihm und Emily als Ehepaar.
Die beiden leben in Pittsburgh, und ihre Kinder und Enkel sind weit entfernt. Emily kocht, und Henry macht den Abwasch, sie hält die Kontakte zu Nachbarn und Familie, und wenn sie ihm davon erzählt, hört er ihr immer gerne zu. Er steht an seiner Werkbank und repariert, was im Haus kaputt geht, trifft sich mit Freunden zum Golfen, engagiert sich im Kirchenvorstand und lädt – zu besonderen Anlässen – Emily zu Restaurantbesuchen ein. Ein mit viel Puderzucker bestreuter Zitronenkuchen macht ihn glücklich, erfüllt ihn mit Wohlwollen gegenüber der ganzen Welt.
„Henry persönlich“ ist das Porträt eines liebenswert-verschrobenen Mannes, der am Ende seines Lebens erkennt, dass das Alter nicht etwa eine Sackgasse, sondern voller Überraschungen ist.
19.11.2019
James Wood – Upstate gebunden, € 22,00, 304 Seiten
Alan Querry, ein erfolgreicher Bauentwickler aus Nordengland, hat zwei Töchter: Vanessa ist Philosophin und lehrt in Saratoga Springs, New York; Helen arbeitet für ein internationales Musiklabel mit Sitz in London. Die Schwestern haben sich nie richtig von der bitteren Trennung ihrer Eltern und dem frühen Tod ihrer Mutter erholt, vor allem Vanessa nicht, die immer wieder in Depressionen verfällt. Beim jüngsten Schub fliegen Alan und Helen nach Saratoga Springs. Im Verlauf von sechs Wintertagen upstate beginnen die Querrys mit den Fragen zu ringen, die diesen Roman so eindringlich machen: Warum fällt manchen Menschen das Leben so viel schwerer als anderen? Kann Glücklichsein gelernt werden, oder wird man einfach so geboren? Hilft nachdenken? Wenn, wie Vanessas Lieblingsphilosoph sich ausdrückt, „das Leben selbst das einzig ernsthafte Unternehmen“ ist, wie sollten wir dann leben?
„Upstate“ ist ein tiefgründiger Roman, reich an menschlicher Einsicht, fein gezeichneten Charakteren und voll mit jenen Dingen, die uns in unseren stillsten Momenten beschäftigen.
28.01.2020
Davide Longo – Die jungen Bestien gebunden, 432 Seiten, € 22,00
Ein neuer Kriminalfall aus Piemont, in dem der schweigsame Bergkauz und heimliche Menschenkenner Corso Bramard ermittelt: Bei dem Bau einer Bahnschnellstrecke zwischen Mailand und Turin werden die Überreste von zwölf Leichen gefunden, und eine Spur führt in die Zeit des italienischen Terrorismus, der Brigate Rosse.
Im Turiner Herbst 1977 hatten ein paar Jugendliche den Parteisitz der rechten MSI in Brand gesetzt. Dabei war ein Mann ums Leben gekommen, der sich nachts in den Räumen aufhielt. Wussten die Jugendlichen, dass ein Mensch im Gebäude war? War alles nur ein Spiel der jungen Leute, in jenen aufgeheizten Zeiten, oder wollten sie wirklich einen Mord begehen? Niemand kennt die Antwort, die Jugendlichen sind seitdem spurlos verschwunden.
Fast vierzig Jahre später suchen zwei Kommissare und ihr ehemaliger Kollege Corso Bramard nach einer Verbindung zu jenem Fall. Die Drei geraten in einen schier unbezwingbaren Strudel aus italienischer omertà und Lüge. Und doch nähern sie sich beharrlich einer Wahrheit, die von der Politik unter den Teppich gekehrt wurde.
