Sylvain Prudhomme – Der Junge im Taxi – Kurz vorgestellt

Simon ist Schriftsteller und Ich-Erzähler im Roman Der Junge im Taxi des französischen Autors Sylvain Prudhomme. Auf der Beerdigung seines Großvaters spricht ihn der angeheiratete Onkel Franz an: „Du hast ja sicher schon von M. reden hören“.

Nein, hat er nicht und es wundert ihn sehr, dass dieser Franz, der den Großvater Malusci „nur eine lächerliche Handvoll Jahre gekannt hat, ja von dem ich nicht einmal sicher bin, ob er ihm sehr nahestand“, etwas Geheimes, vor den Anderen der großen und eng verbundenen Familie Verborgenes wissen soll.

„M. der deutsche Sohn von Malusci du weißt doch, dass der Großvater in Deutschland einen Sohn gezeugt hat damals als er am Bodensee Besatzungssoldat war.“

Ein Familiengeheimnis

Simon ist über die Gebühr vor den Kopf geschlagen, versucht, von seiner Mutter Marie und der Großmutter Imma mehr darüber zu erfahren. Aber erstere mauert und letztere ist schroff abweisend, droht sogar, den Enkel zu „verstoßen“, sollte er die Sache nicht ruhen lassen. Simons Neugier wird dadurch erst recht entflammt. Er recherchiert, nimmt die Fährte zu M. auf, fährt mit seinen Söhnen in Richtung Bodensee, um den verleugneten Sohn seines Großvaters zu finden, wenn auch vergeblich, überlegt sich Geschichten und Motivationen.

Gleichzeitig steckt Simon in der Trennungsphase von A., seit zwanzig Jahren seine Partnerin und Mutter der zwei Söhne. Auch wenn das Ende der Beziehung harmonisch verläuft, fühlt sich Simon doch einsam. Vielleicht macht ihn das besonders sensibel für die Geschichte von M. Als er seinen Namen und die Adresse herausfindet, beschließt er, ihn aufzusuchen und erneut von Südfrankreich an den Bodensee zu reisen.

Sylvain Prudhomme lässt vieles offen in Der Junge im Taxi. Und das ist gut so. Einsamkeit wird spürbar, die Verlassenheit des Jungens M., der vergeblich versucht hat, seinen Vater kennenzulernen. Vaterlosigkeit auch als Schicksal Zehntausender Kinder, die nach dem Krieg geboren wurden. Nicht nur als „Besatzungskind“, aber auch. Das Ringen um Identität, um Anerkennung.

Der Roman spricht das Schweigen an, dass in vielen Familien herrscht, das Verdrängen unangenehmer Wahrheiten. Er erzählt davon, wie man diese Wahrheiten hervorholen und auch darüber schreiben kann. Aber was ist in diesem Moment „Wahrheit“? Wissen wir doch alle um die Unzuverlässigkeit von Erinnerungen.

Atmosphärisch, tastend, ruhig erzählt Sylvain Prudhomme eine existentielle, in ihrer Schlichtheit sehr berührende Geschichte.

 

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Sylvain Prudhomme – Der Junge im Taxi
Aus dem Französischen von Claudia Kalscheuer
Hardcover, 192 Seiten, € 22.00

 

 

 

 

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