Daniel Gräfe – Wir waren Kometen

Als Lukas Luba das erste Mal begegnet, ist diese schon reichlich desillusioniert. Als im Dezember 1989 in Rumänien die Diktatur des Nicolae Ceaușescu endet, packt die sehr junge Frau ihre Koffer und verlässt ihre Heimat Hals über Kopf gen Westen. Schon als Kind opponierte sie gegen den Zwang des Regimes in der Schule, auch gegen die regimetreuen Eltern. Die deswegen erhaltenen Strafen traumatisierten sie nachhaltig. Ihr Hass auf das Land legt sich auch in Berlin nicht, obwohl sie hier auch die Negativseiten des Westens zu spüren bekommt und die Stadt doch einigermaßen entfernt von ihrem idealisierten Traumland Italien ist. Das begonnene Studium an der Hochschule der Künste kann sich die begabte Zeichnerin bald nicht mehr leisten und muss sich mit anderen Jobs über Wasser halten. In einer Nobelboutique wird sie völlig grundlos des Ladendiebstahls verdächtigt. Hier lässt Daniel Gräfe seine beiden Protagonist:innen in Wir waren Kometen das erste Mal aufeinandertreffen.

Lukas sieht die junge Frau durchs Schaufenster und ist gleich fasziniert, verteidigt sie gegenüber dem Ladendetektiv. Die schöne Luba ist mit ihrer Spontaneität, Energie und Angriffslust so ganz anders als der überlegte, oft unentschlossene Lukas, der sich mit ihr gleich viel lebendiger und leichter fühlt. Die beiden verbringen intensive gemeinsame Tage, Luba zieht bei Lukas ein. Dieser ist an einer Journalistenkarriere zunächst einmal gescheitert, arbeitet nun mehr oder weniger zufrieden in einer Werbeagentur. Doch Luba ist mit dem Leben in Berlin nicht zufrieden. Sie träumt von Italien, idealisiert es weiterhin. Die Beziehung der beiden ist nicht einfach. Sie sind sehr verschieden und Luba steckt fest in ihrer Wut, ihrer obsessiven Sehnsucht nach Italien, ihren alten Traumata.

Trennung

Als Luba das gemeinsame Leben in Italien plant und Lukas zeitgleich ein Angebot der Werbeagentur bekommt, in die Niederlassung in Stuttgart zu wechseln, müssen sie sich entscheiden. Es kommt zur Trennung. Als sich Luba aber nach längerer Zeit wieder bei Lukas meldet, fährt er nach Berlin. Doch Luba ist nach Rumänien verschwunden, hat nur ihre Tagebücher bei der Freundin Radka zurückgelassen. Lukas beschließt, sie zu suchen.

Es folgt ein Roadtrip mit Lukas altem Ford Fiesta, der reichlich überstürzt erscheint – würde er so spontan wirklich alles hinter sich lassen, so unvorbereitet aufbrechen und so derart chaotisch durchs Land fahren? -, aber ganz hervorragend erzählt ist. Die beiden britischen Backpackerinnen Lilly und Daisy sind die ersten Reisegefährtinnen, verlassen Lukas aber nach einem Tag kurz vor Wien, um auf ein besseres Gefährt zu wechseln. Liviu ist ihr Nachfolger. Der Rumäne arbeitet auf dem Bau und pendelt alle zwei Wochen in die Heimat. Mitten in Rumänien verlässt er Lukas – seine Mutter muss ins Krankenhaus. Lukas muss nun alleine weiter. Mitten in der öden Oltenia, der Kleinen Walachei, ohne Landkarte, das Handy ist auch leer, irrt er durch die „rumänische Sahara“. Er stellt sich da leider oft selten dämlich an.

Die sehr schönen, stimmigen Landschaftsbeschreibungen, generell der feinfühlige, leichte Schreibstil macht das aber vergessen. Der Bauer Bogdan setzt Lukas in einen passenden Zug und endlich erreicht er auch Giurgiu im Donaudelta, Lubas Heimatort.

Ich bin keine große Freundin von Liebesromanen und auch in Wir waren Kometen sind mir die Gefühle manchmal ein wenig zu „groß“ gewesen. Aber der frische, atmosphärische Stil und vor allem die schönen Beschreibungen links und rechts des Wegrandes und die Begegnungen mit den Menschen machen das Buch zu einer tollen Roadnovel und gleichzeitig zu einem Einblick in ein Land, das vielen noch unbekannt ist – so auch mir.

Beitragsbild: John Vermette, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

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Daniel Gräfe - Wir waren Kometen.

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Daniel Gräfe – Wir waren Kometen
danubebooks Juli 2024, 248 Seiten, 24,00 EUR

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