Schöffling
27.08.2019
Miljenko Jergović – Ruth Tannenbaum
448 Seiten. Gebunden. € 26,00
Salomon Tannenbaum bezieht 1920 Prügel auf die Fußsohlen, weil er nicht mit den Empfindlichkeiten des noch jungen Königreichs Jugoslawien rechnet. Seither sitzt ihm die Angst in den Knochen. 1928 heiratet er die Frau mit den größten Augen, die Zagreb je gesehen hat, und wenig später wird Töchterchen Ruth geboren, deren Augen noch größer sind und die eines Tages wegen dieser Augen zum Kinderstar am Zagreber Nationaltheater wird. Als kroatische Shirley Temple feiert sie wahre Triumphe, Triumphe, die nicht nur ihr, sondern der ganzen Familie zu Kopf steigen. Als die Deportationen beginnen, ist es aus mit dem Ruhm und bald auch mit dem Leben.
Miljenko Jergović gelingt mit »Ruth Tannenbaum« ein fantastischer Roman über eins der finstersten Kapitel nicht nur der jugoslawischen Geschichte. Er setzt damit zugleich Lea Deutsch ein Denkmal, deren totgeschwiegenes Schicksal ihm den Anstoß zum Schreiben gab. Es ist das international erfolgreichste Buch dieses innerhalb wie außerhalb seiner Heimat bedeutenden Erzählers
Horst Krüger – Das zerbrochene Haus
220 Seiten. Gebunden. € 22,00
Das zerbrochene Haus« ist Horst Krügers Bilanz seiner Jugend in Berlin im nationalsozialistischen Deutschland, ein Bekenntnis und eine scharfsichtige Analyse des verführten deutschen Kleinbürgertums.
Horst Krüger, der sich selbst als »typischen Sohn jener harmlosen Deutschen, die niemals Nazis waren und ohne die die Nazis ihr Werk nie hätten tun können«, charakterisiert, zieht Bilanz, weil er wissen möchte, »wie das damals war unter Hitler«. »Das zerbrochene Haus« ist ein zeitloses, ein gültiges Buch, das zum 100. Geburtstag wieder aufgelegt wird, versehen mit einem Nachwort von Martin Mosebach, der Horst Krüger eng verbunden war.
Peter Kurzeck – Als Gast
Das alte Jahrhundert 2
450 Seiten. Gebunden. € 28,00
Frankfurt am Main im März 1984. Noch kein Frühling. Als Gast zieht der heimatlose Erzähler vorübergehend in eine kleine Dachwohnung in der Eppsteiner Straße. Freundliche Eltern aus Carinas Kinderladen haben ihn dazu eingeladen. Erzähl Peta, erzähl!, sagt die 4 ½-jährige Tochter. Und so drängen sich in die Gegenwart immer neue Geschichten aus der Nachkriegszeit. Ein Krieg, der im Bewusstsein des Erzählers nie aufgehört hat. Was er in diesem Frankfurter März erlebt, schildert er genauso forschend und einkreisend, wie er seine Erinnerungen wieder aufleben lässt.
In »Als Gast«, das jetzt als Neuausgabe bei Schöffling & Co. erscheint, hat Peter Kurzeck sein mit dem Roman »Übers Eis« (2003) begonnenes mehrbändiges Projekt »Das alte Jahrhundert« fortgeschrieben: Die minutiöse Beschreibung von Wirklichkeit setzt einen kunstvollen Strom von Erinnerungen, Wahrnehmungen und Assoziationen frei. Über die Autobiographie hinaus entsteht so eine poetische Chronik, eine Stadt- und Zeitgeschichte, ein Buch über Deutschland.
Peter Kurzeck – Der vorige Sommer und der Sommer davor
Das alte Jahrhundert 7
650 Seiten. Gebunden. Lesebändchen. € 32,00
Im siebten Band der autobiographisch-poetischen Chronik »Das alte Jahrhundert« führt uns Peter Kurzeck in einer großen Rückblende in den Sommer 1983 und den Sommer davor. Früh im Juni trampen der Erzähler, Freundin Sibylle und Tochter Carina nach Barjac in Südfrankreich. Sein Freund Jürgen hat dort zusammen mit Pascale ein kleines Restaurant aufgemacht. Sie bleiben ein paar Tage, und weiter geht es per Autostopp nach Saintes-Maries-de-la-Mer. Ein Buch über den Süden, über Arles, die Camargue mit ihren Pferden, Stieren, Flamingos, den Markt und das Meer. Ein Buch über das Trampen und dann den Restsommer in Frankfurt, den griechischen Biergarten in Bockenheim, den Ausflug ins Mainfränkische. Ein Buch über fragiles Glück, eingefangen im Blick auf das Alltägliche, das Kurzeck durch seinen einzigartigen Ton zum Leuchten bringt.
Secession
13.09.2019
Marie Darrieussecq – Hiersein ist herrlich
Das Leben Paula Modersohn-Beckers
Die hier vorliegende Biografie, die Marie Darrieussecq Paula Modersohn-Becker widmet, nimmt sämtliche Elemente auf, die den kurzen Lebensweg der Künstlerin markieren. Doch sie zeichnet sie in einem zugleich weiblichen und literarischen Licht. Sie zeigt voller Lebendigkeit und Einfühlungsvermögen den Kampf dieser Frau inmitten der Männer und Künstler ihrer Zeit, ihre Freundschaften, vor allem jene mit Rainer Maria Rilke, und nicht zuletzt ihren unbedingten Wunsch nach Ausdruckskraft und Unabhängigkeit, auf den sie insbesondere insistierte.
S.Fischer
28.08.2019
Petina Gappah – Aus der Dunkelheit strahlendes Licht
464 Seiten, gebunden, € 24,00
Ein großer Roman über ein unbekanntes Stück afrikanischer Kolonialgeschichte, fiktionalisiert zu einer spannenden Abenteuerreise – erzählt von einer der aufregendsten Stimmen unserer Gegenwart. Seit ihrer Jugend ist Petina Gappah von der Geschichte um David Livingstone besessen – dem berühmten schottischen Missionar und Afrikaforscher, der sich des großen geografischen Rätsels seiner Zeit verschrieben hatte, der Entdeckung der Nilquellen. Aus Faszination wurde ein Roman: Als Livingstone 1873 auf der Suche stirbt, will seine treue Gefolgschaft seinen Leichnam in seine Heimat zurückbringen. So machen sich 69 Gefährten auf den wagemutigen Weg, ihn quer durch Afrika zu tragen, angeführt von einer jungen Frau – Halima, Livingstones scharfzüngiger Köchin. Es ist eine abenteuerliche und lebensbedrohliche Reise über 1.000 Meilen, auf der ihnen Hunger, Krankheit und Tod begegnen – und immer wieder die Frage: Wie weit sind wir bereit für unsere Freiheit zu gehen?
11.09.2019
Alexander Osang – Die Leben der Elena Silber
624 Seiten, gebunden, € 24,00
Alexander Osang schreibt den großen Roman seiner Familie – es ist der Roman des 20. Jahrhunderts.
Russland, Anfang des 20. Jahrhundert. In einer kleinen Provinzstadt östlich von Moskau wird der Revolutionär Viktor hingerichtet. Wie eine gewaltige Welle erfasst die Zeit in diesem Moment Viktors Tochter Lena. Sie heiratet den deutschen Textilingenieur Robert Silber, folgt diesem 1936 nach Berlin und Schlesien, wo sie den Zweiten Weltkrieg überleben. Aber dann verschwindet Robert in den Wirren der Nachkriegszeit, und Lena muss vier Töchter alleine durchbringen. Sie sollen den Weg weitergehen, den Lena begonnen hat zu gehen – hinaus aus einem zu engen Leben, weg vom Unglück. Aber stimmt diese Geschichte, wie Lena sie ihrer Familie erzählt hat?
2017, mehr als zwanzig Jahre nach Lenas Tod, macht sich ihr Enkel, der Filmemacher Konstantin Stein, auf den Weg nach Russland. Er will die Geschichte des Jahrhunderts und seiner Familie verstehen, um sich selbst zu verstehen.
09.10.2019
Ulrich Tukur – Der Ursprung der Welt
256 Seiten, gebunden, € 22,00
Das ist nicht mehr die Welt von Paul Goullet: Er, der alte Bücher und Bilder liebt, die Schönheit, den Traum und die Phantasie, findet sich in einer Zeit, in der das Chaos herrscht und die Algorithmen. Um den den düsteren Zeiten zu entfliehen, reist er nach Paris und findet bei seinen Spaziergängen durch die Stadt plötzlich etwas Unerhörtes: ein altes Fotoalbum, dessen Bilder ihn selbst zu zeigen scheinen, inmitten eleganter Damen und Herren aus den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts. Fasziniert setzt sich Goullet auf die Fährte seines Doppelgängers und reist nach Südfrankreich, wo er eine erschreckende Erfahrung macht: Immer wieder scheint er die Zeit zu wechseln und sich in den Mann aus dem Fotoalbum zu verwandeln. Und die Hinweise mehren sich, dass dieser ein furchtbares Geheimnis hat.
STeidl
26.09.2019
Marcus Conway hat sich bemüht, ein guter Mensch zu sein und doch vieles falsch gemacht, hat Erwartungen geweckt und enttäuscht, Träume gehegt und aufgegeben, fühlte sich zum Priester berufen und ist doch Ingenieur geworden. Er hat seine Frau betrogen und wiedergewonnen, er liebt seine erwachsenen Kinder, tut sich aber schwer damit zu akzeptieren, was sie so treiben. Nun steht er an einem grauen Novembertag in seiner Küche, und alles ist auf seltsame Weise anders. Er hört Radio, liest Zeitung, genau wie sonst, nur wird er das Gefühl nicht los, dass die Welt kurz vor dem Kollaps steht, und dass das irgendwie auch mit ihm zu tun hat.
Marcus Conway erinnert sich an sein Leben mit der Präzision eines Ingenieurs und dem feinen Gespür eines Dichters. Mike McCormacks ungewöhnlicher Roman über einen gewöhnlichen Mann entfaltet einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Er schärft den Blick für das scheinbar Alltägliche und zeigt, dass die vielleicht einzig angemessene Reaktion auf unser Dasein das Staunen ist.
Suhrkamp
12.08.2019
Gøhril Gabrielsen – Die Einsamkeit der Seevögel Gebunden, 170 Seiten, € 20,00
Eine Wissenschaftlerin reist mitten im Winter nach Finnmark, dem äußersten Zipfel Norwegens. Dort möchte sie das Schwinden der Zugvögelpopulationen und die Klimaveränderungen untersuchen. Fern jeder Zivilisation findet sie Freiheit und Luft zum Atmen, nach der sie sich in ihrer gescheiterten Ehe so gesehnt hatte. Ganz allein, umgeben von endlosem Schnee, tosendem Meer und rauen Naturgewalten, wartet sie auf die Ankunft der Vögel. Und auf ihren Geliebten, der mit ihr die Einsamkeit teilen will. Doch warum verschiebt er seine Ankunft? Woher kommen die seltsamen Geräusche in ihrer Hütte? Und war es der Wind, der ihr über den Körper strich, oder ist sie doch nicht allein?Als die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Wahn, Gegenwart und Vergangenheit immer mehr verschwimmen, muss sie sich endgültig dem stellen, was sie hinter sich gelassen hat. Mit atmosphärischer Sprengkraft und Dichte erzählt Gøhril Gabrielsen von einer Frau, die sich in der Einsamkeit selbst zu verlieren droht – in einer Sprache klar und scharf wie ein Diamant.
09.09.2019
Nora Bossong – Schutzzone
Gebunden, 332 Seiten, € 24,00
Nach Stationen bei der UN in New York und Burundi arbeitet Mira für das Büro der Vereinten Nationen in Genf. Während sie tagsüber Berichte über Krisenregionen und Friedensmaßnahmen schreibt, eilt sie abends durch die Gänge der Luxushotels, um zwischen verfeindeten Staatsvertretern zu vermitteln. Bei einem Empfang begegnet sie Milan wieder, in dessen Familie sie nach der Trennung ihrer Eltern im Frühjahr 94 einige Monate gelebt hat. Die Erinnerungen an diese Zeit, aber auch Milans unentschiedene Haltung zwischen gesuchter Nähe und schroffer Zurückweisung überrumpeln und faszinieren sie zugleich. Als ihre Rolle bei der Aufarbeitung des Völkermords in Burundi hinterfragt wird, gerät auch Miras Souveränität ins Wanken, ihr Glaube, sie könne von außen eingreifen, ohne selbst schuldig zu werden.
Deniz Utlu – Gegen Morgen
Gebunden, 260 Seiten, € 22,00
Als Kara von Berlin nach Frankfurt fliegt, gerät das Flugzeug in ein schweres Gewitter. Im Angesicht des drohenden Absturzes scheint plötzlich Ramón wenige Reihen vor ihm zu sitzen. Ramón, der nie eingeladen war und trotzdem immer kam, der bei Kara und Karas bestem Freund Vince auf dem Sofa in der Küche übernachtete, bis er von einem Tag auf den anderen verschwand. Nach der Notlandung kehrt Kara ruhelos nach Berlin zurück, wo er sich auf die Suche nach Ramón begibt und damit auf die Spuren seiner eigenen Vergangenheit. Er findet den Verlorengeglaubten in einer Plattenbausiedlung und bietet ihm an, in Vince’ ehemaliges Zimmer zu ziehen. Dort bekommt Ramón eines Nachts Besuch von Fremden. Wenig später ist er wieder verschwunden. Dass es diesmal ein Abschied für immer sein könnte, wird Kara bewusst, als er ihm bis nach Paris folgt, dort aber nur mehr eine Stadt in Aufruhr findet.
28.10.2019
Annie Ernaux – Eine Frau
Gebunden, 100 Seiten, € 18,00
Dreizehn Tage nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1986 schreibt Annie Ernaux ein kurzes, schmerzhaftes Requiem. Und lässt die Mutter als Repräsentantin einer Zeit und eines Milieus auferstehen, das auch das ihre war . Das Leben ihrer Mutter: geboren um die Jahrhundertwende in der Normandie, Arbeiterin, dann Ladenbesitzerin, Ehefrau, zweifache Mutter, lebenslustig und offen, Körper und Geist werden später langsam durch Alzheimer zerstört. Das Ende war für die Tochter vorauszusehen, die Wirklichkeit des Todes scheint indessen kaum erträglich. Zeit ihres Lebens kämpfte die Mutter darum, ihren sozialen Status zu erhalten, ihn vielleicht sogar zu überwinden. Erst der Tochter wird dies gelingen, eine Distanz zwischen den beiden entsteht. Auch darauf blickt Annie Ernaux zurück, voller Zärtlichkeit und Abscheu und Schuldgefühl.
Rachel Cusk – Lebenswerk – Über das Mutterwerden
Gebunden, 220 Seiten, € 22,00
Mutterschaft ist eine paradoxe Erfahrung, zugleich prosaisch und rätselhaft, monoton und bizarr, komisch und katastrophisch. Mutterschaft bedeutet, die Hauptrolle in einem dramatischen Schauspiel menschlicher Existenz zu spielen, zu dem allerdings kaum Zuschauer erscheinen. Es ist ein Prozess, in dem sich ein gewöhnliches Leben in ein Chaos aus mächtigen Leidenschaften verwandelt.
Rachel Cusk erzählt ein Jahr aus ihrem Leben als Mutter, und ihr Bericht wird zu vielen Geschichten – zu einem Abgesang auf Freiheit, Schlaf und Zeit, zu einer Lektion in Demut und harter Arbeit, zu einer Reise zu den Urgründen der Liebe, zu einer Mediation über Wahnsinn und Sterblichkeit und zu einer éducation sentimentale über Babys, Stillen, schlechte Ratgeberbücher, Krabbelgruppen und Schreiheulen. Und darüber, niemals, niemals einen Moment für sich selbst zu haben.
Verbrecher Verlag
Philipp Stadelmaier – QUEEN JULY
Hardcover, 160 Seiten, 19,00 €
Ein rekordheißer Sommer in Paris. Eine Badewanne voll von kaltem Wasser, darin: July, weißweintrinkend. Sie stellt Fragen, sie hört zu, sie kommentiert an den richtigen Stellen. Wo wäre Azizas Geschichte besser aufgehoben als bei ihr? Auf dem Fliesenboden neben der Wanne sitzend, nachts, erzählt Aziza jener July, einer Frau, die sie kaum kennt, von ihrem Aufwachsen in Paris – und ihrem Leben in Dschibuti. Seit Jahren versucht sie dort, ihr Pariser Leben und Lieben zu vergessen. Das fällt ihr nicht allzu schwer zwischen dem Job als Anästhesistin im chinesischen Krankenhaus, trockenen Gin Martinis mit dem attraktiven Kollegen aus Addis Abeba, der verwüsteten Hotel-Suite nach den Nächten mit den somalischen Khat-Schmugglerinnen und den Yacht-Touren mit einem Playboy aus Mosambik. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem Strehler sich wieder meldet. Strehler, den Aziza noch aus der Schulzeit in Paris kennt, ihre erste echte Beziehung. Strehler, der sich ihr aus unerfindlichen Gründen immer wieder entzog, der sich damals dann plötzlich und unerwartet von ihr abwandte. Die rätselhaften Lücken in dieser Romanze haben aus Strehler ein Phantom gemacht, das Aziza die Leichtigkeit am Horn von Afrika vermiest. Und so verwickelt sich Aziza zwischen den Welten schon wieder in Schwärmereien, die nur July in ihrer Badewanne zu entwirren vermag. Der Roman »Queen July« ist wie ein französischer Film – ganz leicht erzählt und trotzdem von erstaunlicher Reflektiertheit.
Wallstein
02.09.2019
Kai Weyand – Die Entdeckung der Fliehkraft
170 S., geb., € 20,00
Von Außen betrachtet ist Karls Leben völlig in Ordnung, aber trotzdem hat er das Gefühl, dass alles ins Wanken gerät: Die Nähe zu seiner Frau und seinem Sohn schwindet immer mehr, ihre Gespräche laufen ins Leere, und auch die Beziehung zu seinem pflegebedürftigen Vater ist kompliziert. Zum Nachdenken über sein Leben bringen ihn nicht nur seine Schüler im Gefängnis, sondern auch Homer, ein ganz besonderer Junge, den er täglich auf seinem Weg zur Arbeit trifft. Und dann ist da Karoline, die er gar nicht wirklich kennt, an die er aber immer öfter denken muss. Aus einer spontanen Laune heraus schreibt er ihr und ist von ihrem intensiven Austausch über Schuld, Verantwortung, die Liebe und das Leben selbst überrascht.
Mit wenigen Worten zeichnet Kai Weyand in seinem neuen Roman eigenwillige Figuren und beweist dabei viel Sinn für Komisches und Skurriles. Er erzählt von Freundschaft, Beziehungen und der Kraft, mit der Gedanken und Entscheidungen auf das eigene Leben wirken.
Ein Blick in die Verlagsvorschauen Frühjahr 2019
Eine tolle und ganz hervorragend gelungene Auswahl, ebenso geschmackvoll wie stilsicher. Freue mich auch, dass wir ein paar Übereinstimmungen in puncto Vorschautiteln haben. Mal sehen, welche Bücher uns begeistern und welche man eher vergessen kann. Ich bin gespannt!
Danke, ich habe auch schon bei dir geschaut. Trotz sehr ähnlichen Lesevorlieben und -interessen haben wir doch immer auch wieder ganz andere Titel auf dem Schirm. Das finde ich toll (auch wenn das bedeutet, dass vllt. noch das eine oder andere Buch zusätzlich auf meiner Liste landen wird). Bin auch gespannt und grüße ganz herzlich !
Oh, danke für die Auswahl!!! Da muss ich mich beeilen, dass der SuB kleiner wird. Bin gespannt auf Die Puppe im Grase und Dort dort… und noch einige mehr!
Sehr gerne. Es sind wirklich wieder spannende Titel dabei. Viele Grüße!
Eine wundervolle Mischung, für die ich sehr dankbar bin. Vor allem für die norwegischen Titel.Ich werde mir noch etwas Zeit lassen, mich in Ruhe durch die Vorschauen zu blättern. Ich muss noch einiges vom Frühjahr abarbeiten. Seufz….Viele Grüße
Ich dachte, es hätte sich nur DTV aus der Deckung gewagt – danke für die Info.